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11.16. Matthias Koch, Lorenz Hübner: Belustigungen 1846 und 1793

11.16.1. Matthias Koch (1798–1877) (Ulrike Kammerhofer-Aggermann)

Matthias Koch – geboren am 3. November 1798 in Wien, gestorben am 27. April 1877 in Baden bei Wien – war Schriftsteller, Historiker und Bibliothekar. Er verfasste kulturhistorische Bücher und trat 1848 mit seinen Flugschriften als „Schwarz-Gelber“ gegen die Revolution auf.[4155] Als Korrespondent der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ (1839–1841, ab 1848 die AZ gegründet durch Johann Friedrich von Cotta) und des „Österreichischen Courier“ (vormals Theater-Zeitung, herausgegeben von Adolf Bäuerle) verfasste er „ultrareactionäre“ Artikel, die viele Erwiderungen dort wie in der „Presse“ (gegründet 1848 von August Zang in Wien) fanden.[4156]

Sein Vater war Handwerker und stammte aus Straubing in Niederbayern. Wo und wie Koch ausgebildet wurde, wissen wir nicht. 1830 bis 1835 war er Kabinettssekretär des Erzherzog Maximilan von Österreich-Este und wurde ab 1835 Bibliothekar der Erzherzogin Beatrix. Nach 1848 unterstützte die Akademie der Wissenschaften in Wien seine Publikationen (über 40 Bücher neben zahllosen Zeitungsartikeln) und Fürst Dietrichstein betraute ihn mit der Neuordnung seines Archivs.

Bald betrieb er umfangreiche Reisen und Quellenstudien mit dem Ziel, eine „populär und praktisch gehaltene Geschichte des österreichischen Kaiserstaates“ zu erstellen. 1844 wurde er Ehrenmitglied des „Historischen Vereines für Oberbayern“. Er starb völlig vergessen 1877.[4157]

Auch in den folgenden Darstellungen erweist sich Koch als ein Vertreter staatlicher wie alltäglicher Ordnungen, jener aus der Aufklärung stammenden staatlichen Lenkung und Aufsicht. Seine städtische Lebenswelt spiegelt sich in den kritisierten Defiziten. Damit beanstandet er schlechte kommunale Zustände und dem Bestreben nach Volksbildung und -aufklärung widersprechende Haltungen.

11.16.2. Wer war Lorenz Hübner? (Ulrike Kammerhofer-Aggermann)

Lorenz Hübner wurde am 2. August 1753 in Donauwörth geboren, war „ehedem kurbayerischer Professor, nun Herausgeber der oberdeutschen Staats- und der oberdeutschen allgemeinen Litteraturzeitung, wohnhaft im Ritzerbogen“. Hübner führt in seiner Selbstdarstellung eine zahlreiche Liste von Veröffentlichungen zur Numismatik, Philosophie, Naturwissenschaft und Geschichte an, unter denen auch Schauspiele sind. Ebenso finden sich der Salzburger Museumsalmanach für die Jahre 1787 und 1788 darunter, eine „deutsche Rechtschreibung“ sowie „die von ihm ebenfalls ganz neu eingerichtete Salzburger, oder oberdeutsche Staatszeitung von 1784 angefangen, nebst einem Salzb. Intelligenzblatte, [...].“[4158]

Nach seiner Journalistenzeit in München wirkte der geistliche Journalist und Topograf von 1783 bis 1799 als Neuorganisator des Pressewesens in Salzburg. Bedeutsam sind seine „Beschreibung der hochfürstlich-erzbischöflichen Haupt- und Residenzstadt Salzburg“ (82 Bände, 1792 und 1793) – aus welcher hier zitiert werden soll (Zwischenüberschriften wurden bei der Bearbeitung eingefügt) – sowie die „Beschreibung des Erzstiftes und Reichsfürstentums Salzburg“ in drei Bänden (1796). Barbara Krafft (geboren 1764 Iglau/Mähren, gestorben 1825 Bamberg; Tochter des Kammermalers Johann Nepomuk Steiner; 1794 und 1804 bis 1821 in Salzburg)[4159] porträtierte ihn. Er starb am 9. Februar 1807 in München.[4160]

11.16.3. Matthias Koch: Belustigungen 1846

11.16.3.1. Marmorkugeln zum „Kugerlscheiben“

„Die aus den Abfällen des Untersberger=Marmors erzeugten Kügelchen nennt man im Salzburgischen ‚Schüsser‘. Zuerst werden achteckige kleine Stücke zugehauen, diese sodann in die Mühlen am Fürstenbrunnen gethan und zugerundet, in dem nahen Dorfe Grädig gibt man ihnen sodann die vollkommene Kugelgestalt. Solche Spielkugeln verfertigt man von ein halb bis zwei Zoll im Durchmesser. Nach der Größe ist der Preis von 1 fl. bis 8 fl. Konv. Münze für ein Tausend Stücke im Gewichte von 10 bis 120 Pfund festgesetzt. Diese Marmorkugeln werden in der That allenthalben versendet, nach Deutschland, besonders nach Sachsen, nach Frankreich, Italien und selbst Amerika. Außer den Marmorkugeln werden in der Gegend von Eugendorf, Seekirchen und Thalgau auch die sogenannten ‚Grauen Schüsser‘ (Kügelchen aus Sandstein) in der nämlichen Weise bereitet. Ihr Absatz ist gegenwärtig nur noch auf Österreich beschränkt, da man, seit Entdeckung des einfachen Mechanismus ihrer Zubereitung, sie überall in Deutschland selbst verfertigt.“ (Seite 192 f.)

Kommentar von Ulrike Kammerhofer-Aggermann

Die Zunahme industrieller Produktionen, damit die Verbreiterung des Angebotes an billigen Kinderspielzeugen, ebenso die Verstärkung des internationalen Handels, bedeuteten einen Einbruch dieses einst wichtigen Nebenerwerbszweiges der Salzarbeiter. Der Marktanteil der Marmorkugeln als Kinderspielzeug war nicht der Hauptabsatzbereich, sondern in erster Linie wurden die Marmorkugeln als Schiffsballast verwendet und am Ziel der jeweiligen Reise verkauft. Mit der Zunahme modernen internationalen Handels wurden die Leerfahrten seltener.

11.16.3.2. Der Maibaum auf dem Nockstein

„Auf dem Nockstein wird jährlich ein Maibaum aufgerichtet, eine Sitte, die ziemlich verbreitet ist ...“ (Seite 201)

Kommentar von Ulrike Kammerhofer-Aggermann

Kochs Überlegungen, ob darin ein keltischer Brauch zu sehen sei, sind heute nur noch kritisch, als aus der Vergangenheitssehnsucht seiner Zeit entsprungen, zu sehen.

11.16.3.3. Die Liebe auf dem Lande

„Wer sähe in der Uebereinstimmung der Wörter und Redensarten, die zwischen den Wienern und Bewohnern des salzburgischen Hochgebirges Statt findet, die gemeinsame Abkunft vom gleichen Stamme nicht? Wörter wie: Naechten, Immen, Losen, Letz u. s. w. sind überdies im ältesten deutschen Sprachschatze als von den Alemannen uns zugekommen, bezeichnet. Bei den Deutschen in Ungarn und bei denen in Böhmen finden sich viele von den im salzburgischen Hochgebirg gebräuchlichen Wörtern und Ausdrücken. Auch die sogenannten Schnaderhüpfeln, von denen Ranke Proben aus dem Böhmergebirg gibt, und die in Baiern und Oberösterreich zu Hause sind, fehlen im salzburgischen Gebirgslande nicht. Hier heißen diese Wettgesänge ‚Streugsangl‘. Sie sind Stegreifgedichte der Bursche bei Zusammenkünften im Wirthshause. Wenn daselbst die Mädchen sich versammelt haben und in der Runde herumsitzen, beginnen die Bursche ihre theils augenblicklich erfundenen, theils vorher eingeübten Gedichte abzusingen und meist als Liebeserklärung, nicht selten als Spott und Herausforderung zum Streite zu benützen. Der Gegenbescheid wird von dem anwesenden Theile, der sich betheiligt findet, mehrentheils alsogleich in derselben Weise gegeben. Die salzburgischen Streugsangl sind also Wettgesänge, die nicht blos als Spiele des Witzes und der Laune, sondern als mannigfache Hilfsmittel anzusehen sind, ernste Absichten zu erreichen. Wir theilen einige Proben davon mit, um auch durch diese den obengeführten Beweis der süddeutschen Abstammung zu erhärten:

Pongau.


1.
Dirndl, di liáb i,
Füer di gib i Alls,
D’Födern auf’n Huet
Und ‘n Flor um á Hals.


2.
Wiá á schens, á roths Ápferl
Von Wurm schon angnagt,
So bist du, du falsch Dirndel,
Das d’Treu hat veracht.


3.
Was á Frueling ohne Bleámel,
Was á Summer ohne Heu,
Was á Höribst ohne Früchten,
Das is á Liáb ohne Treu.

Pinzgau.


1.
‘s Dirndel had’s kränkt,
Daß ma’ ‘s Nail[4161] hat gschenkt,
Is má gar nix d’ran glögn,
Han ihr’s glei widá göbn.


2.
Schau, Dirndel, wann prangá gehst
Und i stách dá zue,
So gmahnst mi allimal
Auf unsá dicki Kranzlkueh.[4162]


3.
Wann auf der Alm s’Gambsl springt
Und früeh s’Lerchal singt,
Lusti mein Büchsel kracht,
Das is a Pracht!

Lungau.


1.
Schatz, Du bist’s Bildl,
Das i anbeten thue,
Und dö ganzi Welt is nur
‘s Rahmel dazue.


2.
Hert’s, wia mein Schatzerl
In Garten schen singt,
Hui! wiá sis Herzel
Ueban Gartenzaun schwingt.


3.
Zwoá brinnrothi Wangerl,
Zwoa schneeweißi Zanderl,
A Gruebl auf da Koi
Had man Dirndl, das noi.[4163]

Wenn auch nur einfache Feldblumen der Poesie in den Erzeugnissen der salzburgischen Gebirgsbewohner dargeboten sind, so sind sie doch als Ausdruck des inneren Lebens dieser Naturmenschen sehr beachtenswerth. Manche athmen eine Innigkeit und Zartheit der Gefühle, welche der moralisch entnervte und verschrobene Weichling der großen Welt an dem rohen Bauer beneidenswerth finden dürfte, weil er deren gar nicht mehr fähig ist. In den paar Proben von Minnegedichten, die wir hier mittheilen, ist mit mehr echter Galanterie dem schönen Geschlechte gehuldigt, als man heutzutage in den ersten Kreisen der Gesellschaft gewahr wird. Wo ist der edle Ritter, welcher seine Herzensdame besingt und sie einem Bilde vergleicht, zu dem die ganze Welt blos die Einfassung bildet, oder der gleich dem Pongauer Liebhaber, welcher seinen besten Schmuck der Geliebten darbringt, Aehnliches auf dem Altar der Liebe zu opfern bereit wäre? Und wie mancher Verfasser erotischer Gedichte sinnt hin und her und ist nicht halbweg so glücklich, ein Bild zu finden, das in seiner Art dem im Impromtu eines Lungauers gliche; der sang:


‚Gestern had’s Dirndel gschaut
Báin Fensterl aus,
Glei schlagn in Nágelstock
Droi Nágerln aus.‘

Und wenn ein Anderer vergleicht wie folgt:

‚Á Köpferl wie á Ápferl,
Á Schnáberl wie á Spatz,
Wer kunnt dá denn Feind sein
Du herzigá Schatz!‘

so bringt er trotz Derbheit mehr Wirkung hervor, als der matt fühlende Dichter von Profession mit einem ganzen zierlich zugestutzten Blumenstrauß von Allegorien. Werden böse Leidenschaften in der Brust dieser Natursöhne wach, so äußern sie sich, wie begreiflich, mit derselben Stärke. Vorwürfe werden in grelle Farben gekleidet, der Spott ist derb und beißend, und dessen, was im Innern vorgeht, trägt der Sänger, der sich äußert:

‚Bfürt di Gott du schlechts Dirndl,
Häd’s ehntá solln wissn;
Bist nöt d’Schueh werth, döe i
Wögn deiná han zrissn.‘

Angesichts seiner untreuen Geliebten und vor der ganzen Versammlung, kein Hehl. Daraus entkeimt nicht selten Zank und Streit. Kommt es vollends zum Handgemenge, dann vertheidigt sich der Angegriffene mit dem Stock=, Stoß= oder Fotzring, einem schweren, mit hoher Spitze versehenen eisernen Ring, welchen die Burschen am kleinen Finger der rechten Hand tragen, und der bei allen Bauernschlägereien die Hauptwaffe ist.“ (Seite 353–356).

11.16.3.4. Vergnügungen in Thalgau

„Weder eine Volkspoesie, wie im salzburgischen Gebirgslande, noch die dort üblichen Spiele sind im Thalgau zu finden. In früherer Zeit war doch der Wettlauf und das Schießen nach der Scheibe (eine der nützlichsten Volksbelustigungen) im Schwunge; gegenwärtig haben aber auch diese beiden Volksunterhaltungen bedeutend abgenommen. Der Walzer, den die Landleute auch so nennen, ist der gewöhnliche Tanz und die fast ausschließliche Erlustigungsart, doch wird auch landlerisch und steierisch getanzt. Das Haupt= und Lieblingsgetränk des Thalgauers ist Bier, aber Ausschweifungen im Genusse desselben werden nicht wahrgenommen; ausgemachte Trunkenbolde gibt es gar keine. Die Mundart im Thalgau zeigt einige, doch nicht viele Abweichungen von der des Innkreises. Provinzialismen des salzburgischen Flachlandes sind jedenfalls beigemischt, aber auch altdeutsche Ausdrücke dürften sich hier viele erhalten haben.“[4164] (Seite 362 f.)

11.16.3.5. Spiele im Pinzgau

Musik, Tanz und Spiel lieben die Pinzgauer ungemein, aber singen hört man sie nicht viel, und das sogenannte ‚Alpenjodeln‘ kennen sie gar nicht, was auch nichts schadet. Ihr Jauchzen besteht blos im Ausstoßen eines einzigen unartikulirten Lautes. Nichts stellt die Körperkraft und Gewandtheit dieses Völkchens in ein günstigeres Licht, als ihre gymnastischen Spiele. Darin kommt ihnen kein Bewohner der übrigen salzburgischen Gebirgstheile und vielleicht in ganz Deutschland kein Gebirgsbewohner gleich. Wir wollen von diesen Spielen, die man auch im Weichselbachthale sehen kann, einige beschreiben.

Burislhupfen nennen die Burschen das Hinüberschwingen eines derselben über deren zehn bis zwölfe die hintereinander in halbgebückter Stellung stehen. Er schwingt sich aber nicht selbst, sondern wird von einem nach dem andern erfaßt und voltigirt.

Kesselspringen heißt über drei aufrecht stehende Männer, die sich fest umklammert halten, hinwegspringen oder einen Burzelbaum machen. Dies geschieht dadurch, daß der Springer die Stehenden erfaßt, und sich über sie hinwegschwingt.

Thurmbauen. Sechs stellen sich zusammen, auf diese drei Andere und auf die Drei noch Einer.

Holztriften. Mehrere stehen in zwei geschlossenen Reihen einander gegenüber und reichen sich die Hände. Auf diese Händebarriere springt Einer von vorne hinauf. Die Hände, welche er berührt, schupfen ihn wie einen auf sie gefallenen Ball weiter zu den nächsten, diese wieder fort bis zu den letzten.

Lämpern. Zwei umklammern sich fest, nachdem sie einen Dritten in die Mitte genommen haben, der sich herausarbeiten muß.

Gänsebraten ist verwandt mit dem Burislhupfen, doch darin verschieden, daß Alle aufrecht stehen, und Einer den Andern beim Hosenleder erfaßt, über sich hinweg zum nächsten voltigirt und so bis zum letzten, stünden ihrer auch dreißig hintereinander.

Faßbinden. Mehrere sitzen in einem Kreis. Der Faßbinder umgeht denselben und stellt sich an, als schlüge er jeden Einzeln mit dem Beile, wodurch die Sitzenden, welche die Taufeln eines Fasses vorstellen, immer näher zusammengerückt werden. Endlich schickt sich der Bindermeister an, in’s Faß hineinzusteigen, indem er mitten in den Kreis tritt. Augenblicklich wird ermit den Füßen der Sitzenden, die sich nicht von der Stelle bewegen, hinausgeschnellt. Seine Sache ist es nun, sich, trotz der Stöße, darin zu erhalten. – In das von diesen Kraftproben erregte Erstaunen mischt sich das unangenehme Gefühl zu wissen, daß sie öfter Ursache von Beinbrüchen und anderer Schadennahme werden. Es ist daher wünschenswerth, daß die Geistlichkeit und die weltlichen Behörden mindestens von den gefährlichsten dieser Spiele abrathen. Es gibt, außer den genannten, deren noch viele andere, z. B. das Lurmtanzen; ‚die Sun (Sonne) über’n Berg treiben‘; ‚Schaut’s nit um, der Fuchs geht um‘, (ungefähr wie – unsere blinde Kuh); ‚Die Henn und der Habicht‘ u. s. w. Alle diese Spiele, wobei nicht selten der Fünfziger so gut, wie der Bursche von zwanzig Jahren mithält, und der Junggeselle wie der Ehemann, auch die Dirnen, werden blos von Pfingsten bis zum Sonnenwendfeuer gehalten, später läßt die Arbeit es nicht mehr zu; auch werden sie später, wie man sagt, von der Geistlichkeit der Gewitter wegen nicht zugestanden, insofern nämlich als diese eine Strafe des Himmels sein sollen, welche man nicht durch Frivolitäten herbeiziehen darf. Auch Trauungen und Hochzeiten unterbleiben nach der Sonnenwende, und finden erst wieder zu Jakobi oder Bartholomäi statt.“[4165] (Seite 306–308)

11.16.3.6. Sonnwendfeuer und Reif- und Wetterläuten

Sonnenwendfeuer werden zu Johanni auf dem ganzen salzburgischen Gebirge angezündet, auch ist das Reif= und Wetterläuten noch im Gebrauche. Dieses letztere erhält sich auch in Oberösterreich, ja selbst in Linz, wo wir es im Jahre 1841 mehr als Einmal hörten, bis es, wie man sagt, durch ein Regierungsverbot auf ein bloßes Zeichengeben mit der Glocke beschränkt wurde. – Das Reifläuten geschieht, um zu dem hier im Gebirge wie in Tirol üblichen Reifbrennen das Zeichen zu geben.“ (Seite 309)

11.16.3.7. Die St. Wolfgangsklause über der Falkensteinwand

„An der Falkensteinwand, einer senkrecht in den See niedergehenden Felswand, ist ein volltöniger, klarer Wiederhall von einzelnen Worten und ganzen Sätzen, die so rein und deutlich wiedergegeben werden, als man sie ausgesprochen hat. Hat man sich erst einige Zeit an den mit diesem nachsprechenden Echo angestellten Proben ergötzt, dann lasse man gegen die Wand schießen. Wie Kanonendonner rollt der Knall im Kreise der Berge herum, von einem zum anderen, siebenfach, neunfach, im Entschwinden aus weiter Ferne noch wiederhallend.

Um den Falkenstein zu besteigen, müssen wir eine gute Strecke zurückfahren. An’s Ufer gebracht, gehen wir eine Viertelstunde im Walde aufwärts, bis wir auf den zur Bequemlichkeit der Wallfahrter über den Berg angelegten Treppenweg kommen. Nun geht’s ziemlich steil bergan, doch stets im Schatten eines dunklen, einsamen Waldes. Wir stehen bald ganz unvermuthet vor einer Kapelle, in deren Mitte ein uraltes, vielleicht im zwölften oder dreizehnten Jahrhunderte entstandenes Steinmonument sich erhebt. Von den auf seinen vier Seiten eingehauenen Vorstellungen sind noch erkennbar: der heilige Michael, wie er den höllischen Drachen bändigt, eine unbekannte Figur mit einer Hellebarde, ein Wappen, der heilige Wolfgang, wie er die Axt wegschleudert.[4166]

Weiter aufwärts geschritten, treffen wir eine zweite Kapelle mit einem Wandgemälde, welches uns den Heiligen in dem Momente zeigt, wie ihn der Satan über eine Felswand hinabstürzen will. Er aber, erzählt die Legende, breitete die Arme zum Gebete aus, und drückte den Körper so fest an die Wand, daß vom Haupte und von den Armen Eindrücke im Fels zurückblieben. Immerfort bergan, gelangen wir zur dritten Kapelle. Die Wandtafel in derselben zeigt uns den Heiligen, wie er, um dem Wassermangel seiner Gefährten abzuhelfen, durch einen Stoß seines Stabes die neben der Kapelle dürftig fließende Quelle hervorrief. Von hier gelangen wir nach kurzer Frist auf den Gipfel des Falkensteins. Ein breiter Rasenplan zwischen der Falkensteinwand und dem Bergrücken gleich einem Alpenkar eingesenkt, nimmt uns auf. Hier sehen wir hart an der Felsenwand die Kapelle des heiligen Wolfgangs, und etwas davon abstehend das in Trümmer zerfallene, hölzerne Haus eines Einsiedlers.

Am Eingange zur Kapelle hängt eine Glocke, welche jeder Wallfahrter, der sie besucht, anzieht. Im Innern ist blos ein Altar zu sehen, von einem großen Eisengitter verschlossen. Nebenan bemerkt man einen Felsdurchbruch. Steigt man hinan, so befindet man sich in einer kleinen Höhle, welche nach der entgegengesetzten Seite einen jedoch nur schliefbaren Ausgang hat; ein anderer Gang geht in die Tiefe. In dieser Höhle soll St. Wolfgang seine Zelle gehabt haben. Wir werden uns an der Klause des heiligen Wolfgangs wirklich ganz in die Zeit des Anachoretenlebens zurückversetzt fühlen. Dafür konnte kein schicklicherer Platz gewählt werden, als eben der hinter der Falkensteinwand. Stille, Verborgenheit und ein romantisches Walddunkel herrschen hier in einer weit und breit nicht wieder in so ausnehmendem Grade gefundenen Eigenthümlichkeit. Noch vor etlichen Jahren hauste wirklich ein Einsiedler auf dem Falkenstein, der blos von den Geld= und Naturalienspenden der Landleute und Pilger lebte, auch diese beherbergte und dieserwegen ein so ungewöhnlich geräumiges Haus bewohnte. Da aber seine Frömmigkeit nicht probehältig war und österreichische Gesetze derlei Eremitenansiedlungen nicht dulden, so mußte er sein Haus räumen. Es dient nun dem weidenden Vieh zum Unterstande.

Nachdem wir die Klause des Heiligen verlassen haben, schreiten wir an der entgegengesetzten Seite den Berg hinab. Auf diesem Wege finden wir noch eine, also die fünfte Kapelle. Sie ist eine Kreuzkapelle, um welche ringsherum eine Masse von Steinen aufgehäuft liegen. Wozu diese Steine? frägt man unwillkürlich. Einer alten, im Volke erhaltenen Sage zufolge wird dann, wenn von den frommen Pilgern so viele Steine zusammengetragen sind, daß sie zum Baue einer Kirche hinreichen, an dieser Stätte thatsächlich eine entstehen, doch muß jeder von den Wallern über den Falkenstein einen Stein den Berg herauftragen, ohne sich dabei umzusehen, und muß es im Geiste der Buße für seine Sünden thun. Da tragen denn die gläubigen Pilger seit undenklicher Zeit die Steine zusammen und legen sie an dieser Stelle nieder, harrend des verheißenen Wunders. Und obgleich dieses noch immer nicht sich zutrug, und der Steine mehr als benöthigt sind in großer Anhäufung daliegen, so werden sie doch nicht müde, alle Jahre neue zuzutragen.

Der Wunderglaube ist die Poesie des Volkes. Wir, die ihn nicht mit ihm theilen, haben zwar an Verständigkeit gewonnen, aber einen guten Theil von poetischer Anschauung der Dinge dadurch verloren. – Die Parthie auf den Falkenstein ist in Beziehung auf einen Naturgenuß eigener Art, so wie wegen der Erscheinungen aus dem Sagenkreise des Wunderbaren und Märchenhaften, denen wir überall begegnen, sehr interessant. Wir begreifen nicht, warum ihr in den zahlreichen Werken über das Salzkammergut fast gar keine Bedeutung gegeben ist, da es doch darin an Sentimentalitäten und schwärmerischer Lobeserhebung für viele sehr unbedeutende Dinge eben nicht gebricht.

Vom Falkenstein kann man zu Fuß über den Viehberg bis Schärfling kommen, kann sich dort einschiffen und auf dem Mondsee bis zum Markte Mondsee fahren. Will man dies nicht, so fährt man auf dem Wolfgangsee weiter bis St. Gilgen, landet hier, nimmt auf der Post einen Wagen und schlägt die Straße nach Mondsee ein.“ (Seite 420–423)

11.16.4. Lorenz Hübner: Belustigungen 1793[4167]

11.16.4.1. Fasching in der Stadt Salzburg

„Bey Redouten, Comödien etc. stehen die Miethkutschen zu jeder Minute gleich den anderswo üblichen Fiakern in Bereitschaft da [Anm. Kammerhofer: gewöhnlicher Standplatz war der Michaelisplatz = Glockenspielplatz].

5) Comödien werden insgemein den Winter über im hochfürstlichen Ballhause von eigens dazu aufgenommenen Schauspieler=Gesellschaften, insgemein den besseren aus den herumziehenden, gegeben; sie werden, besonders seitdem eine Gesellschaft von inländischen Dilettanten im Jahre 1789 die Winterabende ihrer Mitbürger zu verkürzen, und angenehm zu machen sich bemühet hatte, nun häufiger als jemahls, selbst von sehr vielen Bürgerfamilien besuchet. Andere öffentliche Ergötzungen, ausgenommen, wenn reisende Künstlertruppen die Stadt besuchen, und die höchste Bewilligung sich zu zeigen, erhalten, und außer den 6 bis 8 Redouten zur Faschingszeit hat die Hauptstadt gewöhnlich keine. Zur Ehre des sanften Charakters der Salzburger werden die Thierhetzen, Taschenspiele, Spring= und Seiltänzer=Künste nicht sehr zahlreich besuchet.“ (Seite 487)

11.16.4.2. Tisch- und Würfelspiele der Salzburger – kommentiert von Ulrike Kammerhofer-Aggermann

Das Würfelspiel war in Salzburg bereits durch die „peinliche Gerichtsordnung“ von Erzbischof Friedrich III. im Jahre 1328 verboten worden. (Seite 498)

Andere Tischspiele waren aber sogar den Adels- und Bürgersöhnen im Collegium der Siebenstädter wie im Virgilianischen Convict erlaubt, die die dort Jus und Philosophie studierten: „An den Ergötzungstagen, und besonders im Winter, wenn das nasse Wetter einen Spaziergang zu machen nicht erlaubet, unterhalten sich die Herren Cavaliers mit dem Billard=, Schach=, Trick=Track= oder Volantspiele; auch ist ihnen im Collegium unter den Augen der Vorgesetzten um ein geringes Geld ein Commercespiel erlaubt.“

Weiters gehörten „Tanzen, Fechten, Voltigieren und Reiten“ zur Ausbildung und den Zöglingen war erlaubt „beym Corteggio und den Gesellschaften bey Hofe dreymal in der Woche zu erscheinen.“ (Seite 545–547)

11.16.4.3. Bräuche und Unterhaltungen im 17. Jahrhundert – kommentiert von Ulrike Kammerhofer-Aggermann

Aus der Badereise des Abtes Placidus Buechauer von Kremsmünster nach Wildbad Gastein im Jahre 1665 erfahren wir, dass sich der Abt mit seiner geistlichen Gesellschaft in Salzburg ein Schachspiel und zwei deutsche Kartenspiele zur Unterhaltung kaufte.

Auf der Rückreise besuchten Patres in Salzburg das Johannesfeuer, das auf dem Hauptplatz auf Kosten der Gemeinde abgebrannt wurde. Auch in Hallein hatten sie die bürgerliche Schießstätte besucht, wo die Bürger im Schießen wetteiferten, die Turner musizierten und die Bergknappen tanzten.

11.16.4.4. Eine Taufeinladung im 17. Jahrhundert – kommentiert von Ulrike Kammerhofer-Aggermann

Pater Franz wohnte einem „Kindlmahle“ in Hallein bei. Die Geburt des Bürgersohnes wurde mit vier Trompetenfanfaren in die vier Himmelsrichtungen verkündet und danach ein feierliches Mahl mit einer Tafelmusik (der Halleiner Turner bzw. Stadtmusikanten), einem Toast und Segenswünschen ausgerichtet: Es gab teuren Rosazer Wein, Forellen, Kranawittsvögel und Strauben.[4168]



[4155] Bedeutende Werke: [KochMat 1838]. – [KochMat 1842]. – [KochMat 1846]. – [KochMat 1850]. – [KochMat 1865].

[4156] [Wurzbach 1856]. – Herrn Alfred Höck ist für die umfangreiche Literatur-Recherche zu danken.

[4158] [Hübner 1793], S. 596 f.

[4161] Anm. Koch: Nail, ein Kuß auf die Wangen.

[4162] Anm. Koch: Prangen gehen heißt: mit einem Kranz im Haare geschmückt der Fronleichnamsprozession sich anschließen, was nur ganz unbescholtene Mädchen thun dürfen.

[4163] Anm. Koch: Koi – die Backen; noi – neu.

[4164] Anm. Koch: Zu letzteren gehören offenbar Allmaring, d. i. der Küchen= oder Speisekasten; anehr, d. i. vollkommen, auch unverhohlen; Fantihab statt Fahrniß, Sachen; Tiufl statt Teufel; heimlich statt stille, z. B. ein heimlicher Mensch, für ein stiller; sa hamla: sei stille; Prowenken: bewegen; Krieg für Streit, z. B. ‚Heng auf mit dein’ kriegen‘ (aufhengen ist für aufhören üblich); Stalster heißt die Thüre, die vom Vorhause in die Tenne führt; Ofen, die Heulage; Raise, die Zusammenkunft der Weibsleute Nachmittags im Winter zur gemeinschaftlichen Strick= oder Spinnarbeit, und Nachtraise, gesellschaftliche Zusammenkünfte überhaupt Abends.

[4165] Anm. Koch: Spiele der genannten Art sind auch im Pongau und Lungau üblich. Im Flachlande werden, doch keineswegs in allen Bezirken, andere gefunden, welche sich von denen des Gebirgslandes durch weit geringeren Kraftaufwand auffallend unterscheiden. Gegen die Spiele, wofür der Pinzgauer die ganze Kraft seines Körpers einsetzt, und diesen selbst zum Gegenstande macht, sind das Eierklaublaufen, das Sacklaufen, Hosenlaufen, Lichtbrennlaufen, Stelzenlaufen etc. des Bauers im Pfleggerichte Salzburg, Tändeleien, deren der Pinzgauer sich vielleicht schämte.

[4166] Anm. Koch: St. Wolfgang, sagt die Legende, habe den Gedanken erfaßt, eine Kirche in der Gegend zu erbauen. Unschlüssig, an welcher Stelle, schleuderte er die Axt von sich. An dem Platze, wo sie hinfiele und er sie wiederfände, sollte der Bau geschehen. Sie fiel – von seiner Klause am Falkenstein bis Wolfgang. Dort nun entstand, dem Wahrzeichen zufolge, die Kirche.

[4167] [Hübner 1793], S. 487, S. 498, S. 545–547.

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