Startseite: Bräuche im Salzburger LandFolge 1: Im Winter und zur WeihnachtszeitFolge 2: Vom Frühling bis zum HerbstBegleitheft (in Arbeit)ZitierempfehlungVolltextsucheHilfe

Salzburger Jugendliche „on air“. Reise zur kulturellen Identität (Christine W. Wijnen, Iris Köck) – Langtext

Informations- und Kommunikationstechnologien lassen die Welt immer mehr zusammenwachsen und verschiedene Kulturen miteinander verschmelzen. Gleichzeitig, oder vielleicht gerade deshalb, scheint das Lokale ebenfalls verstärkt an Bedeutung zu gewinnen. So spricht man beispielsweise auch in einem vereinten Europa von einem Europa der Regionen und sogar in scheinbar global einheitlichen Jugendkulturen, wie etwa dem HipHop, ist das Lokale „keineswegs aufgelöst, sondern strukturiert globale Importe in je eigener Weise“.[2708] Aber was ist gerade das Außergewöhnliche, das Einzigartige, eben dieses „Lokale“ einer Region und was bedeutet dies für Menschen, die in einer bestimmten Region leben? Und was bedeutet das konkret für uns, die wir in der Region Salzburger Land leben? Wie definieren wir uns und was ist das Besondere an unserem kulturellen Umfeld? Antworten auf diese und ähnliche Fragen auf einer Forschungsreise durch ganz persönliche Lebenswelten zu finden, war der Kern eines gemeinsamen Schulprojektes der Salzburger Volkskultur des Salzburger Landesinstituts für Volkskunde und der Radiofabrik Salzburg.

Bräuche und kulturelle Identität

Der Begriff Kultur kann auf unterschiedliche Weise interpretiert und definiert werden, im Kontext des vorgestellten Projekts wird darunter die Gesamtheit aller Lebensvorstellungen einer räumlich abgegrenzten Gesellschaft verstanden.[2709] Genau damit setzen sich die Cultural Studies als wissenschaftliche Disziplin auseinander. Sie erforschen die Bedeutung (meaning) von Gegenständen. Diese Bedeutung wird produziert, aber je nachdem wie ein kultureller Gegenstand konsumiert wird, ändert sich dessen Bedeutung. Die Konsumption von kulturellen Gütern ist auch ein wichtiger Bestand von Identität. Dazu gehören unter anderem Wertvorstellungen, Lebensweisheiten, Sprache, künstlerisches Schaffen, Sitten, Normen und Bräuche. Cultural Studies befassen sich daher mit Texten im weitesten Sinn. Das heißt, ein Text umfasst beispielsweise auch eine Fotografie, einen Film, Sprache, oder die Kleider, die jemand trägt, und kann so von einem Volkstanz bis zu einer Dose Cola reichen. Definiert werden Texte dadurch, dass sie Bedeutung tragen und können auf diese Weise Bestandteil kultureller Identität(en) werden.[2710]

Bräuche fungieren ebenfalls seit jeher als Ausdruck des Weltbildes und des Selbstverständnisses (als Handlungsrahmen) der Menschen und bieten somit Handlungsanleitungen im Umgang mit Mitmenschen und Umwelt an. Ihre äußeren Erscheinungsformen sowie in ihnen verpackte Weltbilder und damit verbundene Kommunikationsstrukturen waren und sind Hilfen bei der Suche nach dem Sinn des Lebens und der eigenen kulturellen Identität. Bräuche sind aber keinesfalls statisch, sondern eingebettet in Alltags- und Lebenswelten einer ständigen Weiterentwicklung und Anpassung an gesellschaftliche Veränderungen und konkrete Lebensbedürfnisse bzw. Interessen unterworfen. Als kulturelle Interpretation von Welt sind sie Bestandteil kultureller Diskurse der Gegenwart.[2711]

Ein anderer Blickwinkel

Auf wissenschaftlicher Ebene wurde schon viel zum Thema Bräuche im Salzburger Land geforscht und auch unter den volkskulturell Tätigen sind immer wieder Vertreter zu finden, die über ihre Bräuche, ihre persönlichen Erfahrungen und Gefühle, eben über ihre Lebenswelt(en) in der Region Salzburger Land berichten und bestrebt sind, dies einer breiten Öffentlichkeit mitzuteilen. Viele derartige interessante Beiträge sind beispielsweise auch auf den beiden ersten CD-ROMs der Reihe „Bräuche im Salzburger Land“ zu finden. Meist wird diese Thematik aber nur aus Sicht der Erwachsenen oder auf wissenschaftlicher Ebene betrachtet und auch wenn über Kinder und Jugendliche gesprochen wird, kommen diese selbst oft relativ wenig zu Wort.[2712]

Dabei leben gerade Kinder und Jugendliche in ihren eigenen Welten und nehmen den Alltag um sie herum anders wahr bzw. messen vielen Dingen andere Prioritäten bei und geben diesen andere Bedeutungen, als dies in der Erwachsenenwelt der Fall ist. So entstehen, oft auch durch Bricolage, der neuen Kombination und Interpretation von bereits Vorhandenem, neue Jugendkulturen.[2713]

„Das Prinzip der Bricolage, wörtlich „Bastelei“, meint die Neuanordnung und Rekontextualisierung von Objekten, Tönen und Kombinationen mit dem Ziel, neue Bedeutungen herzustellen und damit das vorhandene Gesamtsystem von Bedeutungen neu zu ordnen oder auch absichtlich zu verwirren.“[2714]

Derartige „Basteleien“ sind fixer Bestandteil – nicht nur – von Jugendkulturen, welche sich dadurch auszeichnen, dass Jugendliche sowohl Akteure als auch Publikum sind. Mittels dieser selbst entworfenen und selbst bestimmten Subkulturen suchen junge Menschen ihren Platz in der Kultur der Erwachsenen (ob Haupt- oder Subkultur) und verbinden damit auch oft ihre Kritik am Bestehenden.[2715] Bricolage fällt manchmal besonders auf, wenn man die, abseits dem allgemein herrschenden Modegeschmack neu kreierten Kleidungsstile Jugendlicher, neue Wortschöpfungen bzw. den Umgang sowie das Spiel mit Sprache und Redewendungen oder neue Interpretationen bzw. Veränderungen alter Songs und daraus entstehende neue Musikstile betrachtet.[2716] Diese (teils ironischen) Zitate, Basteleien und Selbstdarstellungstechniken bauen Identität auf und bieten jungen Menschen Unterstützung und Möglichkeiten des Experimentierens auf ihrem langen Weg zur Ich-Findung.[2717] Ein weiteres Beispiel dafür, dass Kinder und Jugendliche oft in ganz anderen Welten leben als die Generation ihrer Eltern, wäre auch ihr Umgang mit Medien und die Rezeption von Medieninhalten, zu denen Erwachsene oft nur mit Mühe Zugang finden.[2718]

Auch (Ge-)Bräuche stellen kein statisches, generationenlang überliefertes Wissen dar, sondern befinden sich in ständiger Veränderung und Weiterentwicklung. Gerade dies passiert auch dadurch, dass dieses Wissen zwar von einer Generation an die nachfolgende weitergegeben wird, diese aber das Überlieferte auch gebraucht und für sich neu interpretiert (Rezeption und Reproduktion) und weiterentwickelt, um es so ihrerseits weitergeben zu können. Ohne eine derartige aktive Auseinandersetzung mit überliefertem Wissen wäre dieses tot und Bräuche würden zu inhaltslosen Imitationen oder reinen Shows für Touristen verkommen.

Jede sich als kulturell zusammengehörig fühlende Gemeinschaft birgt aber auch das Potenzial, um immer wieder neue Bräuche und Rituale entstehen zu lassen (Innovation), die für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe eine besondere Bedeutung haben. Dies spielt auch in Jugendkulturen eine große Rolle. Gerade junge Menschen verfügen über ein großes kreatives Kapital und ganz eigene Vorstellungen von dem Umfeld und der Welt, in welche sie hineingeboren wurden. Sie entwickeln oft alternative Wertesysteme und eigene Weltanschauungen. Somit sind Jugendliche auch ein wichtiger Bestandteil der Region Salzburger Land. Dies war für die Salzburger Volkskultur und das Salzburger Landesinstitut für Volkskunde auch Anlass dafür, sich Gedanken zu machen, wie man Salzburger Jugendliche am besten zu Wort kommen lassen könnte, um über ihre Lebenswelt im Kulturraum Salzburg zu berichten. So wurde gemeinsam mit der Radiofabrik Salzburg das Schulprojekt „Eine Reise zur kulturellen Identität“ geboren.

Eine Reise zur kulturellen Identität

Das Schulprojekt „Reise zur kulturellen Identität“ hatte das Ziel, durch die Arbeit mit zwei Schulklassen mehr oder weniger eine Momentaufnahme darzustellen und so einen kleinen Einblick in die Gedanken einiger junger Salzburgerinnen und Salzburger zum Thema kulturelle Identität zu erlangen. Wenn dies auch nicht in Form einer breit angelegten Untersuchung sozialwissenschaftlich verwertbare Erkenntnisse liefert, so ist damit doch ein Beitrag zur „Oral History“ entstanden, der anderen zur wissenschaftlichen Reflexion dienen kann. Da kulturelle Identität für jeden Menschen etwas anderes bedeutet und eng mit dessen individuellen Lebenserfahrungen zusammenhängt, können die Aussagen lediglich zweier Schulklassen (insgesamt 52 Personen) auch nicht verallgemeinert werden. Dennoch sind darin Aussagen über das Herkunftsmilieu der Schüler und Schülerinnen enthalten. Ebenso ist es sehr wohl interessant, junge Menschen zu Wort kommen zu lassen und zu beobachten, wie diese die Frage nach kultureller Identität angehen bzw. welche Themen ihnen diesbezüglich überhaupt wichtig sind, da dies auch zeigt, dass kulturelle Identität(en) im Lebensraum Salzburger Land nicht immer das darstellen müssen, was in den Köpfen vieler Erwachsener als Standard gilt und als gegeben hingenommen wird, sondern dass die Auseinandersetzung mit den Traditionen, Bräuchen, Ritualen sowie mit dem gesamten Umfeld des Lebensraums Salzburger Land viele unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten bietet.

Deshalb sollte Salzburger Jugendlichen im Rahmen des Projektes „Reise zur kulturellen Identität“ in Form einer ganz nach deren Vorstellungen geschaffenen Radiosendung die Möglichkeit geboten werden, sich nicht nur mit dem Thema kulturelle Identität auseinanderzusetzen, sondern ihre Meinung auch öffentlich mitteilen zu können. Die konkrete Schwerpunktsetzung sowie auch der Aufbau der Sendung waren dabei vollkommen frei und den Jugendlichen selbst überlassen. Platz war für alles, was die jungen Salzburgerinnen und Salzburger als wichtig, typisch und kennzeichnend für ihre Lebenswelt(en) im Kulturraum Salzburger Land empfanden. Einzige Vorgabe war dem Publikum zu vermitteln, was für die Jugendlichen kulturelle Identität bedeutet, wie sie dazu stehen und wie sie sich als Jugendliche im Lebensraum Salzburger Land definieren bzw. was in ihrem ganz normalen Alltagsleben wichtig und besonders ist.

Oberste Priorität bei diesem Projekt war, dass die Schülerinnen und Schüler ganz unbefangen an das Thema herangehen konnten, ohne von Erwachsenen beeinflusst zu werden. Die Themenauswahl sowie die gesamte Gestaltung der Radiosendung erfolgte, angefangen von der Musik bis zu den einzelnen Beiträgen, einzig und allein nach den Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler. Wichtig war, dass das, was am Ende an Themen, Beiträgen und Statements herauskam, ganz deren Wertschätzungen entstammt, auch wenn dies vielleicht nicht immer ganz dem entspricht, was Erwachsene zur Thematik kulturelle Identität und Lebenswelt „Salzburger Land“ zu sagen hätten oder was Wissenschafter und Wissenschafterinnen dazu theoretisch oder methodisch anmerken würden. Ein besonderes Anliegen war, dass die Jugendlichen mit den Ergebnissen auch tatsächlich „leben können“ und nicht eine, an Erwartungshaltungen Erwachsener orientierte Bewertung und Auswahl wiedergeben wird, die nicht ihren eigenen täglichen Bedürfnissen entspricht.

Das Radio als Sprachrohr

Die Medienrezeption insgesamt ist in den Alltag Jugendlicher in einer Weise integriert, dass von ihrer Habitualisierung gesprochen werden kann. Medienverhalten als Habitus meint diesbezüglich, dass Jugendliche selbstverständlich und partiell unbewusst mit den Medien umgehen, die sie zu einem erheblichen Teil selbst besitzen und über die sie zumindest relativ frei und technisch kompetent verfügen. Einerseits nutzen Jugendliche Medien sehr passiv und oberflächlich in Form einer „Nebenbei-Beschäftigung“, andererseits gibt es eine Fülle von Hinweisen dafür, dass sie als aktiv handelnde Subjekte sehr wohl differenziert und selektiv mit Medien umgehen, der Faszination des Diffusionssogs eigene Strukturierungsleistungen entgegensetzen, spezifische Medienpräferenzen entwickeln und die Informationen gemäß ihrer Lebenslage verarbeiten und sie in ihre Wissensbestände und Gefühlshaushalte integrieren.[2719]

Das Radio mit seinen unterschiedlichen Formaten als musikorientiertes und unterhaltendes Medium spricht Kinder und Jugendliche durch seine inhaltliche und formale Prägung besonders an. Es kann diesbezüglich auch als Orientierungsangebot für eine Identitätsbildung vor dem Hintergrund gewandelter moderner Lebensformen in unserer von Individualisierungs- und Standardisierungsprozessen geprägten Welt dienen und ist somit als weit verbreitetes Medium auch heute noch fest im Alltag von Kindern[2720] aber auch Jugendlichen, verankert. Dabei übernimmt das Radio oft die Funktion eines „Nebenbei-Mediums“, aber es werden auch einzelne Sendungen, wie beispielsweise Hitparaden, bewusst ausgewählt und gehört.

Dass das Radio nach wie vor einen wichtigen Bestandteil der Medienwelten heutiger Jugendlicher darstellt, ist ein Grund, warum gerade dieses Medium im Rahmen des Projekts „Reise zur kulturellen Identität“ als Sprachrohr für die beteiligten Schulklassen gewählt wurde. Weitere Gründe dafür lagen vor allem in der Überlegung, dass Jugendliche viel eher aus sich herausgehen, wenn es Spaß macht und so wenig wie möglich an die Schule erinnert, wie es beispielsweise beim Schreiben von Aufsätzen der Fall sein könnte. Bei der Produktion von Radiosendungen herrscht ein besonders aktives und kreatives Klima, weil sich Jugendliche einerseits ernst genommen fühlen und andererseits aber auch der Spaß und die Lust am „Radiomachen“ eine bedeutende Rolle spielen. Das zeigen nicht nur die jahrelangen Erfahrungen der Radiofabrik, sondern es konnte auch durch im Rahmen einer Diplomarbeit durchgeführte Interviews mit Jugendlichen, die selbst Radiosendungen produzieren, bestätigt werden.[2721] Die Schülerinnen des Elisabethinums bestätigten diese Erkenntnis nach Fertigstellung ihrer Radiosendung ebenfalls. In einem abschließenden Mail betonten sie, dass sie außerordentlich zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Sendung waren, dass sie sich ernst genommen fühlten und dass sie gerne öfter in Form einer Radiosendung der Öffentlichkeit ihre Meinung sagen würden.

„Die Produktion der Sendung war stressig, aber abwechslungsreich. Es hat uns Spaß gemacht und wir hatten das Gefühl etwas Eigenständiges machen zu können.“[2722]

Ein weiterer Grund für die Wahl des Mediums Radio war, dass Sendungen, die von Jugendlichen für Jugendliche produziert werden im Allgemeinen eine hohe Akzeptanz in dieser Altersgruppe zeigen. So wirken die vermittelten Inhalte auch nicht aufgesetzt, sondern regen vielmehr zum Hinhören und zur Diskussion an. Die Schülerinnen und Schüler des Musischen Gymnasiums fanden es auch deshalb interessant, Erfahrungen mit der Produktion von Radiosendungen zu sammeln. Sie fühlten sich ernst genommen und fanden es auch spannend, sich einmal bewusst mit dem Thema „Bräuche und kulturelle Identität(en) im Lebensraum Salzburg“ auseinanderzusetzen. Folgende Zitate stammen ebenfalls aus einem abschließenden Mail der Schülerinnen und Schüler:

„Es war total spannend zu erfahren, wie das so mit dem Radiomachen funktioniert, dass nicht einfach nur Radio einschalten und anhören dazu gehört, sondern wenn ich zum Beispiel jetzt das Radio einschalte, muss ich jedes Mal an die mühsame Arbeit zur Vorbereitung dieser Sendung denken.“[2723]

„Projekt super und perfekt für Jugendliche, um sich ein Bild über einen Arbeitstag im Radio zu machen“.[2724]

„Es war eine interessante Erfahrung, das Thema ‚Brauchtum‘ einmal aus einem ganz anderen Blickwinkel zu betrachten. Wahrscheinlich ein Thema, das viele von uns mit Volksmusik, Hansi Hinterseer, Dirndlkleidern und konservativen, alten Leuten in Verbindung gebracht haben, bevor wir uns intensiver mit dem Thema befasst haben.“[2725]

„Ich habe es echt super gefunden! Vor allem find ich gut, dass JEDER zu euch [Radiofabrik, Anm. d. A.] kommen kann, wenn er eine Sendung machen will! Danke, dass ihr uns die Möglichkeit gegeben habt, zu erfahren, wie das alle so abläuft!!“[2726]

„Hat mich zum Nachdenken über die ganze Situation angeregt – ‚a feine Gschicht‘.“[2727]

Die Projektdurchführung

Nachdem Schulen in ganz Salzburg kontaktiert wurden, ob Interesse bestünde am oben beschriebenen Projekt teilzunehmen, meldeten sich schließlich eine Klasse (3b HL, Schuljahr 2003/2004) der HBLA Elisabethinum aus St. Johann/Pg., als Beispiel für eine Schule auf dem Land, und eine Klasse (3a, Schuljahr 2003/2004) des Musischen Gymnasiums in Salzburg, als Beispiel für eine städtische Schule. Die Schülerinnen und Schüler beider Klassen waren im Schnitt 16 bis 17 Jahre alt. Bei der ländlichen Schule handelt es sich um eine berufsbildende höhere Schule, bei der Schule aus der Stadt Salzburg um eine allgemeinbildene höhere Schule.

Zuerst wurde den verantwortlichen Lehrern der Ablauf und das Ziel des Projekts erklärt und ihnen besonders nahe gelegt, ihre Schüler so wenig wie möglich in ihrer kreativen Arbeit zu beeinflussen, woran sie sich auch hielten. Das eigentliche Projekt startete in den Schulen mit jeweils einem Workshop, im Rahmen dessen anfangs kurz das Referat Salzburger Volkskultur und die Radiofabrik Salzburg vorgestellt sowie die Idee, welche hinter dem Projekt steht, und der gesamte Ablauf erklärt wurden. Darauf folgte eine Einführung in das Thema Radio und „Radio machen“, was von Seiten der Jugendlichen sofort auf reges Interesse stieß. In diesen Radio-Basiskursen wurde den Schülerinnen und Schülern das Handwerkszeug für eine Sendungsproduktion erklärt. So standen Themen wie Stundenuhr, Interview- und Aufnahmetechnik sowie Stimmtraining im Vordergrund. Die Klassen erarbeiteten mit der Workshop-Leiterin dabei auch jeweils die einzelnen journalistischen Gattungen, um später in der Produktionsphase auf eine möglichst große Palette an Gestaltungsmöglichkeiten zurückgreifen zu können.

Im Anschluss an diesen Einführungsblock ergaben sich mit beiden Schulklassen Diskussionen über alte und neue Bräuche, Lebenswelten und Lebensweisheiten sowie kulturelle Identität. Vor allem die Schülerinnen des Elisabethinums stiegen sofort mit großem Interesse in das Thema ein. Die Ideen sprudelten nur so hervor und es gab bereits in der ersten Projektphase „heiße“ und vor allem interessante Wortgefechte. Nachdem die Schülerinnen und Schüler beider Klassen innerhalb kürzester Zeit genauestens über die Planung einer Radiosendung, Stilmittel des Radios sowie die Bedienung eines Aufnahmegeräts Bescheid wussten und den Kopf voller Fragen und Ideen hatten, begann für sie eine Zeit intensiver Arbeit, die zwei bis drei Wochen später im Studio zu interessanten Ergebnissen (Audiobeispiele im Kurztext) führte.

HBLA Elisabethinum: Perspektiven aus „Innergebirg“

Die 3b HL Klasse der HBLA Elisabethinum war die erste, welche mit dem Projekt „Reise zur kulturellen Identität“ konfrontiert wurde. Anfang März 2004 fand der Einführungs-Workshop statt. Spontan räumten die Mädchen „lästige“ Schulbänke aus dem Weg und es konnte in einem gemütlichen Kreis am Boden Platz genommen werden. So erinnerte kaum noch etwas an klassischen Unterricht und in einer lockeren Atmosphäre wurden die Schülerinnen in das Thema kulturelle Identität und die Produktion einer Radiosendung eingeführt. Als Ausdruck des Tatendrangs entflammten heiße Diskussionen darüber, was in ihre Sendung kommen sollte. So entstand beispielsweise eine Diskussion rund ums Dirndlkleid, die von „nein, das interessiert mich nicht“ über „na ja, ich ziehe es schon an, aber sonst ist es mir egal“ bis zu „für mich ist das schon wichtig und das gehört auch zu meiner Identität“ reichte. Oder auch übers Essen – beispielsweise ob man Klotzenbrot (das dunkle Weihnachtsfrüchtebrot mit Dörrobst) nun mit Butter oder Sauerkäse isst – wurde heftig diskutiert. Schon allein ein Livemitschnitt dieser Diskussionen hätte eine interessante Sendung ergeben. Mit großem Eifer und jeder Menge Ideen machten sich die Mädchen im Rahmen ihrer Einkehrtage[2728] an die Konzeption der Radiosendung.

Ende März erfolgte dann im Rahmen eines zweiten kleinen Workshops, bei dem die Jugendlichen den digitalen Audioschnitt erlernen konnten, die eigentliche Produktion der Sendung in der Radiofabrik und das Ergebnis kann sich hören lassen. Ausgestrahlt wurde die fertige Sendung am 4. April 2004 und am 28. August 2004. Tini, Elisa und Maria präsentierten stellvertretend für ihre ganze Klasse die Ergebnisse des Projekts.

Die Mädchen, welche die HBLA Elisabethinum in St. Johann besuchen, stammen aus verschiedenen Gemeinden des Pongaus und Pinzgaus und wachsen am Fuße des Nationalparks Hohe Tauern auf. Sie zeigen sich sehr naturverbunden und sehen die Bergwelt, inmitten derer sie leben, als einen unverzichtbaren Bestandteil ihrer kulturellen Identität, welcher sie auch von Menschen unterscheidet, die in anderen Regionen leben. Die Berge spielen auch in der Freizeit der Mädchen eine große Rolle, sei es beim „Berggehen“ und Mountainbiken im Sommer oder beim Langlaufen, Schitourengehen und Schifahren im Winter. Bestätigung holten sich die Schülerinnen dabei durch Interviews mit Gleichaltrigen, die von ihren schönsten Bergerlebnissen berichten. Die Berge werden dabei besonders deutlich mit positiven Attributen besetzt.

Die Musik ist ebenfalls ein zentrales Thema für die St. Johanner Schülerinnen. Die Volksmusik und im Besonderen die Stubenmusi finden sie als besonders charakteristisch für Salzburg. Deshalb wurde auch eine Lehrerin, welche Mitglied eines bekannten Volksmusikensembles ist, interviewt. Was sich diesbezüglich schon in den Diskussionen während der Workshop-Phase gezeigt hat, kam auch in der fertigen Radiosendung zur Sprache. Für die Jugendlichen ist zwar die Volksmusik ein besonderes Kennzeichen der Lebenswelt Salzburger Land, manche in der Klasse finden diese Musik auch gar nicht so schlecht und einige „können damit leben“, den Großteil interessiert aber andere Musik. So gibt es beispielsweise einen schuleigenen Gospelchor, in dem einige Schülerinnen begeistert mitsingen und diesen auch als einen wichtigen Bestandteil ihres Musiklebens betrachten. Andere hingegen zeigen sich als engagierte Mitglieder einer Blasmusikkapelle. Auch für diese Mädchen nimmt das aktive Musizieren einen besonderen Stellenwert in ihrem Leben ein, da dieses Hobby einerseits viel Zeit in Anspruch nimmt und sie sich andererseits auch voll und ganz damit identifizieren.

Einig ist sich die Klasse, dass es Spaß macht, in der Freizeit aktiv Musik zu machen und dass dies auch ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens ist. Allerdings wird deutlich, dass es für die Schülerinnen kein „Entweder-oder“ zwischen Blasmusik, Volksmusik, Gospel oder anderen Musikstilen gibt, sondern dass ihnen besonders die Vielfalt wichtig ist. So wehrt sich beispielsweise auch eine Schülerin in einem Interview heftig dagegen, dass ihre Harfe als reines Volksmusikinstrument betrachtet wird und zeigt, dass sie auf ihrem Instrument die unterschiedlichsten Musikrichtungen beherrscht. Weiter kristallisierte sich auch eine Gruppe von Mädchen heraus, für die Oldies eine so wichtige Rolle spielen, dass sie unbedingt in die Sendung integriert werden mussten. Ihre Vorliebe empfinden sie zwar als wichtig für ihre persönliche kulturelle Identität, als typisch für ihre Region und die dort lebenden Menschen würden sie dies aber nicht bezeichnen. In ihrer Radiosendung gaben die Schülerinnen der HBLA einen Querschnitt ihrer Lieblingsmusik, wobei von Pink bis zu Rainhard Fendrichs Hymne „I am from Austria“ alles vertreten war.

Während des Workshops in der HBLA Elisabethinum gab es auch eine heiße Diskussion zur Salzburger Tracht. In ihrem alltäglichen Leben bevorzugen die Mädchen weniger die traditionelle Tracht ihrer Region, sondern ihren eigenen Stil in Sachen Kleidung und Aussehen. Dennoch sind sich die Mädchen einig, dass für sie die Tracht nach wie vor einen Teil der Salzburger Identität darstellt und zu speziellen Anlässen und Feierlichkeiten spielt diese für manche Schülerinnen auch eine besondere Rolle. In solchen Kontexten, wie beispielsweise beim Ausrücken mit der heimischen Blasmusikkapelle, identifizieren sie sich auch mit Dirndlkleid und Lederhose.

Als einen besonderen Brauch, der Salzburg auszeichnet und auf den die Mädchen keinesfalls verzichten wollen, wurde das Krampuslaufen beschrieben. Da diesbezüglich in der Öffentlichkeit in letzter Zeit häufig die Diskussion auftauchte, ob die heutigen Krampusläufe „überhaupt noch etwas mit Brauch zu tun haben“, oder ob diese zu einer „reinen Show verkommen“ sind, haben sich die Schülerinnen ebenfalls mit dieser Frage auseinandergesetzt. Sie betonen, dass sie den so genannten Krampus-Exzessen, bei denen Alkohol in Strömen fließt und es nur mehr um Gewalt geht, kritisch gegenüber stehen. Auch konnten sich die Mädchen nicht ganz einig werden, ob Krampusläufe noch als Brauch im traditionellen Sinne zu bezeichnen sind – aber es kommt deutlich hervor, dass sie diese sehr wohl als Tradition und zur Lebenswelt Salzburg dazugehörig empfinden. Weiter betonen die Schülerinnen, dass sie zwar Berichte von negativen Auswüchsen kennen und diese verurteilen, in ihren Heimatorten allerdings noch nie damit konfrontiert wurden, weshalb es ihnen nach wie vor Spaß macht, den Nervenkitzel der Krampusläufe zu genießen.

Das Fortgehen spielt im Leben der St. Johanner Jugendlichen ebenfalls eine große Rolle. Im Sommer gehören offensichtlich Bierzelte zu den Pflichtterminen am Wochenende und werden auch als etwas Typisches für ihre Region empfunden. Betont wird dabei allerdings, dass nicht das sinnlose „Niedersaufen“, sondern vor allem der Spaß im Vordergrund steht.

Kulturelle Identität geht in den Augen der Schülerinnen offenbar auch durch den Magen. Typische regionale Gerichte haben diesbezüglich eine besondere Bedeutung. Dies zeigte sich auch schon im Rahmen des Workshops, wo dieses Thema besonders intensiv diskutiert wurde und sogar kleine „Auseinandersetzungen“ bezüglich Pongauer und Pinzgauer Essgewohnheiten entstanden. Um den Zuhörern einen Eindruck davon zu geben, wie man echte Salzburger Kasnocken kocht, beschlossen die Mädchen, dieses sogar live vor dem Mikro vorzuführen.

Obwohl es nie in einem der Beiträge direkt angesprochen wird, zeigt sich doch, dass der Pongauer bzw. Pinzgauer Dialekt von den Schülerinnen als etwas Besonderes empfunden wird, das sie nicht nur auszeichnet, sondern auf das sie auch stolz sind. Im Laufe der Radiosendung werden immer wieder Interviews eingespielt, in denen andere Menschen mit Sätzen oder Redewendungen in starkem Dialekt konfrontiert werden und diese ins Hochdeutsche übersetzen sollen. Dies zeigt, dass auch die Sprache als ein wichtiges Element ihrer kulturellen Identität angesehen wird. Die Jugendlichen zeigen sich stolz, dass sie gewisse Dialektausdrücke beherrschen, welche andere Menschen nicht verstehen und auch in Interviews mit Gleichaltrigen fällt auf, dass bewusst Dialekt gesprochen wird.

Die Schülerinnen der HBLA Elisabethinum haben mit viel Engagement eine wirklich interessante Radiosendung gestaltet. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Welt, in der diese Jugendlichen leben, von verschiedensten Einflüssen geprägt ist. Ein Teil davon sind Region und Kultur, in welcher sie aufwachsen. Sie setzten sich auch bewusst mit dem Bild von außen auseinander und ließen auch interviewte Touristen in ihrer Sendung zu Wort kommen. Die Mädchen bezeichnen sich einerseits als „ganz normale Durchschnittsjugendliche“, die sich nicht von Gleichaltrigen anderer Regionen unterscheiden, fühlen sich aber andererseits auch bewusst als Salzburgerinnen, was sie vor allem auch durch ihre Sprache deutlich kommunizieren.

Musisches Gymnasium: Junge Sichtweise der Stadt Salzburg

Im April 2004 fand in der 3a Klasse des Musischen Gymnasiums in Salzburg jener Workshop statt, im Rahmen dessen die Salzburger Schülerinnen und Schüler dieselbe Einführung erhielten, wie die Schülerinnen der HBLA Elisabethinum. Auch hier entstanden im Laufe des Workshops bereits erste Diskussionen zum Thema „kulturelle Identität“. Dabei fiel auf, dass die Schülerinnen und Schüler des Musischen Gymnasiums im Gegensatz zu den Schülerinnen der HBLA Elisabethinum, welche ja ebenfalls in einer Fremdenverkehrsregion leben, besonders oft zur Sprache brachten, wie Salzburg nach außen an Touristen vermarktet wird und sich die Frage stellten, ob dieses Salzburg überhaupt etwas mit dem Salzburg zu tun hat, das Jugendliche erleben. Die fertige Sendung wurde am 1. Juli 2004 und am 4. September 2004 ausgestrahlt.

Die Salzburger Jugendlichen wählten eine etwas andere Herangehensweise an die Thematik. Während sich die Schülerinnen aus St. Johann im Rahmen ihrer Einkehrtage mitten in die Natur auf eine Alm zurückzogen, um sich ein paar Tage intensiv mit der Frage nach ihrer kulturellen Identität auseinanderzusetzen und ihre Radiosendung zu konzipieren, erfolgte dies bei den Schülern und Schülerinnen des Musischen Gymnasiums zum Großteil im Rahmen des regulären Unterrichts. Auch versuchten die Salzburger Jugendlichen nicht nur ihre persönliche Meinung wiederzugeben, sondern setzten den Schwerpunkt ihrer Sendung auf kleinere Umfragen und Interviews, um sich auch mit der Meinung anderer Menschen auseinander zu setzen. Die Schülerinnen des Elisabethinums arbeiteten zwar ebenfalls mit Interviews, aber nicht mit jener Intensität, wie die Schüler und Schülerinnen aus Salzburg.

Gleich zu Beginn der Radiosendung des Musischen Gymnasiums steht die Frage, ob sich Einwohner der Stadt Salzburg als Salzburger, Österreicher oder Europäer fühlen. Dieser Beitrag war den Schülerinnen und Schülern offenbar besonders wichtig, da er nicht nur an erster Stelle steht, sondern auch den größten Umfang einnimmt. Mit ihren Fragen zu Salzburg, Österreich und der Europäischen Union gingen die Jugendlichen auf die Straße, um dort eine kleine Umfrage mit Gleichaltrigen, jüngeren und älteren Erwachsenen durchzuführen. Als Fazit dieser Umfrage kamen die Schülerinnen und Schüler zu dem Ergebnis, dass sich ältere Menschen noch immer nicht gut mit dem EU-Beitritt anfreunden können und auch jüngere Erwachsene der EU eher skeptisch gegenüberstehen. Die befragten Jugendlichen zeigten sich diesbezüglich jedoch deutlich positiver eingestellt. Diese definieren sich mehrheitlich als Österreicher, manche auch als Europäer und sind sich darin einig, sich nicht vorstellen zu können, ihr ganzes Leben in Salzburg zu verbringen. Als besonders interessant betonen die Schüler und Schülerinnen des Musischen Gymnasiums, dass sich die, im Rahmen ihrer Umfrage zu Wort kommenden, aus dem Ausland zugezogenen Mitbürger fast ausnahmslos als Salzburger bezeichnen, sich die so genannten „Einheimischen“ allerdings kaum damit identifizieren können. Als Ergebnis ihrer Umfrage schlagen die Schülerinnen und Schüler vor, dass sich die Stadt Salzburg nicht nur auf Touristen konzentrieren darf, wie es ihrer Meinung nach der Fall ist, sondern auch ihren Einwohnern mehr bieten muss, damit sich diese auch mit ihrer Stadt identifizieren können.

Der Themenkreis um Kultur und Bräuche beschäftigte die Salzburger Jugendlichen ebenfalls. Auch zu diesem holten sie Meinungen auf der Straße ein. Sie befragten Passanten wie Kultur und Bräuche zu definieren seien und was dies für junge und alte Menschen bedeuten kann. Weiter gingen sie der Frage nach, ob Kultur überhaupt verloren gehen könne und was das gesellschaftliche Zusammenleben als Teil einer Kultur bedeutet. Die gestellten Fragen zeigen, dass sich die Schüler und Schülerinnen des Musischen Gymnasiums eingehend damit auseinandergesetzt haben, dass Kultur und Bräuche für verschiedene Menschen Unterschiedliches bedeuten können und dass auch der Kulturbegriff an sich unterschiedliche (auch populäre) Interpretationen zulässt. Die ausgewählten Interviews wurden leider nicht kommentiert, beim Hörer der Radiosendung bleibt jedoch der Eindruck zurück, dass sich Kultur und Bräuche als facettenreiches Thema darstellen und von jedem anders interpretiert werden, was vielleicht auch als Grundaussage dieses Beitrags zu bewerten ist.

Wie für die Schülerinnen des Elisabethinums sind Krampusse und Perchten auch für die Schüler und Schülerinnen des Musischen Gymnasiums interessant. Sie beschäftigen sich einerseits theoretisch mit der Thematik und stellen den Brauch vor. Im Gegensatz zu den Mädchen aus dem Elisabethinum betonen die Salzburger Jugendlichen jedoch, dass das heutige Krampuslaufen ihrer Meinung nach „nicht mehr viel mit dem ursprünglichen Brauch zu tun hat“ und oft zu einem „reinen Wetteifern der Passen um die beste Show“ und „den Ruf, die gefährlichste Pass zu sein“ geworden zu sein scheint.[2729] Anhand der Interviews mit Gleichaltrigen kommt sowohl durch die gestellten Fragen („Und hattest du schon blaue Flecken? Und wie blau waren die? Und warst du schon mal im Krankenhaus deswegen?“) als auch durch die erhaltenen Antworten heraus, dass die Schläge, die man bei Krampusläufen einstecken kann, die Jugendlichen offensichtlich aber auch im Sinne einer Mutprobe oder eines Adrenalinkicks zu faszinieren scheinen.

Auch die Architektur der Stadt Salzburg empfinden die Schülerinnen und Schüler als einen Teil ihrer kulturellen Identität. Bedeutung haben für sie vor allem auffallende und wichtige öffentliche Gebäude. In einem Beitrag greifen sie die öffentlichen Auseinandersetzungen hinsichtlich des Heizkraftwerks Mitte (bunte Rohbetonfassade) auf und befragten Passanten an Ort und Stelle. Die Jugendlichen betonen die große Ablehnung, auf die sie mit ihren Versuchen Interviews zu bekommen, gestoßen sind und verdeutlichen die Brisanz dieses Themas. Sie zeigen aber auch auf, dass Jugendliche dieses umstrittene Bauwerk und derartige Stadtbild-Diskussionen offensichtlich wesentlich gelassener sehen als Erwachsene.

Auch die Religion wird von den Salzburger Schülerinnen und Schülern als ein Teil ihrer kulturellen Identität aufgefasst. Sie denken dabei aber auch an Mitmenschen anderer Konfessionen, für die ihre eigene Religion eine ebenso wichtige Bedeutung haben kann. Sie stellen daher provokant die Frage, ob Kreuze in Klassenzimmern angebracht werden sollten oder nicht. In diesem Beitrag lassen sie, angefangen von ihrem Religionslehrer über andersgläubige und atheistische Mitschülerinnen unterschiedliche Meinungen zu Wort kommen, die bewusst nicht kommentiert werden, da sie dadurch zu einem allgemeinen Nachdenken anregen wollen. Die Jugendlichen zeigen allerdings, dass dieses Thema für sie von großer Bedeutung ist und dass sie Kreuzen in Klassenzimmern kritisch gegenüber stehen.

Das Fortgehen am Wochenende empfinden die Salzburger Schülerinnen und Schüler ebenfalls als einen wichtigen Teil ihrer kulturellen Identität, der in ihrer Sendung keinesfalls fehlen durfte. Sie sprechen selbst von einem „Brauch der Jugendlichen, am Wochenende fortzugehen“ und stellen ihre beliebtesten Lokale vor.

Die Schülerinnen und Schüler des Musischen Gymnasiums präsentieren am Ende ihrer intensiven Arbeit ebenfalls eine interessante und aufschlussreiche Radiosendung. Auffällig ist im Gegensatz zu den Schülerinnen der HBLA Elisabethinum, dass sich diese Klasse in einzelne Gruppen teilte, um ihre Themen zu bearbeiten. So wird auch im Verlauf der Sendung immer deutlich gemacht, wer welchen Beitrag gestaltet hat. Insgesamt zeigen sich die Schülerinnen und Schüler des Musischen Gymnasiums sehr kritisch, hinterfragten die Begriffe Kultur, Bräuche und Identität und setzten sich dabei auch mit der Meinung anderer Einwohner der Stadt Salzburg auseinander. Sie zeigen sich als aufgeschlossene junge Menschen, die sich weniger als Salzburger, aber mehr als Österreicher und zum Teil auch als Europäer definieren.

Fazit

Die Ergebnisse dieses Projekts ergaben zwei vollkommen unterschiedliche Radiosendungen, die sich nicht nur inhaltlich, sondern auch in der Herangehensweise an die Thematik unterscheiden. Während die Schülerinnen der HBLA Elisabethinum ihre Meinung zur kulturellen Identität darstellten, versuchten die Schülerinnen und Schüler des Musischen Gymnasiums verstärkt auch Meinungen anderer Gleichaltriger oder anderer Menschen einzubeziehen. Beide Schulklassen präsentierten sich als Jugendliche, die von verschiedensten Einflüssen geprägt sind, ein Teil davon sind auch die definierten „Eigenheiten“ der Region und Kultur, in welcher sie aufwachsen. Als Themen, die sowohl für die Salzburger Schülerinnen und Schüler als auch für jene aus St. Johann von Bedeutung sind, zeigten sich einerseits das Fortgehen am Wochenende und andererseits die Krampusläufe. Während die Schülerinnen des Elisabethinums in ihrer Sendung von sommerlichen Bierzelten schwärmen, präsentieren die Salzburger Schülerinnen und Schüler ihre beliebtesten Lokale in der Stadt Salzburg. Dem Krampuslaufen stehen die Schülerinnen und Schüler beider Klassen kritisch gegenüber. Während dies aber für die Salzburger Jugendlichen „nicht mehr viel mit dem ursprünglichen Brauch zu tun“ hat, empfinden die Mädchen aus dem Pinzgau und Pongau das sehr wohl so. Die Schülerinnen der HBLA Elisabethinum kennen negative Auswüchse des Krampuslaufens zwar aus Berichten der Medien, betonen aber, dass sie persönlich noch nie damit konfrontiert wurden. Für die Schülerinnen und Schüler beider Klassen zählt offensichtlich auch ein wenig der Nervenkitzel, weshalb sie trotz aller Kritik gerne solche Veranstaltungen besuchen.

Die restlichen angesprochenen Themen hinsichtlich der Auseinandersetzung mit ihrer kulturellen Identität fielen bei den beiden Schulklassen sehr unterschiedlich aus. Während sich die Schülerinnen des Elisabethinums klar als Salzburgerinnen definieren, die stolz auf ihren Dialekt, auf typische regionale Speisen und die Landschaft sind, in der sie aufwachsen, fühlen sich die Schülerinnen und Schüler des Musischen Gymnasiums eher als Österreicher und Europäer und können sich auch nicht vorstellen, ihr ganzes Leben in Salzburg zu verbringen. Die Musik und im Besonderen das aktive Musizieren ist für einen Großteil der St. Johanner Schülerinnen nicht aus ihrer Freizeit wegzudenken und somit auch Teil ihrer kulturellen Identität. Für die Schülerinnen und Schüler des Musischen Gymnasiums ist auch die Architektur der Stadt ein Teil ihrer kulturellen Identität. Sie setzen sich weiter mit dem Thema der freien Religionsausübung und insbesondere mit Kreuzen in Klassenzimmern auseinander und gehen auch der Frage nach, wie andere Menschen Kultur und Bräuche für sich interpretieren. Auch die Schülerinnen des Elisabethinums setzen sich mit dem Bild von außen auseinander, indem sie Touristen und Einheimische zu den von ihnen besprochenen Themenbereichen interviewten.

Literatur

Baacke, Dieter: Die neue Medien-Generation im New Age of Visual Thinking. Kinder- und Jugendkultur in der Medienkultur. In: Gogolin, Ingrid; Dieter Lenzen (Hg.): Medien-Generation. Beiträge zum 16. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft. Opladen: Leske + Budrich 1999. S 137–150.

Bauer, Thomas A.: Braucht die Mediengesellschaft Bräuche? In: CD-ROM 3 dieser Reihe.

Ferchhoff, Wilfried; Georg Neubauer: Jugend und Postmoderne. Analysen und Reflexionen über die Suche nach neuen Lebensorientierungen. Weinheim–München: Juventa 1989.

Ferchhoff, Wilfried: Jugend an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert. Lebensformen und Lebensstile. Opladen: Leske + Budrich 1999.

Großegger, Beate; Bernhard Heinzlmaier: Jugendkultur Guide. Wien: öbv & hpt 2002.

Kähler, Daniel: Die Mediatisierung der Jugend. Der kreative Umgang Jugendlicher mit Medien. Aachen: Shaker 2001.

Luig, Ute; Jochen Seebode (Hg.): Ethnologie der Jugend. Soziale Praxis, moralische Diskurse und inszenierte Körperlichkeit. Münster u.a.: Lit Verlag 2003.

Meueler, Christof: Pop und Bricolage. Einmal Underground und zurück: kleine Bewegungslehre der Popmusik. In: SpoKK (Hg.): Kursbuch JugendKultur. Stile, Szenen und Identitäten vor der Jahrtausendwende. 1979. S. 32–39.

NHK Broadcasting Culture Research Institute: Cross-cultural studies of broadcasting. Studies of broadcasting 31. Tokyo: Theoretical Research Center 1995.

Paus-Haase, Ingrid; Daniel Süss; Claudia Lampert: Reflexion adäquater methodischer Zugriffe im Kontext globalisierter Kinderkultur. In: Maier-Rabler, Ursula; Michael Latzer (Hg.): Kommunikationskulturen zwischen Kontinuität und Wandel. Universelle Netzwerke für die Zivilgesellschaft. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2001. S. 317–332.

Paus-Haase, Ingrid; Stefan Aufenanger; Uwe Mattusch: Hörfunknutzung von Kindern. Bestandsaufnahme und Entwicklungschancen des Kinderhörfunks im dualen System. Berlin: Vistas 2000.

Schill, Wolfgang (Hg.): Kinder und Radio: zur medienpädagogischen Theorie und Praxis der auditiven Medien. Frankfurt am Main: Gemeinschaftswerk d. Evang. Publizistik 1996.

Schwender, Clemens: Globalisierung und kulturelle Differenzen. In: Medienimpulse. Beiträge zur Medienpädagogik 47/2004.

Sievers, Andrea: „Wir reden, über was wir wollen“. Was Mädchen über Mädchenradio denken. In: Medien und Erziehung. Zeitschrift für Medienpädagogik 1/2004. S. 58–63.

Schwender, Clemens: Globalisierung und kulturelle Differenzen. In: Medienimpulse. Beiträge zur Medienpädagogik 47/2004. S. 49–53.

Vollbrecht, Ralf: Von Subkulturen zu Lebensstilen. Jugendkulturen im Wandel. In: SpoKK (Hg.): Kursbuch JugendKultur. Stile, Szenen und Identitäten vor der Jahrtausendwende. 1997. S. 22–31.

http://de.wikipedia.org/wiki/jugendkultur [abgerufen am 06.10.2004]



[2708] Luig, Ute; Jochen Seebode (Hg.): Ethnologie der Jugend. Soziale Praxis, moralische Diskurse und inszenierte Körperlichkeit. Münster u. a.: Lit Verlag 2003, S. 32.

[2709] vgl. Schwender, Clemens: Globalisierung und kulturelle Differenzen. In: Medienimpulse. Beiträge zur Medienpädagogik 47/2004. S. 49–53.

[2710] vgl. NHK Broadcasting Culture Research Institute: Cross-cultural studies of broadcasting. Studies of broadcasting 31. Tokyo: Theoretical Research Center 1995. S. 192f.

[2711] vgl. folgenden Beitrag in dieser CD-ROM „In Familie und Gesellschaft“: Bauer, Thomas A.: Braucht die Mediengesellschaft Bräuche?

[2712] Aussagen und Meinungen von Kindern und Jugendlichen in dieser CD-ROM-Reihe zum Beispiel in Aufsätzen und Zeichnungen von SchülerInnen und Niederschriften von Erzählungen in den Beiträgen von Maria Katharina Aschaber: „Weihnachten früher – Die Alten erzählen“, „Weihnachten heute – Die Kids erzählen“ (CD-ROM I), „Fasching: ‚A voi a Gaudi?’“, „Zwischen Lumpenball und Faschingskehraus“, „Palmbuschengeld und Osternest“, „Brezensuppe, Beten, Gödenzopf“ (CD-ROM II); in der Dokumentation von Aufsätzen, Befragungen, Veranstaltungen, Projekten: Alexander G. Keul: „Halloween zwischen Bedürfnis und Angebot“ (CD-ROM II), Wolfgang Hammerschmid-Rücker; Angelika Hechl: „Halloween – Fest der Kinder“ (CD-ROM II); in der insbesondere audiovisuellen Projektdokumentation von Roswitha Meikl: „Mit allen Sinnen“ (CD-ROM III).

[2713] Vgl. Vollbrecht, Ralf: Von Subkulturen zu Lebensstilen. Jugendkulturen im Wandel. In: SpoKK (Hg.): Kursbuch JugendKultur. Stile, Szenen und Identitäten vor der Jahrtausendwende. 1997. S. 22–31. – vgl. auch Meueler, Christof: Pop und Bricolage. Einmal Underground und zurück: kleine Bewegungslehre der Popmusik. In: SpoKK (Hg.): Kursbuch JugendKultur. Stile, Szenen und Identitäten vor der Jahrtausendwende. 1997. S 32–39.

[2714] Baacke, Dieter: Die neue Medien-Generation im New Age of Visual Thinking. Kinder- und Jugendkultur in der Medienkultur. In: Gogolin, Ingrid; Dieter Lenzen (Hg.): Medien-Generation. Beiträge zum 16. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft. Opladen 1999, S. 143.

[2716] vgl. Kähler, Daniel: Die Mediatisierung der Jugend. Der kreative Umgang Jugendlicher mit Medien. Aachen: Shaker 2001. S. 32. – vgl. Ferchhoff, Wilfried; Georg Neubauer: Jugend und Postmoderne. Analysen und Reflexionen über die Suche nach neuen Lebensorientierungen. Weinheim–München: Juventa 1989. – vgl. Ferchhoff, Wilfried: Jugend an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert. Lebensformen und Lebensstile. Opladen: Leske + Budrich 1999. – vgl. Großegger, Beate; Bernhard Heinzlmaier: Jugendkultur Guide. Wien: öbv & hpt 2002.

[2717] vgl. Baacke, Dieter (1999): Die neue Medien-Generation im New Age of Visual Thinking. Kinder- und Jugendkultur in der Medienkultur. In: Gogolin, Ingrid; Dieter Lenzen (Hg.): Medien-Generation. Beiträge zum 16. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft. Opladen. S. 144.

[2718] vgl. Paus-Haase, Ingrid; Daniel Süss; Claudia Lampert: Reflexion adäquater methodischer Zugriffe im Kontext globalisierter Kinderkultur. In: Maier-Rabler, Ursula; Michael Latzer (Hg.): Kommunikationskulturen zwischen Kontinuität und Wandel. Universelle Netzwerke für die Zivilgesellschaft. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2001. S. 317–332, hier S. 317f.

[2719] Schill, Wolfgang (Hg.): Kinder und Radio: zur medienpädagogischen Theorie und Praxis der auditiven Medien. Frankfurt am Main: Gemeinschaftswerk d. Evang. Publizistik 1996, S. 35 ff.

[2720] Vgl. Paus-Haase, Ingrid; Stefan Aufenanger; Uwe Mattusch: Hörfunknutzung von Kindern. Bestandsaufnahme und Entwicklungschancen des Kinderhörfunks im dualen System. Berlin: Vistas 2000, S 161–172.

[2721] vgl. Sievers, Andrea: „Wir reden, über was wir wollen“. Was Mädchen über Mädchenradio denken. In: Medien und Erziehung. Zeitschrift für Medienpädagogik 1/2004. S. 58–63.

[2722] Schülerinnen der HBLA Elisabethinum in einem Mail vom 11. Mai 2004.

[2723] Schülerinnen und Schüler des Musischen Gymnasiums Salzburg in einem Mail vom 5. Juni 2004.

[2724] Schülerinnen und Schüler des Musischen Gymnasiums Salzburg in einem Mail vom 5. Juni 2004.

[2725] Schülerinnen und Schüler des Musischen Gymnasiums Salzburg in einem Mail vom 5. Juni 2004.

[2726] Schülerinnen und Schüler des Musischen Gymnasiums Salzburg in einem Mail vom 5. Juni 2004.

[2727] Schülerinnen und Schüler des Musischen Gymnasiums Salzburg in einem Mail vom 5. Juni 2004.

[2728] Einkehrtage werden besonders an geistlich, aber auch an weltlich geführten Schulen angeboten. Die Schülerinnen und Schüler erhalten dabei die Möglichkeit, einige Tage mit einem Lehrer ihres Vertrauens (weltlich oder geistlich) an einem von der Klasse selbst gewählten Ort zu verbringen, um zu diskutieren, zu meditieren, sich selbst zu entdecken, gemeinsame Probleme zu besprechen etc. An der HBLA Elisabethinum in St. Johann/Pg. werden solche Einkehrtage einmal jährlich durchgeführt und dauern in der Regel ein bis fünf Tage. Da die intensive Auseinandersetzung mit Fragen zur eigenen kulturellen Identität auch ein Weg ist, sich selbst und seine Mitschülerinnen besser kennen zu lernen, wählten die Schülerinnen der 3b HL Klasse (2003/2004) dies als Thema für ihre Einkehrtage.

[2729] Zum Themenbereich Krampusse und Perchten vgl. auf CD-ROM I „Im Winter und zur Weihnachtszeit“ dieser Reihe folgende Beiträge: Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: Ein Prozess sinnstiftender Identität. – dies.: Kramperl, Perchten u.a. Drohgestalten. – dies.: Perchtenlaufen zwischen Mythos und Karneval. – dies.; Gerda Dohle: Maskenverbote im 17. und 18. Jahrhundert. – Hutter, Ernestine: Salzburger Perchten und Krampuspassen. – Weiß, Andrea: Perchten-Aufnahmen im Nachlass von R. Wolfram. – Wierer, Horst: Die Gasteiner Perchtengeschichte. – Freudl, Adolf: Wilde Jagd. – Grieshofer, Franz: Das „Wilde Gjoad“ vom Untersberg.

This document was generated 2022-08-08 16:44:49 | © 2022 Forum Salzburger Volkskultur | Impressum