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Musische Bildung kontra Computerwelt? (Matthias Hemetsberger)[5106]

Die Heranbildung der Kinder und Jugendlichen zu „brauchbaren“ Menschen scheint in unserer Zeit ohne enge Bindung an die Computerwelt nicht möglich zu sein. Die EDV-Anwendungen wurden vielerorts zu einem Kulturgut erhoben, das alle anderen Fertigkeiten, Fähigkeiten und Eignungen überlagert. Erst wenn der junge Mensch in die IT-Welt weit genug vorgedrungen ist, sollte er auch anderen Anforderungen der Gesellschaft gerecht werden: Kunst, Kultur, Tradition des Abendlandes und humanitäre Bestrebungen bilden nur die Accessoires einer technisierten Welt.

Wir würden wahrlich als rückständig gelten, wollten wir uns nicht die technischen Errungenschaften der Zeit zu Nutze machen. Es wäre aber auch ein wesentlicher Rückschritt, wenn wegen dieser Möglichkeiten jene Bereiche in der Bildung vernachlässigt würden, welche für eine ganzheitliche Bildung unverzichtbar sind. Die musische und damit kreative Kompetenz ist die Voraussetzung für eine vernetzte Intelligenz im Denken und Handeln. In einschlägigen Untersuchungen wurde dokumentiert, dass ein Heranwachsender, der sich intensiv mit musisch-kreativen Elementen auseinander setzt, wesentliche Vorteile in der Persönlichkeitsbildung und in der Aufnahmefähigkeit aufweist. Ich möchte dabei das Musisch-Kreative nicht auf bestimmte Bereiche wie musikalische und bildnerische Aktivitäten beschränkt, sondern als durchgängiges Bildungsprinzip betrachtet, wissen. Selbst in den so genannten sachlich naturwissenschaftlichen Bildungsgebieten ist ausreichend Platz, den kreativen Aspekt zu betonen. Es liegt in der Natur des Wortes, dass musische Bildung vor allem in der Musik und in der bildenden Kunst geortet wird. Zweifelsohne sind hier die Beweise am deutlichsten geführt und die wissenschaftliche Diagnostik am weitesten gediehen. In theoretischen Begründungen und empirischen Untersuchungen wurden und werden die Wirkungen der Musik dargelegt.

Persönlichkeitsentwicklung, Selbstverwirklichung, soziale Kompetenzen, Wellnessfunktion, Intelligenzsteigerung, therapeutische Intervention, emotional-psychische Funktionen, Identitätsfindung und kommunikativ-soziale Funktionen werden der Musik zugeschrieben: und das mit Recht. Die Musik wird damit „therapeutisiert“, wirkt als Katalysator, um in den verschiedensten Lebenssituationen als helfender Geist eingesetzt zu werden. Die musische Bildung ist aber mehr als ein Zweck, um ein vordergründiges Ziel zu erreichen, sie ist Lebensbildung und nicht Zweckbildung. Die Musik erfüllt diese Aufgabe in hervorragender Weise, wenn sie als Herzensbildung, das heißt als Grundlage für eine vernetzte Gesamtbildung und nicht als utilitaristische Teilbildung gesehen wird. Die abendländische Bildungstradition ist musisch-kreative Bildung par excellence. Unsere Denkschematas sind grundgelegt in der nach Vernetzungen strebenden Antike und in der daraus resultierenden europäischen Geistesgeschichte. Die umfassende, vielseitige und damit überblickende Bildung war das bestimmende Element, bis verknappendes Spezialistentum die Weichen in eine neue Zeit zu stellen versuchte. Der rasche Wandel in der Berufswelt, die eingeschränkten Möglichkeiten durch eingeengte Wissensvermittlung haben die Grenzen dieser spezialisierten Bildung deutlich gemacht. Je breiter die Bildung gestreut, desto größer ist die Flexibilität, je musisch-kreativer orientiert, desto weitreichender ist der Erfindungsreichtum, umso weiter sind die Grenzen des Möglichen gesteckt.

Die musisch-kreative Bildung spricht Geist, Kreativität, soziales Verhalten, die Ästhetik und die Gefühlswelt an, ist ein Humankapital und damit ein elementarer Bestandteil von Erziehung und Bildung. Computer und musischer Bereich sind dabei keine Gegensätze. Der Computer ist ein helfender Teil des vernetzten Denkens, aber nicht Herrscher über unsere Bildung und Kultur.



[5106] Zeitschrift Salzburger Volkskultur, 26. Jg., Mai 2002, S. 11–12.

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