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Reinhard Rinnerthaler: Heilige „Heiratsvermittler“ und Fürsprecher bei Liebesg’schichten [5258]

Die religiöse Landschaft besteht nicht nur aus dünn besiedelten Bergregionen der Theologie, sondern auch aus Tälern des Volksglaubens, wo das Leben pulsiert und unmittelbare Sinnlichkeit zu finden ist. Mit den folgenden Ausführungen bewegen wir uns in einem bunten Feld des Volksglaubens. Die Heiligen dienen hier nicht – im theologischen Sinn – als leuchtende Vorbilder und Fürsprecher, um den Glauben der Christen und deren Vertrauen in Gott zu stärken, sondern werden mit einer magischen Funktion bedacht: Man spendet Geld oder eine Kerze, vollführt bestimmte Riten oder Gebete und erhofft dafür die erwartete Gegenleistung. Der Grund für ein Patronat in Sachen Liebe kann in der Legende der oder des Heiligen liegen, z. B. beim hl. Nikolaus, oder durch eine Ausweitung vorhandener Patronate entstehen, wie beim hl. Antonius von Padua; auch eine Übertragung heidnischer Patronate auf christliche Heilige ist möglich, z. B. beim hl. Andreas und beim hl. Valentin.

Früher hatte das Zusammenfinden von Menschen eine gravierendere Bedeutung als heute, weil sie „endgültig“ war. Was lag also näher, als das Vertrauen in „übergeordnete Instanzen“ zu suchen, in eine göttliche Macht und in die dafür auserkorenen Fürsprecher, die Heiligen. Sie gaben Hoffnung, dass das Abenteuer Liebe nicht schief ging. An sie wendete man sich, wenn man die Richtige oder den Richtigen suchte, und nicht an einen Internetdienst; bei ihnen suchte man Zuflucht, wenn partnerschaftliche Probleme auftauchten, und nicht in der Eheberatung. Da die Heiligen bei der Gefährtenwahl „mitmischten“, waren sie auch für die Partnerschaft so etwas wie „verantwortlich“ ... Vorerst wollen wir uns drei besonders „kräftigen“ Heiligen mit Patronaten für Heiratsangelegenheiten, Liebesg’schichten und – sogar – Liebeskummer wenden.

Der hl. Antonius von Padua

Der populäre Volksheilige wurde um 1195 in Lissabon geboren und wirkte als franziskanischer Minderbruder in Portugal, in Südfrankreich und in Italien. Der Portugiese bekam als Beinamen die Bezeichnung „von Padua“, dem letzten Ort seines gnadenreichen Wirkens. Antonius starb am 13. Juni 1231; er wurde bereits am 30. Mai 1232 heilig gesprochen. In der christlichen Kunst wurde Antonius anfänglich als Franziskaner mit einer Bibel dargestellt, seit dem 16. Jahrhundert mit dem Jesuskind. Die Verehrung des hl. Antonius von Padua begann in Österreich ab dem Ende des 16. Jahrhunderts; die Blütezeit war im 17. und 18. Jahrhundert. Allgemein bekannt ist, dass der hl. Antonius als „Patron der Schlampigen“ angerufen wird, wenn es gilt, Verlorenes oder gar Gestohlenes wieder auftauchen zu lassen oder zurückzuerhalten. Es geht dies symbolisch auf das Verdienst des Heiligen zurück, der durch seine Predigten viele verlorene Seelen Gott „zurückbrachte“. Der Heilige aus Padua gilt überdies als Patron der Liebenden und der Eheleute (die Liebe möge nicht „verloren gehen“), im weitesten Sinn auch als eine Art Heiratsvermittler. In Tirol ist ein Gebet überliefert, das derart „suchende“ Mädchen beten: „Heiliger Antonius, mach’ ma an Handl, i bet dir an Rosenkranz und du schickst mir a Mandl.“

Ein Antonius-Bild, um 1600 gemalt, überstand 1661 einen Brand in einer Hauskapelle in Zirl (Tirol). Das unversehrte Bildnis wurde 1666 auf den rechten Seitenaltar der Innsbrucker Hofkirche übertragen, wo es heute noch von Antonius-Verehrern besucht wird. Früher pilgerten Mädchen dorthin, in der Hoffnung, der Heilige würde ihre Suche nach einem geeigneten Heiratskandidaten zu einem schnellen und guten Ende führen. Aber auch zur Antoniuskapelle von Trins (im Schnitztal, Tirol) kamen einst heiratslustige Mädchen.

Von der Wiener Minoritenkirche wird eine alte Geschichte überliefert, in der sich ein Mesner folgenden Jux machte: Er versteckte sich hinter dem Antoniusaltar, und als eine junge Frau laut um einen Liebsten betete, rief er, er hätte nur noch einen mit feuerroten Haaren zu vergeben. Die Frau meinte daraufhin: „Mann is’ Mann!“ Zur Not würde sie selbst einen solchen nehmen.

Im steirischen Radmer steht neben dem imposanten Gotteshaus ein Antoniusbrunnen; wenn man einen Schluck des heilkräftigen Wassers getrunken hatte, vermeinte man, auf dem Boden des Beckens das Bild des zukünftigen Ehegatten zu sehen. Dieses Heiratsorakel ist längst abgekommen; jetzt werden nur mehr Münzen in den Brunnen geworfen, und ein Spruch-Schild ersucht darum, diese Geldstücke unberührt zu lassen: „Sankt Antonius spricht: In meinem Brunnen fische nicht!“

Da der hl. Antonius an einem Dienstag bestattet wurde und dabei die ersten Wunder geschahen, sind seit dem 17. Jahrhundert bei seinen Verehrern die Antonius-Dienstage beliebt. Bitten, die an neun Dienstagen hintereinander dem Heiligen vorgetragen werden, sollen größere Aussicht auf Erfolg haben. Dieser Brauch geht auf folgende Legende zurück: Eine kinderlos gebliebene Adelige wandte sich in Bologna an Antonius, indem sie vor seinem Bild betete. In der folgenden Nacht erschien ihr der Heilige im Traum und sagte: „Besuche an neun Dienstagen mein Bild in der Franziskanerkirche, dann findest du Erhörung.“ Nach den neun Dienstagen war die Frau schwanger, gebar aber schließlich ein völlig missgestaltetes Kind. Enttäuscht wurde es auf den Antonius-Altar gelegt. Während die Mutter den Heiligen anflehte, verwandelte sich der hässliche Säugling in ein liebliches Baby.

Die „heilige“ Kümmernis

Im Laufe der Kirchengeschichte wurden auch Heilige verehrt, die nie existierten. Am bekanntesten ist die hl. Kümmernis. Bildnisse finden sich heute noch in alten Kirchen der Steiermark, Tirols und des Pinzgaues. Legenden berichten, dass die hl. Kümmernis, eine junge Christin, Tochter eines heidnischen Königs war. Weil sie die Ehe mit einem nicht-christlichen Prinzen verweigerte, ließ sie ihr Vater in den Kerker werfen. Dort erschien ihr Christus und entstellte ihr schönes Gesicht durch einen starken Bartwuchs, um sie für die Männer unattraktiv erscheinen zu lassen. Daraufhin ließ sie der grausame Vater ans Kreuz schlagen. Die hl. Kümmernis wird dargestellt als bärtige Frau, mit langem Gewand bekleidet, bekrönt und an ein Kreuz genagelt. Manchmal steht oder kniet ihr noch ein Geiger zu Füßen, denn laut Legende schenkte sie einem armen Spielmann einen ihrer kostbaren Schuhe, weil er mit seinem Musizieren ihre Todesqualen lindern wollte. Heute weiß man, dass „die Frau am Kreuz“ auf ein Missverständnis zurückgeht, nämlich auf umgedeutete Nachbildungen von byzantinischen Kruzifixen, auf denen Jesus als bekleideter Himmelskönig zu sehen ist. Berühmt ist z. B. das Bild des „Volto Santo“ aus dem 12. Jahrhundert im Dom von Lucca in der Toskana.

Der Kult um die hl. Kümmernis begann im 15. Jahrhundert, wurde im 18. Jahrhundert eingeschränkt und ist heute kein Thema mehr. Angefleht wurde die mythologische Volksheilige in allen Fällen der Bekümmertheit, auch bei Liebeskummer, und sogar, wenn man einen unliebsamen Ehegatten loswerden wollte, was schon der hl. Thomas Morus (1478–1535) geschmacklos fand. Eine profane, psychologische Erklärung, warum eine nicht existente Heilige bei Liebeskummer geholfen haben soll, könnte in der Tatsache liegen, dass die oder der Bekümmerte sein Problem einer höheren „Instanz“ übertrug. Allein dieses Loslassen kann „Wunder“ bewirken.

In Südtirol, in Kastelruth, existieren in einer Kalvarienberganlage barocke Kapellen (Kofelkapellen); in einer davon wurde auch die hl. Kümmernis in Liebesangelegenheiten angerufen. Das wäre im Rahmen dieser Ausführung nicht besonders bemerkenswert, wenn es dort nicht einen köstlichen Rügebrauch gegeben hätte: Denjenigen Frauen oder Männern, die in der Liebe untreu waren, wurde die Judas-Figur aus dem Stationsweg vor die Tür gestellt.

Der hl. Leonhard

Leonhard lebte im 6. Jahrhundert, historisch gesicherte Daten über sein Leben gibt es nicht. Nach einer 500 Jahre später niedergeschriebenen, legendären Vita soll er ein Schüler des hl. Bischofs Remigius von Reims gewesen sein und, nach einem zurückgezogenen Leben als Einsiedler, das Kloster Saint-Léonhard-de-Noblat (bei Limoges, Frankreich) gegründet und als Abt geleitet haben. In der Kunst wird der hl. Leonhard als Abt dargestellt (mit schwarzer Abtstracht und Abtsstab), als Attribute können ihm Buch, Fußblock, Gefangene zu Füßen, Kette, Ochs und/oder Pferd beigegeben werden. Bis Ende des 11. Jahrhunderts wurde der hl. Leonhard ausschließlich in Frankreich verehrt, sein Kult drang dann aber auch nach Deutschland und nach Österreich; er avancierte hier zu einem der beliebtesten und volkstümlichsten Heiligen, was so weit führte, dass er in Bayern als „Bauernherrgott“ oder „bayrischer Herrgott“ bezeichnet wurde. Leonhard war ursprünglich Schutzherr der Gefangenen, später riefen ihn auch die Gebärenden um himmlischen Beistand an, denn laut Legende soll er das Leben der Königin gerettet haben, bei der während eines Jagdausfluges plötzlich die Wehen einsetzten. Schließlich wurde er zum Patron der Bauern, des Viehs, insbesondere der Pferde, und des Wetters. Er wird darüber hinaus auch bei Geisteskrankheiten und Kopfschmerzen angerufen.

Reiches Brauchtum rankt sich um den hl. Leonhard; am bekanntesten sind die Leonhardi-Ritte um den 6. November, seinem Festtag. Weil Leonhard für sämtliche Anliegen des Bauernstandes kompetent ist, wurde ihm auch die Sache, dass Weibl und Mandl zusammenfinden, anvertraut. In Sarleinsbach (Bezirk Rohrbach, Oberösterreich) wurden 1785 zwei Leonhardstatuen aus der aufgelassenen und in ein Wohnhaus umgewandelten Wallfahrts- und Filialkirche St. Leonhard im Rahmen einer feierlichen Prozession in die Pfarrkirche übertragen. Eine Statue war aus Eisen; diese verschwand. Die zweite Statue aus Holz (um 1510) gibt es noch in der Pfarrkirche zum hl. Petrus. Die schwere, eiserne Figur wurde einst in St. Leonhard von Ehelustigen um den Altar herumgetragen, in der Hoffnung, bald einen geeigneten Partner zu finden.

In der Pfarrkirche St. Leonhard bei Freistadt (Oberösterreich) gab es eine eiserne Statue des Heiligen, die zur Zeit des Josephinismus verscholl. Diese Figur war Ziel von Wallfahrern aus dem Mühlviertel, aus dem angrenzenden Niederösterreich und aus Böhmen. Es wurde um die Gesundheit des Viehs gebetet und/oder um einen Heiratskandidaten. Um dem Anliegen Nachdruck zu verleihen, wurde die Statue an den Füßen mit Kerzen gebrannt oder ihr in die Zehen gebissen, denn Zehen gelten in vielen Kulturen als besondere Kraftzentren. Gustav Gugitz berichtet folgende Anekdote dazu: „Einst mußte die Statue des hl. Leonhard ausgebessert werden. Da gerade Hauptwallfahrtszeit war, gewann man einen Schuster, der der Statue ähnlich war und sich an ihren Platz stellte. Als ihn aber die Mädchen in die Zehen bissen und an den Fußsohlen brannten, mußte er vor Schmerzen sein Wasser lassen, worauf die Heiratlustigen dies als seinen Schweiß und als Zeichen der Erhörung deuteten. Als es dem Schuster aber zu arg wurde, sprang er zum Entsetzen aller mit dem Ausruf ‚Da mag der Teufel hl. Leonhard sein!‘ herab und machte sich davon.“[5259]

In der Pfarrkirche St. Leonhard bei Villach (Kärnten) gab es auch eine eiserne Leonhardsfigur, die jetzt im Villacher Stadtmuseum zu finden ist. Diese wurde von ledigen Männern dreimal um die Kirche getragen. Dieser noch bis 1880 ausgeübte Brauch sollte die erfolgreiche Suche nach einer passenden Ehegenossin begünstigen.

Mädchen aus dem Ausseer Land zogen am 13. Oktober, am Kolomanitag, nach Bad Aussee zur Kalvarienbergkirche zum hl. Leonhard, um sich dort einen Mann zu erbitten. Am Kolomanitag deshalb, da der hl. Koloman von Melk († 1012) einst auch als Heiratspatron beliebt war. Mädchen beteten: „O heiliger Koloman, schenk mir einen Mann!“

Wer ist noch für Heiratsorakel bzw. für eine gute Partnerwahl zuständig?

Die hl. Agnes von Rom, die um 304 den Martertod erleiden musste, gilt als Patronin der Blumenbinder und Gärtner, aber auch der Verlobten. Es heißt, daß in der Nacht vor ihrem Festtag, am 21. Jänner, denjenigen Jungfrauen, die zuvor ordentlich gefastet haben, ihr künftiger Geliebter im Traum erscheinen wird.

Um den hl. Andreas, Apostel und Märtyrer († um 60), ranken sich die kuriosesten Heiratsorakel, die ursprünglich mit altgermanischen Riten um Freyr, den Gott der Liebe und der Ehe, zusammenhängen. In der Nacht vor dem Andreastag, am 30. November, der zuvor auch der Festtag des germanischen Liebesgottes war, hofften Mädchen von ihrem zukünftigen Mann zu träumen, jedoch ohne zu fasten, wie vor dem Agnestag, sondern, indem sie zuvor Wein trinken, Gebete in völliger Nacktheit verrichten („Heiliger Andreas, ich bitt’ dich, lass mir heut’ Nacht erscheinen den Herzallerliebsten meinen!“) und dabei einen Strohsack (als Symbol für das Hochzeitslager) treten oder mit einem neuen Besen ihre Kammer kehren. Zwei Orakelbräuche seien hier noch vermerkt: Beim Scheitergreifen ziehen Mädchen am Andreastag ein Scheit aus einem Holzstoß; je nachdem, wie das Scheit beschaffen ist, soll die Statur des Zukünftigen aussehen. Oder es wird in der Nacht ein Baum geschüttelt und gehorcht, ob danach ein Hund bellt; aus der Richtung des Bellens soll der erhoffte Bräutigam kommen.

Am Tag der hl. Barbara, am 4. Dezember, stecken die Heiratslustigen Kirsch- oder Zwetschkenzweige in eine mit Wasser gefüllte Vase. Wessen „Barbarazweig“ als erster erblüht, dem „blüht“ im kommenden Jahr eine Hochzeit. Dieser Brauch geht bis in das 15. Jahrhundert zurück und wird durch eine Legende begründet: Auf dem Weg ins Gefängnis verfing sich ein Kirschzweig in Barbaras Kleid; sie steckte den Zweig in einen mit Wasser gefüllten Krug, und am Tag ihres Martyriums erblühte er. Barbara erlitt um 306 den Märtyrertod.

Der hl. Georg von Kappadozien († um 303) genießt als Märtyrer noch immer große Verehrung. Sein Festtag, der 23. April, soll für die Ausführung aller Arten von Liebeszauber besonders günstig sein. – Wer glaubt, dass die Zeiten für solchen „Hokuspokus“ längst vorbei wären, der irrt. Jahr für Jahr erscheinen heute noch neue Bücher zum Thema Liebeszauber, in denen Zaubersprüche und magische Handlungen zum Zwecke des Verliebens empfohlen werden. Doch wer das Wesen der Liebe durchschaut hat, wird solche Praktiken als sinnlos erachten. Etwas unbedingt haben wollen ist der verkehrte Weg. Diese Weisheit praktizierte die hl. Elisabeth von Portugal (1270–1336). Sie suchte das Herz ihres untreuen Ehemannes zu gewinnen, nicht durch Vorwürfe, nicht durch Liebeszauber, sondern, indem sie sich der unehelichen Kinder, die der Gemahl in die Welt gesetzt hatte, liebevoll annahm und auch für deren Erziehung sorgte. Der untreue Gatte war vom Verhalten seiner Frau derart beeindruckt, dass er daraufhin „seinen Ausschweifungen entsagte“, wie es in der Legende heißt.

Der hl. Goar, Einsiedler (am Rhein) und Priester († 575), dessen Fest am 6. Juli gefeiert wird, ist Patron der Winzer und wird zur Bewahrung eines guten Namens angerufen – ein Anliegen, das nicht unwichtig ist, wenn man in Liebesg’schichten verwickelt ist. ... Goars Patronat wurzelt in der Legende: Der Heilige wurde vor Gericht mit einer ungerechtfertigten Vaterschaftsklage konfrontiert. Als der Säugling als Corpus delicti dem Gericht präsentiert wurde, schrie er den Namen des richtigen Vaters, den des Bischofs.

Der hl. Ivo Hélory (1253–1303) trat vor Gericht als Anwalt der Armen und Unterdrückten auf, er ist aus diesem Grund der Patron der Gerichtsdiener, der Juristen, der Notare, der Rechtsanwälte und der Richter. In Oberösterreich kam dieser Heilige zu einem Patronat als „himmlischer Heiratsvermittler“ und einem neuen Namen durch eine wunderliche Geschichte: In Berg bei Rohrbach im Mühlviertel steht ca. 150 m unterhalb der Wallfahrtskirche Maria Trost ein qualitätvoller, barocker Nischenbildstock des hl. Ivo. Einst sollen zwei Mädchen vor der lebensgroßen Statue laut und inbrünstig um einen Mann gebetet haben: „O heiliger Ivo! Schick’ an uns!“ Zwei Burschen, die sich hinter dem Bildstock versteckt hatten und das Gebet zufällig hörten, gingen den beiden Mädchen nach, machten ihnen den Hof und heirateten sie zu guter Letzt. Seit diesem Erfolg wird der hl. Ivo als „hl. Schickanus“ in Liebesangelegenheiten von der weiblichen Jugend aus dem oberen Mühlviertel bemüht. Heute noch werden vor dem Schickanus-Standbild Lieder gesungen, weiß der Pfarrer zu berichten.

Der hl. Johannes, Apostel und Evangelist, starb um 100. Am Festtag des Heiligen, am 27. Dezember, wird bei den Gottesdiensten – heute noch, nicht nur in Weinbaugegenden – Wein gesegnet. Dieser Johanniswein ist beliebt als Versöhnungstrunk, wird auch beim Abschiednehmen konsumiert, soll Dämonen abwehren, gegen Zauberei und Vergiftungen schützen, die Gesundheit stärken und auch einer guten Ehe förderlich sein bzw. dahin führen. Der hl. Johannes der Täufer war Bußprediger und taufte Jesus im Jordan; so berichtet es uns die Bibel. Seine Attribute in der Kunst sind Fellkleid, Kreuzstab, Lamm und Taufschale. Da Johannes auf Befehl von Herodes enthauptet wurde, entwickelte sich daraus ein makabrer Kultgegenstand: die Johanneshauptschüsseln, bildliche Darstellungen eines abgeschlagenen Hauptes, das auf einem Teller bzw. einer Schüssel liegt.

Unterhalb der Gipfelkuppe der Hohen Salve (1827 m) im Tiroler Unterland steht eine barocke Wallfahrtskapelle, die dem hl. Johannes dem Täufer geweiht ist. Sie ist zu Fuß oder von Hopfgarten aus mit Sesselliften erreichbar. Am Johannestag (am 24. Juni) und am Annatag (26. Juli) werden Messen gefeiert. In der Kapelle findet sich eine geschnitzte Johanneshauptschüssel, die von Gläubigen bei Kopf- und Halsschmerzen um den Altar getragen wurde, aber auch ehestiftende Wirkung wurde diesem Umgang nachgesagt. Der Brauch ist heute nicht mehr lebendig, den alten Leuten jedoch noch in Erinnerung.

Am Johannestag gesammelte Kräuter wurden unter anderem auch als Aphrodisiaka verwendet. Farnkraut bzw. Farnkrautsamen fanden für vielfältigen Liebeszauber Verwendung. Pärchen, die über das Johannis(Sonnwend-)feuer sprangen, erhofften sich die Erfüllung ihrer geheimen Liebeswünsche, und am Johannestag hat eine Versöhnung von Zerstrittenen bessere Aussicht auf Erfolg als an anderen Tagen.

Um die hl. Lucia von Syrakus, die als Märtyrerin um 303 ihr junges Leben lassen musste, rankt sich reiches Brauchtum (vgl. dazu in der Zeitschrift „Salzburger Volkskultur“ Nr. 1/2000); es umfasst auch die verschiedensten Heiratsorakel, z. B. ein Kirschenzweig-Orakel, ähnlich dem der „Barbarazweige“. Im slowenischen Teil Kärntens fertigten heiratslustige Mädchen Papiersterne mit dreizehn Zacken an, und auf zwölf davon wurden mögliche Heiratskandidaten notiert. Der Stern wurde in der Luciennacht (vom 12. auf den 13. Dezember) unter den Kopfpolster gelegt. Sooft das Mädchen in der Nacht wach wurde, riss es im Finstern einen Zacken vom Stern ab, so lange, bis nur mehr ein Zacken mit dem Namen des Favoriten übrig blieb – im schlimmsten Fall der Teil ohne Namen, was zu bedeuten hatte, dass das Mädchen im kommenden Jahr mit keinem Partnerglück zu rechnen hatte.

Die hl. Gottesmutter Maria wird von den Gläubigen für alle möglichen Anliegen bemüht; besonders um das Eheglück gebetet wird in den Tiroler Wallfahrtskirchen Maria Locherboden (Bezirk Imst) und Absam (Bezirk Innsbruck) und in der steirischen Wallfahrtskirche Maria Straßengel (Bezirk Graz Umgebung). In Straßengel wird auch die Annakapelle in der Wallfahrtskirche aufgesucht, da die hl. Anna, die Mutter Mariens, für alle Frauenanliegen zuständig ist, insbesonders bei Kinderlosigkeit, schweren Geburten und Frauenleiden. Sie wird auch angerufen, wenn Mädchen einen Ehemann suchen oder wenn der eheliche Friede in Gefahr ist. Die hl. Anna, Patronin der Hausfrauen und Haushälterinnen, hat ihren Festtag am 26. Juli. Der ihr geweihte Dienstag war einst ein beliebter Hochzeitstag.

Der hl. Nikolaus, Bischof von Myra († um 350), ist bei den Kindern besonders beliebt. Dass er auch als „Heiratsvermittler“ zuständig sein soll, basiert auf der Legende, die erzählt, dass der Bischof den drei Töchtern eines verarmten Edelmannes Goldstücke durch ihr Fenster warf; dadurch konnten die Jungfrauen heiraten und mussten nicht ins Bordell geschickt werden, wie der grausame Vater ursprünglich geplant hatte. – Zur Wallfahrtskirche St. Nikolaus in Dormitz bei Nassereith in Tirol wurden einst Bittgänge für eine gute Eheschließung bzw. Partnerwahl abgehalten.

Der hl. Papst Sixtus II., der im Jahr 258 während der Christenverfolgung unter Kaiser Valerian enthauptet wurde, wird allgemein für das Gedeihen der Weintrauben und speziell im Pinzgau als „Ehevermittler“ beansprucht. In Wald im Pinzgau, am Waldberg, gibt es eine 1579 erbaute Kapelle. Auf dem Altar von 1695 steht eine Statue des hl. Sixtus, dessen Festtag am 7. August begangen wird. Diese Figur war Wallfahrtsziel von Mädchen, Frauen und auch adeligen Damen bis in die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Frage man den Heiligen in Liebesangelegenheiten, soll die Statue bejahend oder verneinend den Kopf bewegt haben.

Der hl. Valentin ist durch den Brauch, an seinem Festtag (am 14. Februar) Blumen zu verschenken, bekannt und wird besonders geschätzt, vor allem von den Floristen. Den Heiligen selbst umgeben Zweifel der Historiker. Er tritt meist als Synthese zweier Heiliger, des Bischofs Valentin von Rätien († um 475) und des Bischofs und Märtyrers Valentin von Terni († um 268) auf. Beide werden als Bischöfe dargestellt, mit einem verkrüppelten Kind zu Füßen, das Valentin von Terni laut Legende geheilt haben soll. Aus dem Krüppel machte die Volksmeinung einen Epileptiker, und das wegen des Gleichklangs „Fallentin“ (wie Valentin im Bairischen ausgesprochen wird) und „hin-fallende“ Krankheit. Valentin ist nicht nur Patron der Epileptiker, sondern auch der Verliebten, aber nicht, weil sich diese gelegentlich auch sehr auffällig verhalten, und er ist zuständig für eine gute Heirat. Dieses Liebes-Patronat wurde ihm von der römischen Göttin Juno, der Beschützerin der Ehe, durch die frühchristliche Kirche „übertragen“, denn der Gedenktag Junos fiel mit dem des hl. Valentin zusammen.

Zum Schluss noch eine Bemerkung: Ein Schmunzeln oder gar Kopfschütteln beim Lesen der Ausführungen soll nicht die Tatsache übergehen, dass die hier beschriebenen Formen der Heiligenverehrung einmal unmittelbare Wirklichkeit waren. Es ist schwer, die dahinter steckende Mentalität früherer Generationen nachzuvollziehen. In diesem Sinn soll dieser Aufsatz Beitrag zur Wiederentdeckung von Aspekten des Volksglaubens und nicht eine volkskundliche Kuriositätensammlung sein.

Literatur

Brandt, Daniela-Maria: Heilige Helfer für Winzer & Wein, Würzburg 1993.

Friesen, Ilse: Frau am Kreuz – Die heilige Kümmernis in Tirol; Ausstellungskatalog, Innsbruck 1998.

Gugitz, Gustav: Österreichs Gnadenstätten in Kult und Brauch – ein topographisches Handbuch zur religiösen Volkskunde in fünf Bänden, Wien 1955–1958.

Gugitz, Gustav: Fest- und Brauchtumskalender für Österreich, Süddeutschland und die Schweiz, Wien 1955.

Jöckle, Clemens: Das große Heiligenlexikon, München 1995.

Kretzenbacher, Leopold: Santa Lucia und die Lutzelfrau – Volksglaube und Hochreligion im Spannungsfeld Mittel- und Südeuropas, München 1959.

Rinnerthaler, Reinhard: Antonius von Padua – Wundersames über den Heiligen (Heilige und Selige – Verehrung, Brauchtum und Kunst in Österreich, Nr. 1), Salzburg 1998 (3. Aufl.).

Wimmer, Otto/Melzer, Hartmann: Lexikon der Namen und Heiligen, bearbeitet und ergänzt von Josef Gelmi, Innsbruck 1988 (6. Aufl.).



[5258] Zeitschrift Salzburger Volkskultur, 24. Jg., November 2000, S. 55–63.

[5259] Gugitz, Gustav: Österreichs Gnadenstätten in Kult und Brauch – Band 5 (Oberösterreich und Salzburg), Wien 1958, S. 106.

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