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Mit dem Einkaufszettel durch Salzburg um 1900 (Maria Gamsjäger)[25]

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Nahrungsmittelversorgung im 19. Jahrhundert

Wo kaufte man vor etwa 100 Jahren ein, welches Angebot an Waren gab es und wie war der Lebensmittelhandel organisiert? Neben einer Einführung in die Situation der Nahrungsmittelversorgung im 19. Jahrhundert gibt die Autorin unter „Mehr zum Thema“ Antworten auf diese Fragen – unter Bezugnahme auf die Stadt Salzburg und ihre Bewohner.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war eine extreme Steigerung des Pro-Kopf-Verzehrs aller wichtigen Grundnahrungsmittel erreicht worden. Die Qualität der Lebensmittel verbesserte sich und ihre Preise sanken. Der Konsum von Obst, Gemüse, Fleisch, Eiern, Fetten und Zucker nahm zu. Der ärmere Teil der Bevölkerung musste sich jedoch oftmals mit „Surrogaten [Ersatzmitteln] luxuriöser Nahrungs- und Genußmittel“ zufrieden geben.

Was bei den Salzburger Städtern um 1900 auf den Tisch kam, hing von vielen Faktoren ab: von der finanziellen Situation der Konsumenten, vom Wohnort (Zentrumsnähe), von der Möglichkeit der Selbstversorgung(Gemüse aus eigenem Garten), von der Empfänglichkeit für Werbekampagnen (Markenprodukte) und von der Größe des Haushalts. Die bedeutendste Kundengruppe beim Lebensmitteleinkauf waren in jedem Fall die Frauen (90 % weibliche Dienstboten).

Beim Bäcker und beim Zuckerbäcker

Seit etwa 1891 hatte sich der Absatz des Bäckergewerbes durch gute Ernte, niedrige Mehlpreise und den aufstrebenden Fremdenverkehr gebessert. Die Bäckereierzeugnisse waren seit Mitte des Jahrhunderts qualitätsmäßig verbessert worden und neue Brotsorten („Milchbrod“) wurden eingeführt.

Während bei den Bäckern um die Jahrhundertwende noch Kleinbetriebe vorherrschten, hatte bei vielen Mühlenbetrieben bereits Ende des 19. Jahrhunderts eine „industrielle Organisations- und Produktionsweise“ eingesetzt. Große Handelsmühlen verdrängten die Wind- und Wassermühlen des Landes. Eine der größten Mühlen in der Stadt Salzburg war die Mühle des Franz Fissthaler, wo Ende des 19. Jahrhunderts mehrere Modernisierungen durchgeführt wurden.

Bis zur Industrialisierung war Zucker ein Luxusartikel, den sich nur Begüterte leisten konnten. Mit dem Ausbau der Zuckerrübenindustrie wurde das Angebot an Zucker größer und die Preise niedriger. Zucker, „ein typisches Produkt der Stadt, der Industrialisierung und der steigenden Lebensansprüche“ wurde nach der Jahrhundertwende zum Massenkonsumgut. Auch die Anzahl der Betriebe des Zuckerbäckerhandwerks stieg. Eine Besonderheit waren Hohlhippen, die von eigenen Hohlhippenbäckern hergestellt und vermarktet wurden. Die Zahl der Lebzelter nahm ab, da der Lebkuchen zunehmend durch andere Süßwaren ersetzt wurde.

Beim Fleischhauer und Fleischselcher

Bis zum Jahr 1860 bestanden in Salzburg öffentliche „Fleischbänke“. Erst nach der Einführung der neuen Gewerbeordnung war es den Fleischhauern erlaubt worden, Verkaufsstände in ihren eigenen Häusern zu errichten. Um die Jahrhundertwende begann auch in den Fleischereibetrieben „eine den hygienischen Forderungen unserer Zeit entsprechende Ausgestaltung der Produktions- und Verkaufsstätten“. Gerade im Umgang mit Fleisch waren Kontrollen besonders wichtig.

Als besonders bedeutend wurde die Wursterzeugung Salzburgs genannt, welche in der Stadt von eigenen Selchern, und zum Teil auch von Fleischhauern, betrieben wurde. Die Fleischselcher, die sich auch „Charcutiers“ (frz.) nannten, handelten vorwiegend mit „feinen Fleischwaren, Speck, Würsten und Selchwaren“. Es war üblich, den Verkauf nicht nur „über die Gasse“ zu betreiben, sondern den Kunden auch das Verzehren der gekauften Waren im Geschäftslokal zu erlauben.

Die Stadt Salzburg hatte eine besonders wichtige Stellung als Viehhandelsplatz. Die Viehmärkte in Salzburg waren vor allem aufgrund ihrer Größe bedeutend. Ebenso von Bedeutung war der städtische Schlachthof. Die Schlachträume befanden sich bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Griesgasse.

Auf dem Markt

Neben Märkten, die auf bestimmte Produkte spezialisiert waren[26], gab es um die Jahrhundertwende in der Stadt Salzburg zwei große Wochenmärkte (Universitätsplatz, Franz-Josef-Straße). Kurz nach der Jahrhundertwende kam mit der städtischen Schranne ein dritter Markt dazu. Die Marktfahrer kamen hauptsächlich aus der Umgebung der Stadt Salzburg (Liefering, Maxglan, Wals, Siezenheim, Viehhausen usw.). Walser Grünzeugbäuerinnen brachten ihre Waren oft mit Karren in die Stadt. Was am Markt nicht verkauft werden konnte, versuchte man beim so genannten „Abpumbern“, dem Hausieren, abzusetzen.

Als Gegenstände des Marktverkehres galten „Lebensmittel und rohe Naturprodukte, Wirtschafts= und Ackergeräte, Erzeugnisse der landesüblichen Nebenbeschäftigungen der Landleute der Umgegend und gemeine Artikel des täglichen Verbrauches“. Eine Sonderstellung bei den Marktwaren nahmen in verschiedener Hinsicht Südfrüchte ein, für die es eigene Bestimmungen und auch eigene Händler gab.

Für die Versorgung der Stadt Salzburg war der bäuerliche Gemüsebau von Bedeutung. Bei Eiern und Fettwaren war das Kronland damals auf Einfuhr, vor allem aus dem Innviertel, angewiesen. Der zunehmende Marktbedarf, hervorgerufen durch die Bevölkerungszunahme, hatte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer Ausweitung der Milchwirtschaft geführt. Der Milchverkauf war beispielsweise ein wichtiges Standbein der Lieferinger Bauern. Ein besonderer „Typus“ von Milchverkäufern waren die „Salzburger Milchmädchen“.

Im Lebensmittelgeschäft

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es in der Stadt Salzburg – gefördert durch höhere Einkommen und zunehmenden Konsum – zu einem Anwachsen der Zahl von „Klein- und Viktualienhandlungen“. Es gab einerseits Geschäfte, die sich auf bestimmte Warengruppen spezialisierten (Gemüsehandel, Obsthandel, „Milchproducentenhandel“). Andererseits gab es Geschäfte, die mit verschiedensten Lebensmitteln handelten. Je nach Warensortiment gab es auch hier Unterscheidungen.

Zum einen existierte der „Marktvictualienhandel“ (Eier, Milch, Bäckerwaren, Zuckerwaren, Südfrüchte, Obst, Gemüse, Milchprodukte u. a.), zum anderen der „Victualienhandel“ (u. a. Brennholz, Feld- und Gartenfrüchte, Futterstoffe, Südfrüchte, Seife), die „Greißlerei“ (wie „Victualienhandel“ mit Bürstenwaren, Holz-, Stroh- und Bastelwaren, u. a.) und darüber hinaus der „Spezerei= und Colonialwarenhandel“ (Tee, Schokolade, Zucker, Fisch, Schinken u. a.)

Im Bereich der Lebens- und Genussmittelerzeugung waren die Salzburger Betriebe einer großen Konkurrenz durch andere Fabriken und den Hausierhandel ausgesetzt. Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu technischen Neuerungen, wie der Flaschenbierabfüllung und dem Reinigen und Wiederverwenden der Flaschen, die sich jedoch nur größere Betriebe leisten konnten.

Alternative Einkaufsmöglichkeiten

Eine Möglichkeit, Lebensmittel zu beziehen, und damit auch Konkurrenz für die Lebensmittelhändler, stellten Konsumvereine und Lebensmittelmagazine dar. Bis 1910 nahm deren Anzahl stark zu. Die ersten Konsumvereine in Salzburg waren Werkkonsume. Im Juli 1893 kam es in den Räumlichkeiten des Bahnhofs Salzburg zur Gründung eines Lebensmittelmagazins für Bedienstete der k. u. k. Staatsbahnen.

Schließlich wurde im Dezember 1904 in der Stadt Salzburg der Konsumverein „Vorwärts“ gegründet, der die erste Konsumgenossenschaft im Land Salzburg auf der Grundlage der „Rochdaler Satzungen“[27] darstellte. Ziel war es, Lebensmittel in großen Mengen zu beziehen und durch Ausschaltung des Zwischenhandels billig abgeben zu können. Es wurden auch eigene Produkte, wie der „Konsum-Malzkaffee“ und der „Konsum-Feigenkaffee“, in den Handel gebracht.

Den Hausiererhandel definierte man als „das Feilbieten von Waren im Umherziehen von Ort zu Ort und von Haus zu Haus ohne Verkaufsstätten“. Hausierer benötigten eine Bewilligung, die für ein Jahr ausgestellt wurde. Einige Lebensmittelbereiche waren vom Hausiererhandel ausgeschlossen (z. B.: rohes Fleisch, Zuckerwaren, Delikatessen). Zahlreiche Geschäftsleute hatten sich über den Hausiererhandel beschwert, da sie um ihre Geschäfte besorgt waren, dieser wurde jedoch nicht eingestellt.



[25] Kurzfassung von Ilona Holzbauer

[26] Getreidemarkt bei der städtischen Schranne, Fleischmarkt in der städtischen Bauhofkaserne, Fischmarkt in der Hofstallgasse, Geflügelmarkt auf dem Universitätsplatz, Markt für Kraut und Rüben auf dem heutigen Herbert-von-Karajan-Platz.

[27] In Rochdale wurde eine frühe und bedeutende Genossenschaft von Arbeitern gegründet.

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