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Arnold van Gennep und die Rituale des Übergangs (Herbert Schempf)

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Arnold van Genneps Leben und seine Übergangsriten

Zu den Klassikern der ethnologischen Literatur gehört das 1909 erschienene Buch „Les rites de passage“[47] des französischen Ethnologen Arnold van Gennep (1873–1957). Während sich das darin entwickelte Schema der Übergangsriten als äußerst hilfreich für die Theoriebildung – auch innerhalb der Volkskunde – erwies, weiß man über die persönlichen Umstände des Lebens ihres Verfassers verhältnismäßig wenig.

In Deutschland geboren, mit französischem Vater und holländischer Mutter, zeitweise als Hochschullehrer in der Schweiz tätig, ist van Gennep eine europäische Forscherpersönlichkeit von Rang. Er gilt auch als Begründer der wissenschaftlichen Volkskunde in Frankreich. Denn sein wissenschaftliches Werk ist deutlich zweigeteilt. Während er sich in der ersten Hälfte seines Schaffens mit theoretischen Fragen der Ethnologie beschäftigte – darunter auch in einem Buch zur Entstehung der Legenden –, gehört die zweite Hälfte ganz der Arbeit an dem „Manuel de folklore francais contemporain“, dessen vollständiges Erscheinen er nicht mehr erleben durfte.

Der Übergang vom 20. ins 21. Jahrhundert ist Anlass genug zu einer Beschäftigung mit seiner Biografie und seinem Werk.

Was sind Übergangsriten?

Wie sich die Natur in einzelne Abschnitte zergliedern lässt – in Nacht und Tag, Arbeits- und Feiertage, Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter –, so gliedert sich auch das menschliche Leben in bestimmte Abschnitte. Bildhaft fand dies in Bilderbogen seinen Ausdruck, welche die verschiedenen Lebensalter in Form einer auf- und absteigenden Treppe vom Kleinkind bis zum Greis gegeneinander stellen.

Der Übergang von der einen in die andere Stufe vollzieht sich meist nicht nahtlos, sondern ist von bestimmten Ritualen begleitet. Ähnliches lässt sich bei räumlichen (Orts- oder Arbeitsplatzwechseln) und religiösen Übergängen beobachten.

Das Verdienst van Genneps ist, eine dreigliedrige Abfolge solcher Riten entdeckt zu haben, in welcher sich fast alle diese Übergänge vollziehen. Auf eine Trennungsphase von der früheren Umgebung folgt eine Übergangsphase (Schwellen- oder Umwandlungsphase), in welcher man nicht mehr der alten und noch nicht der neuen Gruppierung angehört. Beendet wird der Vorgang durch den Anschluss und die Integration in die neue Umgebung (Angliederungsphase).

Initiationsriten

Arnold van Genneps Schema der Übergangsriten ist von der deutschsprachigen Forschung kaum rezipiert worden. Am ehesten findet man seinen Namen bei der Behandlung der Initiationsriten genannt, d. h. bei denjenigen, die vor allem die ledigen männlichen Jugendlichen zu ihrer endgültigen Aufgabe als Krieger und Familiengründer hinführen.

Der Zwischenzeit zwischen Kindheit und Erwachsensein kommt eine besondere Bedeutung zu. Der Personenkreis ist oftmals Träger der Bräuche allgemein und im Besonderen von Rügebräuchen bei Verstößen gegen die geschlechtliche Moral (Habergoass in Salzburg, Haberer in Bayern, Zechen und Rotten in Niederösterreich und im Burgenland, aber auch in Frankreich, Holland und anderswo).

Auch die modernen Gesellschaften kennen in diesem Stadium Übergangsriten: Die katholische Kirche die Firmung, die evangelische die Konfirmation und die nicht konfessionell gebundenen Gesellschaften die Jugendweihe oder vergleichbare Veranstaltungen wie etwa die Jungbürgerfeiern.



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