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Tod und Begräbnis (Günther Jontes) – Langtext

Einen Toten auch nach dem Hinscheiden noch zu umsorgen, ihn mit symbolischen und praktischen Handlungen zu begleiten und schließlich zu begraben, seinen Leichnam also nicht einfach dem auflösenden Wirken der Natur zu überlassen, ist zutiefst menschlich und führt in die tiefsten Fernen der geistigen und materiellen Kultur hinab. Dass der Mensch im Jenseits in verwandelter Weise weiterlebt, ist Kernpunkt jeder Religion, Ausgangs- und Endpunkt allen Denkens über die Dimensionen menschlicher Existenz, ist bange Frage und kann erlösende Antwort sein, an der sich Verhalten und Lebensführung des Individuums orientieren können. Für alle Religionen und jedes Denken zur Transzendenz hin ist der Tod ein Durchgangsstadium, das sich die Menschheit von der „Pforte zur ewigen Seligkeit“ oder auch „Verdammnis“ über den Anfang einer neuen Wiedergeburt bis hin zum resignierenden ewigen Schlaf vorgestellt hat.

Das Christentum sieht die Überwindung der irdischen Sterblichkeit in einem verwandelten Leben bei Gott, das durch den Glauben an Christi Tod und Auferstehung verheißungsvoll für den Menschen gleichsam historisch fassbar in den Schöpfungsplan Gottes eingefügt wurde. Christus ist der in seiner menschlichen Dimension Auferstandene und dem Menschen wird Gleiches widerfahren. Und der Christ bekennt im Credo seinen Glauben an die „Auferstehung des Fleisches“ am Jüngsten Tag, wenn Christus diesmal als Weltenrichter die Guten von den Bösen scheidet, wie es das Glaubensbekenntnis auch so rigoros zum Ausdruck bringt. Ist das Grab deshalb etwas Überflüssiges, etwas Zeitliches, auf das man wenig Mühe wenden sollte? Die Kulturgeschichte des Christentums, die Ausdrucksformen der Epochen christlicher Kunst belehren uns eines anderen, wenngleich sich ein Auf und Ab in den Anschauungen, die sich auf Grab und Grablegung beziehen, immer auch stark vom jeweiligen Zeitgeist beeinflusst erweist.

Das Christentum hat sich als Religion in dogmatischer Weise nicht von den theologisch formulierten Grundwahrheiten entfernt, unter denen noch immer Tod, Auferstehung, Gericht und ewiges Leben unverrückbare Grundpositionen darstellen. Wohl aber sind die Vorstellungen etwa vom Jenseits sehr stark von kulturimmanenten Elementen mitbestimmt worden, zumal die Bibel sowohl im Alten als auch im Neuen Testament wenig Konkretes – etwa im Gegensatz zu Mahayana-Buddhismus, Taoismus oder Islam – an Jenseitsverheißung anzubieten hat. „Noch heute wirst Du bei mir im Paradies sein“, verspricht Christus am Kreuz dem rechten Schächer. Und der Heilige Paulus spricht nur das unfassbare Geheimnis einer Existenz bei Gott im Jenseits an, ohne es aber in irgendeiner Form zu beschreiben. Er bezeichnet es nur als aller irdischen Erfahrbarkeit entrückt.

Das Grab ist im christlichen Sinne also nur ein temporärer Platz, der das, was vom sterblichen Menschen physisch-materiell übrig geblieben ist, aufnimmt bis die Posaunen des Jüngsten Tages erschallen. Das Judentum sieht es ähnlich und billigt dem Toten zwar ein ungestörtes Grab zu, das keine Exhumierung oder Beilegung eines anderen Körpers behelligen soll. Hier ist es aber die Erscheinung des Messias, der ein neues ideales irdisches Reich aufrichten wird, das alle Toten als Neubelebte bevölkern werden.

Die Art der Bestattung hat in der Geschichte der Menschheit zahlreiche Formen erlangt, die vom Erdbegräbnis quasi im Mutterschoß der Natur über die Leichenverbrennung als radikales Mittel der Trennung von Leib und Seele bis hin zu von der Umwelt aufgezwungenen Formen wie etwa dem tibetischen „Himmelsbegräbniss“ und der maritimen Seemannsbestattung reichen. Religionen wie die altägyptische oder präkolumbisch-altamerikanische, die ein materielles Leben im Jenseits an die vollständige Erhaltung des irdischen Leibes knüpfen, haben dabei besondere Kulturformen hervorgebracht, die es uns heute ermöglichen, vor allem aus den Zeugnissen des Todes Aufschlüsse über das Leben dieser Menschen zu gewinnen.

Die Bibel spricht davon, dass der Mensch wieder zu Staub und Asche wird. Sie sagt aber auch, dass der Mensch in leiblicher Gestalt auferstehen wird, woraus die christliche Theologie den Gedanken ableitete, dass der unversehrte Leichnam zu begraben sei, der da wieder fleischliche Gestalt annehmen werde. Die Vernichtung des Leichnams durch Feuer wurde deshalb in dunklen Phasen der irrenden Menschheit als zusätzliche Strafe denjenigen zugedacht, die als Ketzer und Zauberer, Gotteslästerer und Hexen zum Tode verurteilt worden waren.

Feuerbestattung und Nekropolen im Römischen Reich

Eine zusätzliche ideologische Komponente darf nicht übersehen werden: In der Frühzeit des Christentums war im heidnischen Imperium Romanum die Feuerbestattung die übliche Form der Entfernung menschlicher Überreste aus dem Umfeld der Lebenden. Schon die ältesten Gesetze der Stadt Rom verboten zudem die Beisetzung innerhalb der Stadtmauern, sodass Kremation und Bestattung außerhalb der Siedlung, meist entlang der Ausfallsstraßen erfolgten. Nekropolen entstanden, deren Grabmäler je nach gesellschaftlicher, wirtschaftlicher oder kultureller Stellung der zugehörigen Familien diesen die Möglichkeit boten, um den Toten und damit sich selbst ins rechte Licht zu setzen. Bescheidener waren die unterirdischen Kolumbarien, wo die Aschenurnen in einfachen Wandnischen aufgestellt wurden.

Die Christen begannen nun, sich auch äußerlich von dieser traditionellen Form der Leichenverbrennung zu distanzieren und die Körperbestattung, die im Übrigen auch im heidnischen Rom am Rande existiert hatte, zu favorisieren. Dass diese Scheidung im umgekehrten Sinne ein Jahrhundert lang auch in der neueren europäischen Geschichte zu bemerken war, zeigt die politische Entwicklung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, wo einerseits der Kulturkampf zwischen Staat, politischen Kräften und der katholischen Kirche in Deutschland und Österreich-Ungarn, zwischen Kirche und Freimaurertum in Italien und Frankreich das Unterscheidungsmerkmal Feuerbestattung forciert hatte. Die nämliche Erscheinung lässt sich in der österreichischen Ersten Republik feststellen, als die Sozialdemokratie mit ihrer Freidenkerbewegung den Übertritt zu den Protestanten – eine Existenz ohne religiöses Bekenntnis war aus rechtlichen Gründen noch nicht möglich – als politische Variante des Protestes gegen christlich-soziale Politik ansah und damit auch als Kampfansage gegen den politischen Katholizismus die Feuerbestattung förderte. Die Evangelischen beider Bekenntnisse hatten nie gegen die Feuerbestattung agiert, ebenso wenig die nur marginal vertretenen Altkatholiken. Für die katholische Kirche war diese Haltung eine klare Kampfansage und zog die Exkommunikation und Verweigerung aller Begräbniszeremonien nach sich. Als nach dem Zweiten Weltkrieg eine zusehends flexiblere und entkrampftere Atmosphäre zwischen den beiden Blöcken Sozialdemokratie und Kirche Platz griff, wurde endlich auch 1961 die Feuerbestattung von der katholischen Kirche toleriert, sodass heute beide Formen gleichrangige rituelle Segnungen erfahren. Es ist einleuchtend, dass dieser Wandel auch Änderungen in den Äußerungen der Funeralkultur brachte.

Doch zurück in die Frühzeit der Funeral- und Sepulkralkultur. Die antike Millionenstadt Rom hatte mit der Beseitigung sterblicher menschlicher Überreste mit wachsenden Problemen zu kämpfen. Als eine Alternative zur Raumnot der wachsenden oberirdischen Nekropolen bot sich die Schaffung unterirdischer Totenstädte an. Die Katakomben entstanden im leicht auszuhöhlenden Tuffgestein in der Umgebung der Stadt, deren bereits überwiegend christlicher Charakter mit ihren Körperbestattungen lange Zeit der Fehldeutung unterlag, geheimer Begräbnisplatz der Leiber von Blutzeugen des christlichen Glaubens, von Märtyrern zu sein. In den in den Verfallszeiten des spätestantiken und frühmittelalterlichen Roms vergessenen unterirdischen Grablabyrinthen waren die christlichen Gräber schon Stätten eines erinnernden Totenkultes. Grabschriften nannten Namen, soziale Stellung, zuweilen biografische Details der Toten und markierten ihr religiöses Bekenntnis durch das Kreuz und die damals üblichen, zuvor noch kryptischen Heilszeichen des Christusmonogramms und des Fisches.

Grabanlagen der heidnischen römischen Antike waren je nach Epoche und regional differenziert Monumente, die an die Toten, ihre familiäre und gesellschaftliche Stellung, ihre Taten und Leistungen, ihren Lebenslauf erinnern sollten. Stark diesseitig verhaftete Kulturen, Religionen und Ideologien legen großen Wert auf solche Memoriale, die der Nachwelt ein meist geschöntes Bild des Toten vermitteln sollen. Größe und Aussagekraft dieser Denkmäler stehen im direkten Verhältnis zur sozialen und ökonomischen Position des Toten. Die Römer nannten im Gefüge eines Grabdenkmales auf dem eigentlichen Grabstein, dem „Titulus“, in stark formelhafter Diktion den erwähnten „cursus honorum“ (Ämterlaufbahn), der etwa bei Militärpersonen auch Rang, Truppenzugehörigkeit, Auszeichnungen, Dienstjahre und bei Zivilisten genealogische Beziehungen, Beamtenränge, Titel in Kultverbänden, Berufsbezeichnungen und das Alter in relativer Chronologie enthielt. Porträtdarstellungen nehmen direkten Bezug auf die Toten, Reliefs mit Szenen aus dem Berufs- und Gesellschaftsleben illustrieren die Aussage des Titulus. Die religiöse Sphäre wird durch apotropäische Symbole, wie die Medusa, vor dämonischen Einflüssen geschützt. Dienergestalten, die zum Totenopfer begleiten, übergeordnete mythische Wesen und Göttergestalten, die in den nichtitalischen Provinzen des Reiches auch der toleranten Geisteshaltung der Römer anheim fallen und mittels der „interpretatio romana“ umgedeutet und in das klassische Pantheon aufgenommen werden, umgeben das aufwändige Monument ebenso wie Darstellungen der Jahreszeiten, Bukolisches und Elysisches. Häufig tauchen auch die Abbildungen von Delfinen auf, die als Mittler zwischen oben und unten zu verstehen sind. Der Adler für Jupiter deutet in olympische Höhen, die Lupa (Wölfin) mit Romulus und Remus in die mythische Tiefe der Begründung von Roms Ruhm.

In der Spätzeit verfiel diese Grabmalkunst, was sich nicht nur in der wachsenden Stilisierung der figuralen Elemente zu einer expressiven Form hin und in einem auffälligen Wandel des Schriftbildes zur kursiven Flüchtigkeit äußerte, sondern sichtlich auch von einer neuen Geisteshaltung ausging, die die „Memoria“ unter christlichen Aspekten pflegt. Grabschriften weisen auf das Bekenntnis des Toten hin und geben der Hoffnung auf die Auferstehung Ausdruck. Die Fehlinterpretation solcher Inschriften in den noch unkritischen Jahrhunderten der frühen Entdeckung von Katakomben, eigentlich bis ins frühe 19. Jahrhundert herauf, führte bekanntlich zum Boom der „Katakombenheiligen“, deren Gebeine samt und sonders als die Überreste von frühchristlichen Märtyrern angesehen und dementsprechend einer unreflektierten Verehrung überantwortet wurden.

Immerhin gibt es aber höchstrangige Blutzeugen wie etwa den Apostelfürsten Petrus, dessen Grab durch authentische epigrafische Spuren identifiziert und in seiner Lage durch Methoden der modernen Wissenschaft verifiziert werden konnte.

Grabstätten im Mittelalter

Im Frühmittelalter begann eine Einstellung vorzuherrschen, die von der Vorstellung ausging, dass die Seele des Verstorbenen bei Gott ruhe, dass das Begräbnis möglichst nahe einer geweihten Stätte und damit dem Ort des Vollzuges der Seelenmessen für den Toten liegen möge, da dies für die Qualität des Schicksals im Jenseits von ausschlaggebender Bedeutung sei. Das aufkommende Ablasswesen, das solche Orte der Gottesnähe quasi privilegierte, weiters die Tatsache, dass Friedhöfe und Grablegung sich immer mehr an die kirchenrechtliche Identität der Pfarren banden, führten dazu, dass die Anonymität des Beisetzungsplatzes eines Toten zu überwiegen begann und nur mehr höchstrangige Personen wie Herrscher und kirchliche Hierarchen ein markiertes Grab erhielten. Dass selbst die Grabstätten von Heiligen aus dieser Haltung heraus in Vergessenheit geraten konnten, zeigen eindrucksvoll nicht nur die Schicksale der Gräber der Leiber und Reliquien und die Geschichte ihrer Wiederentdeckung bei Persönlichkeiten wie dem Heiligen Petrus in Rom, sondern auch diejenigen des Heiligen Markus in Venedig oder die des Heiligen Virgil in Salzburg.

Erst ab dem Hochmittelalter wurde die Individualität wieder besonders betont. Die örtliche Fixierung der Reliquien und Gräber der Heiligen gewann durch gesteigerte Formen der Verehrung dieser materiellen Überreste neues Gewicht. Geistliche und weltliche Hierarchen empfanden dies für ihre Person nach und es entstand eine neue, sich am Bild des Lebenden orientierende Grabsteinkultur, die es ermöglichte, den Toten im Glanze seiner Pontifikalien oder weltlichen Würdezeichen abzubilden. Vom Idealbild zum Porträt vollzog sich die künstlerische und formale Gestaltung in wenigen Jahrhunderten von der Romanik bis zur Spätgotik, wobei der funktionale Schritt vom reliefierten Deckstein als liegende Grabplatte zum Wandepitaph sich aus dem wachsenden Platzbedarf für Prominentengräber im Inneren von Sakralbauten erklären lässt. Adelsstolz und der Hang zur ständischen Repräsentation äußerten sich seit dem 13. Jahrhundert auch in reinen Wappensteinen, als sich die Heraldik bereits in strengen Gesetzen ergeht. Außer der Kreuzsymbolik ist in diesen Epochen von christlicher Bildsymbolik und konkreter Beziehung zwischen Stand und Glauben des Beigesetzten wenig zu spüren. Religiöser Bekenntnischarakter war noch nicht gefragt, da die konfessionelle und kulturelle Bindung an die eine Kirche noch ungebrochen ist.

Das 16. Jahrhundert

Dies sollte sich seit dem 16. Jahrhundert, dem Jahrhundert der Reformation, gründlich ändern, als das Grabmal auch politisch-konfessionellen Aussagewert gewinnt. Die Gestaltung des Grabsteinreliefs wird schematischer. Das zentrale Bild des Gekreuzigten wird zumeist von den nach Geschlechtern getrennten Familienangehörigen flankiert, die anbetend knien. Der Grabstein wird meist nicht für eine Einzelperson geschaffen, sondern bezieht sich auf die ganze Familie mit Eltern und Kindern, zumindest auf das Ehepaar. Seine Herstellung geschieht im vorgerückten Alter des Familienvaters, wobei durchaus bereits verstorbene Ehegattinnen und Kinder mitdargestellt werden und selbst als Wickelkinder verblichene Sprösslinge miteinbezogen werden. Namen tragende Banderolen werden im Ablebensfalle mit einem eingehauenen Kreuz versehen. Die erbauliche Grabschrift wird zur „Bildunterschrift“, während sie zuvor dem Relief meist am Rand der Steinplatte gefolgt war. Außer dem solitären Bild des Gekreuzigten finden sich bei Grabsteinen und Epitaphien von Protestanten auch andere beziehungsvolle biblische Szenen: Auferstehung Christi, Jonas dem Wal entsteigend, das programmatische Bild von Gesetz und Gnade usw. Verbale Zitate ergänzen das signalhafte Bekenntnis zur reformatorischen Haltung der neuen Zeit.

Im Übrigen können sich dann auch die katholisch Verbliebenen der neuen Art von Sepulkralkunst nicht verschließen, sodass der Aufbruch in das gegenreformatorische Barock von beiden Konfessionen in gleicher Weise erfolgt. Der Titulus vermerkt sehr genau die Adelsprädikate, Ämter und Würden, besonders dann, wenn sie im Zusammenhang mit der Herrschaft des Landesfürsten stehen. Wappen werden wie in der Gotik heraldisch sehr exakt und wirkungsvoll miteinbezogen. Bemalung kann diese Wirkung noch beträchtlich erhöhen und bringt erstmals auch Buntheit in die steinerne Welt der Epitaphien, besonders dann, wenn sie sich im schützenden Inneren von Sakralbauten befinden. Zuvor gab es diese Buntheit nur in Landschaften mit besonderer Neigung zur Steinintarsia à la Pietra dura, wie wir sie etwa in Rom in der Tradition der Kosmaten oder auf Malta in den repräsentativen Grabplatten der Malteser Ordensritter kennen. Auch die obersten Schichten des Bürgertums folgten dem Vorbild des Adels. Usurpierte Wappen, Hauszeichen, Berufsbezeichnungen, Handwerksymbole, Würden im politischen und administrativen Feld der Städte und Märkte erwecken den Eindruck gesellschaftlicher Bedeutung.

Funeral- und Memorialkultur

Betrachtet man die Art und Weise, wie und auf welche Weise Grabdenkmäler im Mittelalter und in der frühen Neuzeit entstanden, so darf man sich nicht von der Annahme täuschen lassen, dass das erhalten gebliebene materielle Erbe der Funeralkultur dieser Epochen repräsentativ für die Gesamtheit der Erscheinungen sei. In Wahrheit haben innere und äußere Ereignisse den Bestand an Denkmälern in übergroßem Maße dezimiert. Nur dort, wo die Gunst der Erhaltung durch stete Pflege oder durch Vergessen- und dadurch Bewahrtwerden herrschte, wo Bauwerk und Lokalität überdauerten, dort konnten auch aus solidem Material gefertigte Grabdenkmäler mit Glück bis in unsere wertende und forschende Zeit gelangen. Am ehesten geschah dies an und in Sakralbauten, wobei der umgebende Friedhof etwa einer Pfarrkirche heute oftmals als solcher nur mehr dadurch erkennbar ist, dass die Kirchhofsmauer mit ihren in sie eingelassenen Denkmälern und die Grabsteine an der Kirchenaußenmauer erhalten blieben. Die Fläche zwischen beiden war einst mit der Masse der Grabzeichen gefüllt, die für Unter- und Mittelschichten aus Holz oder im besten Falle aus Schmiedeeisen waren. Und hier hat sich relativ wenig im Original erhalten. Eisenkreuze reichen etwa bis ins 17. Jahrhundert zurück, wobei dieses Metall seit dem Klassizismus auch noch bei gusseisernen Denkmälern Verwendung findet. Hölzerne Grabkreuze lassen sich im originalen Erhaltungszustand höchstens bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zurückverfolgen. Gruftarkaden, Mausoleen im Verbande von Friedhöfen sind immer nur Ausnahmen gewesen.

Heute sind Grabsteine und Grabkreuze der Standard der Grabfelder der wohl organisierten Friedhöfe und deshalb auch der Wirkungskreis von Resten der Grabmalkunst, die sich in die minimalistisch und sparsam denkende, von einem allgemein wirksamen Geschmack ziemlich weit entfernte und Repräsentation im sozialen Umfeld anders pflegende Zeit und Gesellschaft herübergerettet hat. Auch hat die Verdrängung von Sterben und Tod in unserer Zeit ihre Spuren hinterlassen.

Friedhöfe sind die eigentlichen Orte der Funeralkultur. Friedhofseingänge und -mauern und zentrale Friedhofskreuze einerseits, Aufbahrungshallen andererseits markieren umfassend und unmittelbar den Bereich des Todes und seiner rituellen und spirituellen Bewältigung. Grabkreuze und andere Formen von Grabmonumenten sind dagegen individueller Ausdruck der Erinnerung an Familien und Einzelpersonen.

Auch Kriegerdenkmäler zählen zu den Stätten einer durch den Tod bestimmten Memorialkultur. Sie sind meist nicht an Friedhöfe gebunden. Sie stehen oft im dörflichen oder kleinstädtischen Ortszentrum oder sind mit Kirchenbauten verbunden bzw. in diese integriert. Sie können jeweils nur Erinnerungsstätten sein, weil es im Wesen des Soldatentodes liegt, dass der Krieger weitab von seiner Heimat den Tod findet und ebendort begraben wird.

Die Friedhöfe

Friedhöfe in städtisch bestimmten Siedlungsgebieten bieten in unserem Betrachtungsraum heute fast durchwegs ein gleichartiges Bild. Der Platz davor enthält wegen der Vollmotorisierung und der Lage der Friedhöfe außerhalb des verbauten Gebietes einen entsprechenden Parkplatz. Meist ist er auch in das öffentliche Verkehrssystem eingebunden. Lange schon gehören Steinmetzbetriebe in der Nähe der Friedhöfe mit ihren Schauflächen für Grabdenkmäler zum gewohnten Bild, ebenso in urbanen Gebieten Blumengeschäfte und Gärtnereien. Innerhalb der Kirchhofsmauern herrschen wohl geordnete Gehwege, bei entsprechendem Alter Alleen älteren Baumbestandes, Hecken und Rasenflächen vor. Waldfriedhöfe sind in unseren Breiten eher selten. Der Erholungs- und Besinnungsort Friedhof ist durch Parkbänke gekennzeichnet. Müllplätze und Wasserentnahmestellen dienen der pflegenden Grabbetreuung durch Anverwandte. Selbst die Utensilien des Lichtkultes sind über Geldautomaten jederzeit verfügbar.

Die erste Phase der Erneuerung von Aufbahrungs- und Zeremonienhallen, die mit der Friedhofsgründung als damals ausreichend im 19. Jahrhundert erbaut worden waren, setzt in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts ein. Mit dem Wegfall der Hausaufbahrungen ist die Frequenzsteigerung auf dem Friedhof nicht mehr zu bewältigen. Der dadurch erzwungene Bauboom setzt seine Bauten architektonisch zwar im Stil der Zeit vor der Postmoderne, schafft aber funktionale Strukturen, die Verwaltung, Deponierung und Aufbahrung in einem Gebäudekomplex ermöglichen. Überdachte „allwettertaugliche“ Zeremonienplätze, nicht mehr Kojen oder Nischen für die nur mehr wenige Stunden vor der Beerdigung oder Verabschiedung dauernde Aufbahrung, sondern freundliche weite Räume ohne düsteren Prunk, neue Möglichkeiten einer Lichtregie für die Zeremonien verändern das Bild des Ortes des Abschiednehmens.

Wenn zuvor schwarzer Samt, silberfarbener Zierrat (aus der kirchlichen wie auch weltlichen Trauerfarbe abgeleitet), dunkelgrüne Blattpflanzen und Kerzen den Rahmen auch emotional bestimmten, so kann die Wende in der Friedhofsarchitektur nun auch Kunst als tröstendes Element und zur Ausschmückung dieser Räume letztmöglichen Verweilens mit den Toten bedeuten. Längst ist der für das christliche Begräbnis verbindliche Kruzifixus nicht mehr das alleinige Schmuckelement. Abstrakte bis gegenständlich gebildete Glasfenster im Architekturverbund und Wandflächengestaltungen als Malerei, Mosaik oder Relief, wohl auch Plastiken können zum Inventar der Aufbahrungs- und Zeremonienhallen gehören. Ihre künstlerische Qualität und ebenso die der sie beherbergenden Architektur ist von verschiedensten Faktoren abhängig, die hier aufzuzählen müßig ist. Gefühlswelten sind stets auch mit unwissentlich gefordertem oder angebotenem Kitsch verbunden. Elektronische Beschallung von Zeremonien mit Musiken verschiedenster Art, aber relativ geringem Spektrum, gehört wohl unausweichlich dazu.

Die Grabfelder eines Friedhofes unserer Zeit und unserer Alltagskultur sind einem steten Wandel unterworfen. Das bedeutet, dass sich die ursprüngliche Substanz an Grabzeichen und -denkmälern aus der Zeit der Anlage ständig verdünnt. Für den Volkskundler und Kunsthistoriker wäre deshalb stete Dokumentation des Bestandes vor allem im Bild erforderlich, weil sich kommunale oder kirchliche Verwaltungen nur in Ausnahmefällen damit befassen können oder wollen. Auch Friedhofsmonografien, wie sie in unseren Tagen in steigender Zahl erscheinen, widmen sich aus einsichtigen Gründen meist nur urbanen Prunkstücken und innerhalb derselben vor allem den herausragenden prominenten Persönlichkeiten oder kunsthistorisch interessanten Arbeiten der Sepulkralkunst. Das Allgemeine und damit Wesensbestimmende kommt meist zu kurz.

Grabstätten: Denkmal und Repräsentation

Im Allgemeinen sind es Grabstätten finanzkräftiger Familien, die ein höheres Alter erreichen. Zum einen können solche Geschlechter auf Grund ihrer wirtschaftlichen Potenz Grabpflege und -erhaltung über Generationen hinweg durchhalten. Zum anderen sind ältere Grabdenkmäler, die noch dazu häufig als Grüfte oder Mausoleen entlang der Außen- oder Teilungsmauern errichtet wurden, wegen ihrer Entstehung in Zeiten figürlicher Prägnanz und handwerklicher, zuweilen auch künstlerischer Qualität zu Zeiten des Historismus, Symbolismus oder des Jugend-/Secessionsstiles auch beim Erlöschen eines pflegenden Personenkreises gern unverändert von Interessenten gekauft worden, die damit ihre familiäre Sepulkraltradition begründen können, die heute wie einst einen stark in die Repräsentation wirkenden soziologischen Faktor im zeitgenössischen Parvenütum bildet.

Die Masse der Grabzeichen bilden heute die im ständigen Wandlungsprozess befindlichen neueren bis neuesten Grabsteine und Grabkreuze als Haupttypen. Hier zeigt sich ein gewisser Konservativismus in der formalen Gestaltung. Grabsteine sind heute meist Konfektionsprodukte aus gängigen Werksteinen aus der ganzen Welt. Mag sein, dass der heimische Sölker Marmor oder der alpine unbehauene Felsklotz wegen seiner heimatlichen Herkunft noch gewisse emotionale Züge aufweisen kann. Kostbarer Labradorit oder andere überseeische Exoten bis hin zum berühmten Carrara-Marmor können schon wieder Gradmesser eines Beeindruckungsbedürfnisses der Auftraggeber sein.

Während das Säulen- oder Pyramidenmonument nur mehr im historischen Bestand vorkommt, hat sich seit dem Zweiten Weltkrieg die schon über dem Bodenniveau einsetzende Steinplatte mit Grabschrift und allfälliger symbolbezogener oder auch figuraler Zier als häufigste Grabsteinform durchgesetzt. Eine allgemein zu beobachtende inhaltliche Tendenz ist die karge Aussagekraft der Beschriftung. Einst waren „Klassisches“ oder ein gereimter zitierender Grabspruch, „Ruhmredigkeit“ in Titulaturen, Funktionen und Leistungen, Angabe hervorstechender Todesursachen, Anbringung eines Porträtreliefs oder -fotos, neben dem Geburts- und Todesdatum die Nennung anderer Lebensstationen üblich. Ein religiöses Symbol war unverzichtbar.

Heute sind Name, Titel und Basisdaten Standard eines solcherart konfektionierten Grabsteines. Heilszeichen beschränken sich im Allgemeinen auf ein reduziertes Kreuz. Flammenschale und Feuerzunge beim Feuerbestatteten haben heute kaum mehr ideologischen, ins Politische hineinspielenden Signalcharakter. Wegen der stark steigenden Zahl von Kremationen sind heute Urnengrabfelder und -mauern Bestandteil jedes größeren Friedhofes. Ebenso bemerkt man multikulturelle Einflüsse bereits im Vorhandensein muslimischer Gräber mit ihrer aus ganz anderen Traditionen gespeisten Gestalt und Ausrichtung.

Auch im städtischen Bereich ist seit einigen Jahrzehnten die wachsende Zahl an schmiedeeisernen Grabkreuzen zu bemerken, die in der neueren Friedhofskultur bis ins 20. Jahrhundert eigentlich nur dem ländlich-dörflichen Bereich eigen waren. Auch sie sind heute schon konfektioniert und bis zur Versandhausware kommerzialisiert. Der Mythos vom kunstsinnigen Dorfschmied ist heute dahin und es gibt heute nur mehr relativ wenige Handwerksmeister, die einerseits überlieferte Formen material- und stilgerecht, andererseits auch neue, ästhetisch ansprechende und sinnfällige zu schaffen in der Lage sind. Hier ist einer der Ansatzpunkte im Schaffen des steirischen Künstlers Franz Weiß (geb. 1921), der die einst volkstümliche Art der vergänglichen malerischen Verzierung in der Technik Farbe auf Metall durch die dauerhafte der Emailgestaltung ersetzt hat. Er hat damit ein neues buntes Element in die steinbestimmte und monotone Farbenstufung gebracht, die zuvor nur durch die jahreszeitengebundene Grabschmückung durch Blumen belebt wurde.

Kriegerdenkmäler

Im „Kriegerdenkmal“, in der „Krieger- und Kriegsopfergedenkstätte“ werden Akzente in einem Sektor der Memorialkultur gesetzt, der nicht zwangsläufig an sakralbestimmte Orte, wohl aber den öffentlichen Raum gebunden ist. Solche Denkmäler zählen besonders im ländlich-dörflichen Raum zu den wichtigen Mittelpunkten von Feiern des Jahrlaufes und des identitätsstiftenden Vereinswesens. Da der tote Soldat meist in fremder Erde ruht, ist eine solche Gedenkstätte auch der Ersatz für das individuelle Grab, an dem es sich ja nicht trauern lässt. Die Grablosigkeit ist ja bis heute ein psychisches Problem, das in der Steiermark in größerem Umfang zuletzt bei der Lassinger Grubenkatastrophe von 1998 diskutiert wurde, wo die Leichen von zehn verunglückten Bergleuten nur mit größtem Aufwand und unter Gefahren geborgen hätten werden können. Am Unglücksort ist deshalb eine Gedenkstätte für die Toten geschaffen worden, die irgendwo darunter in der Tiefe ruhen. Gemeinsam einem Grubenunglück zum Opfer gefallene Bergleute werden häufig wie Soldaten auch gemeinsam bestattet.

Der gesellschaftsbestimmende Wert von Kriegerdenkmälern ist trotz aller bilderstürmerischer Tendenzen des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts noch immer hoch und deshalb bis heute auch mit mehr oder weniger künstlerischer Tätigkeit im Dorfbereich in Verbindung zu setzen. Veteranenverbände wie der „Österreichische Kameradschaftsbund“ spielen im Dorfbereich eine große Rolle, wenngleich durch den allmählichen Abbau der Schranken zwischen Stadt und Land und durch das Aussterben der Weltkriegsgenerationen die Bedeutung schon gesunken ist. Auch als Auftragsgeber bzw. Anreger von Kriegerdenkmälern und deren Restaurierung sind sie wichtig gewesen. Ebenso werden solche Gedenkstätten immer wieder zur Mahnung, über den Zweiten Weltkrieg auch die NS-Zeit kritisch zu bedenken, bzw. stehen sie als Orte des Anstoßes wie der politischen Agitation in der öffentlichen Debatte.

Zeremonien und Zeichen des Abschiedes

In „Aufbahrungshallen“ und deren Umgebung geht es um den rituellen und wiederum gesellschaftlich relevanten Bereich der Zeremonien um Aufbahrung, geistliche Begleitung, Zeremonien des Abschiedes, der Erinnerung, der Einsegnung, des geistlichen und menschlichen Trostes, um den Verlust eines Menschenlebens.

Zur Ausstattung von Gottesäckern zählen auch die „Friedhofskreuze“, die mit ihrer zentralen Aufstellung und ihrer Monumentalität Christi und menschlichen Tod verbinden und gleichzeitig die christliche Grundglaubenswahrheit der Auferstehung von den Toten ankündigen.

Im „Grabzeichen“ endlich nähert man sich dem Individuum, dessen Grabgestaltung nun eine direkte Beziehung zwischen Tod und ewigem Leben eines ganz bestimmten, namentlich und biografisch fixierten Menschen herstellen soll.

Noch einige Gedanken zum Ort des zeremoniellen Abschieds: Eine Aufbahrungshalle ist kein im christlichen Sinn sakramental definiertes Gebäude, sie ist weder Kirche noch Kapelle. In ihrer Funktion hat sie keine allzu lange Verankerung in der europäischen Funeralkultur. Der Abschied von einem Toten war im Christentum seit jeher im Allgemeinen durch einen Zeitraum bestimmt, der von bestimmten Faktoren eingeengt war. Der Zeitablauf der Tätigkeiten und zeremoniellen Handlungen nach dem Ableben eines Menschen setzte sich aus kürzeren oder längeren Abläufen zusammen, die in summa einen Zeitraum von etwa drei Tagen ergaben und damit auch ungefähr den hygienischen Erfordernissen entsprachen, die der einsetzende Ablauf der Dekomposition des menschlichen Körpers nimmt. Leichenwäsche und -bekleidung, Bestellung und Lieferung des Sarges beim nächstgelegenen zuständigen Handwerker, Einsargung und Aufbahrung, Totenwachen, Gebetsstunden, Kondolenzbesuche, dann das Laden zum Begräbnis waren die Stationen bis zur eigentlichen Bestattung, der dann letzte Aussegnung am Grabe, Totenmesse und Leichenschmaus folgten. Die Vorbereitungszeit und die Aufbahrung waren selbstverständlich an das Sterbehaus gebunden, in dem der Alltag in seinen Grundformen von Arbeit und Ruhe weitergehen musste. Dieses dreitägige Schema galt sowohl für Stadt als auch für Land und wurde nur bei gesellschaftlich höchst stehenden Toten durchbrochen, so bei fürstlichen Personen, denen Etikette, politisches Gewicht und dynastische Repräsentation einen weitaus größeren Spielraum zubilligten. Zurichtung und Aufbau des „Castrum doloris“ (einer bildreichen Schaubühne, die auch der Aufbahrung dienen konnte), meist auch Einbalsamierung und Herstellung eines künstlichen Schauleibes für die prunkvolle Aufbahrung auf dem Paradebett, Herstellung gedruckter Zeremonialschriften, Trauerdekoration usw. führten zu oft wochenlangen Zeiträumen zwischen Tod und Beisetzung. Selbstverständlich standen hier an Örtlichkeiten des Trauergepränges die Repräsentativbauten der Herrscher wie Schloss und Hofkirche zur Verfügung und die Beisetzung bedeutete nicht mehr eine Reise in den Schoß der Erde, sondern endete in den unterirdischen Gelassen fürstlicher Grüfte, in denen die frei aufgestellten Sarkophage über den Tod des Bestatteten hinaus fortgesetzte und auf irdische Ewigkeit hin berechnete Repräsentation in politischer und religiöser Symbolik sowie in ästhetischen Kategorien ermöglichte.

Im gegenteiligen Sinn waren Seuchentote als Gefahrenherd für die Gesundheit der Lebenden möglichst schnell und unkonventionell zu beseitigen. Meist schon Stunden nach dem Tod wurden diese „Sondertoten“ zu Massengräbern gebracht, die in historischem Faktum und in der Sage als Pestgruben oder dergleichen auftauchen. Der Rationalismus der Aufklärung und des 19. Jahrhunderts führte aber im Standard der Funeralkultur zur Entstehung und Entwicklung eines neuen Typs von Friedhofsbauten, nämlich der Aufbahrungs- oder Leichenhallen. Die großstädtische Einrichtung von kommunalen Leichenschauhäusern, die von den Friedhöfen getrennt einerseits der makabren Schaulust der Großstadtbewohner Vorschub leisteten, andererseits der Konzentration von möglichen Seuchenträgern in Gestalt von Leichen dienten, wurde bei uns im Gegensatz zu Westeuropa (Paris, London) nicht thematisiert.

Im 18. Jahrhundert, als menschliche Anatomie, Physiologie und Pathologie immer mehr zum Forschungsfeld seriöser Wissenschaft wurden, tauchte das gesellschaftliche Phänomen der Furcht vor dem Scheintod auf und führte bis weit ins 19. Jahrhundert herauf zu Massenpsychosen, die man mit rationalen, zum Teil äußerst skurrilen Methoden und Praktiken in den Griff zu bekommen trachtete. Schon zu Zeiten der josephinischen Reformen glaubte man, den tatsächlich eingetretenen Tod am besten dadurch gewährleisten zu können, dass man den Toten unter genauer Beobachtung so lange aufgebahrt behalte, bis eindeutige Zeichen des Zerfalls wahrnehmbar seien. Zu diesem Zwecke wurde die Errichtung so genannter Einsetzkammern auf den Friedhöfen angeordnet, die im Prinzip die ersten öffentlichen Aufbahrungsgebäude darstellen, sich aber in ihrer Verwendung als wenig geschätzt erwiesen, da das mit einer Hausaufbahrung verbundene Sozialprestige nicht auf sie überging. Eine vermehrte Einplanung in die im 19. Jahrhundert in den rasch wachsenden Städten großzügig geplanten und umgesetzten kommunalen und interkonfessionellen Friedhöfe führte zu entsprechenden Zweckbauten, die bis heute das Gros der Toten bis zum Begräbnis aufnehmen und außer dieser Depotfunktion auch noch administrative, hygienische, sogar künstlerisch-ästhetische Aufgaben zu erfüllen haben.

Auf dem Land blieb noch alles beim Alten, d.  . die Hausaufbahrung und der Leichenzug vom Sterbehaus zu Kirche und Friedhof waren der Standard. Deposition in der Totenkammer galt als Zeichen von Armseligkeit und mangelnder Pietät, während die Abwicklung des Abschiedes vom Toten im Sterbehaus alle Möglichkeiten gab, den durch Brauch und Sitte geregelten Verpflichtungen nachzukommen, den sozialen Status des Verstorbenen und seiner Familie zu dokumentieren, Gastfreundschaft und gemeinsames Erinnern und Gebet zu pflegen. Dies änderte sich erst, als die kulturelle und soziale Annäherung von Stadt und Land auch im Bereich dörflicher Gemeinden zu entsprechenden Bauten von Aufbahrungshallen führten, die man jetzt auch gerne euphemistisch als Zeremonienhallen zu benennen begann. Wie schon angemerkt, hat das neue Bedürfnis nach rationeller Bewältigung der Bestattungsaufgaben und die emotionale Aufhellung des Zeremonienraumes zu neuen architektonischen Lösungen geführt, die für künstlerische Auszierung breiteren Raum ließen. Ein neues Element der Kultur um Tod und Begräbnis war entstanden.

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