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Der Kulturprozess „Bauen“ (Monika Brunner-Gaurek) – Langtext

Im 19. und frühen 20. Jahrhundert war die volkskundliche Hausforschung reine Typenforschung, man versuchte regional, Gemeinsamkeiten im Hausbau zu definieren. Heute ist man sich bewusst, dass historischer Hausbau auch Umbau, völligen Neubau, in jedem Fall stete Veränderung bedeutet. Die Typenforschung steht gegenwärtig im Hintergrund, ein Haus wird als soziokulturelles Zeugnis seiner Bewohner(-generationen) betrachtet. Die Forschung untersucht daher die Baugeschichte der einzelnen Häuser. Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Umbauten wesentliche Aussagen über das Verhältnis des Menschen zu seinem Haus sind und nicht nur die Rekonstruktion des „Urzustandes“. Man versucht, jedes Haus in seiner gesamten Baugeschichte zu erforschen – die Untersuchungen sind zwar umfangreicher, aber die daraus gewonnenen Aussagen differenzierter und lebensnäher. Ein Umbau entspricht sozialen und wirtschaftlichen Änderungen. Das gesamte Siedlungswesen bis hinein ins letzte Detail des Hausbaues hat sich im Laufe der Jahrhunderte innerhalb eines Kulturprozesses stets verändert, der – ungewöhnlich vielschichtig – zwischen Beharrung und Fortschritt heute noch ebenso abläuft.

Die Anfänge menschlicher Behausung

Höhlen, Felsdächer, einfache Windschirme, Gruben und Zelte dienten in der Altsteinzeit und der Mittelsteinzeit als Behausung der Menschen. Erst in der Jungsteinzeit (5500–1800 v. Chr.) entwickelte sich in Mitteleuropa eine Frühform des Bauerntums. Der Mensch verließ die aneignende Wirtschaftsform (Jäger, Sammler) und fand zur produzierenden Wirtschaftsform (Ackerbau). Eine sesshafte Lebensweise wurde nötig und auch Räumlichkeiten zur Lagerung der Ernte. Der erste überlieferte Haustyp stammt aus der linear-keramischen Kultur des 4. Jahrtausends v. Chr. und ist in Asparn rekonstruiert. Es handelt sich um einen einfachen Pfostenbau mit einem Arbeits-, Schlaf- und Vorratsraum. In der Jungsteinzeit wurde auch die Verzapfung erfunden und so entstand der Ständerbau, man musste die Pfosten nicht mehr in die Erde eingraben, sondern konnte sie mit waagrechten Schwellen verzapfen. Der Blockbau mit den komplizierteren Eckverbindungen entwickelte sich erst in der Bronzezeit. Mit zahlreichen Verbesserungen hielt er sich in Salzburg bis ins 18. Jahrhundert als häufigste Bauweise.[3728]

Fenster waren statisch schwierig, deshalb entwickelten sie sich von einfachen Lichtschlitzen zu mit Schieber verschließbaren Luken, die im ländlichen Salzburg noch im 18. Jahrhundert eingebaut wurden. Glas hielt im bäuerlichen Bereich erst ab dem 18. Jahrhundert langsam Einzug, vorher verwendete man Holzschuber, Schweinsblasen oder transparente Tierhäute. Die Dächer entwickelten sich aus einfachen Formen der Pfetten- und Sparrendächer.[3729]

Erzbischöfliche Verordnungen beeinflussten das Bauen

Neben sozialen und wirtschaftlichen Neuerungen haben auch obrigkeitliche Einflüsse das Bauen und damit unsere Kulturlandschaft geprägt. Wir wissen zwar, inwieweit den Bau betreffende Direktiven gegeben wurden, aber wir wissen kaum, in welchem Umfang diese in die Wirklichkeit umgesetzt und wieweit die erzbischöflichen Bauordnungen auch auf einem entlegenen Bergbauernhof befolgt wurden. In den Städten, wo sich oftmals verheerende Brandkatastrophen ereigneten, gab es schon im Mittelalter Reglementierungen der Obrigkeit.

Für den ländlichen Raum hat es in Salzburg wie in ganz Österreich und auch in anderen Ländern Europas seit dem 17. Jahrhundert den Bau betreffende obrigkeitliche Verordnungen unterschiedlicher Art gegeben. Sie betrafen vor allem Feuersicherheit und Holzsparsamkeit.

Die Landbevölkerung stand Neuerungen und Vorschriften der Obrigkeit meist ablehnend gegenüber und hielt sich lieber an die überlieferten Traditionen, wie man aus einer „Instruktion für Beamte der Bauführung und Bauinspektion“ entnehmen kann:

„Das Erzstift ist allen Alpenländern, unter allen Himmelsstrichen darin gleich, daß alle seine Thäler, und Bergrücken von hölzernen Gebäuden wimmeln. Gesegnet von der Natur an Bausteinen aller Art, an Thone, Kalke, Sande ec. trug diese Erdstrecke immerfort hölzerne Hütten, in welchen die Haabe des Einwohners der beständigen Gefahr schnell um sich greifender Brände preis gegeben war. Genährt durch die Täuschung geringerer Kosten, schnellerer Herstellung ec. ist die Gewohnheit Häuser von Holze zu bauen, eine dem Landmanne so werthe Sitte geworden, daß ihn jede Abweichung von ihr im höchsten Grade beklemmt.“[3730]

Wollte sich ein Bauer ein Haus bauen oder seines neu errichten, so musste er beim Grundherrn und dieser für seinen Grundhold bei der erzbischöflichen Hofkammer um eine Baubewilligung ansuchen. Erzbischof Hieronymus Colloredo (1772–1803) verlegte Ende des 18. Jahrhunderts die Zuständigkeit von der erzbischöflichen Hofkammer auf die Pfleggerichte. Diese „Regionalbehörden“ hatten einen besseren Überblick und konnten auch Kontrollen durchführen, weil ihr Zuständigkeitsgebiet besser überschaubar war.

Aus dem Jahr 1548 stammt das erste Salzburger Verbot, Gebäude eigenmächtig zu errichten. In den Jahren 1697 und 1711 wurde es vom Erzbischof bei Strafe untersagt, ohne vorhergehende Baubewilligung ein Haus neu zu erbauen oder umzubauen.[3731]

Erzbischof Hieronymus Colloredo schrieb den weniger feuergefährlichen Mauerbau zwingend vor. Mauern entstanden entweder aus Natursteinen oder aus Ziegeln. Es bedurfte einer Ausnahmegenehmigung, ein Blockbauhaus anzufertigen. Diese Ausnahmen waren die Regel.

„Wo jedoch Mangel an Materialien, oder wo diese nur mit unerschwinglichen Kosten an den Bauplatz gebracht werden mögen, oder wo der Unterthan durch Unglücksfälle verarmt, oder sonst so mittellos ist, daß er die Mauerung nicht bestreiten kann, dort und dann mag der Bauinteressent nach Verhältnis der Umstände von der ganzen Mauerung freygesprochen und entweder auf die halbe Mauerung, d. i. vom Grunde auf bis unter das obere Stockwerk, oder aber zu Ausführung des Baues von einer Hälfte des Hauses bis unter das Dach von Mauer angewiesen werden.“[3732]

Baumaterialien

Gänzlicher Mauerbau setzte sich im Land Salzburg erst Mitte des 19. Jahrhunderts durch. Die Ablösung der Servitute (Holzbezugsrechte) der Bauern in den herrschaftlichen Wäldern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die Verteuerung des Holzpreises und die wesentlich höheren Versicherungskosten für Holzhäuser brachten die Umstellung auf Steinbauweise für das Bauernhaus mit sich. Auch Ziegel fanden ab dem 19. Jahrhundert Verwendung. Die relativ kleinen und qualitativ nicht sehr hochwertigen Lehmvorkommen ließen im Land Salzburg aber keine bedeutende Ziegelindustrie entstehen.[3733]

Zum Bauen verwendete man Materialien, die in der Umgebung vorhanden, relativ leicht zu transportieren und nicht zu teuer waren. Die Besorgung der Baumaterialien für einen Hausbau nahm meist einige Jahre in Anspruch, da auf landschaftliche Gegebenheiten geachtet werden musste. Auch die Bearbeitung des Holzes war sehr kraft- und zeitaufwendig. Für den Blockbau mussten vom Zimmermann händisch erst Kanthölzer aus dem Block gehackt werden. Es gab zwar bereits die mit Wasserkraft betriebenen Venezianergattersägen, doch wer keine solche Möglichkeit in der Nähe hatte, dem kam es billiger, das Holz für den Bau zu behauen, als es auf den Weg zu schicken. Gehackte Hölzer waren auch beständiger, da die Faser nicht verletzt wurde.

Erzbischof Hieronymus Colloredo propagierte für Stadel auch die Bundwerk-Bauweise, weil man dafür weniger Kanthölzer brauchte als für den massiven Blockbau.[3734] Dafür erforderte die Konstruktion höhere Zimmermannskunst. Solche Bundwerkstadel findet man im Land Salzburg aber nur in ertragreichen Gegenden wie dem nördlichen Flachgau, wo sie einen Teil des „Innviertler Dreiseithofes“ bilden.

1788 gab Colloredo auch Anweisungen über den Bauablauf, wie zum Beispiel[3735]:

„Die Bauaufsicht hat das Abladen und Behandeln der Ziegel zu überwachen. Ziegel müssen unter Dach gelagert werden. Fuhrleute müssen einen ‚Lieferschein‘ mitbringen, damit der Bauherr weiß, wie viele ganze Ziegel aufgeladen wurden. Sand soll in Truhen transportiert werden, weil sonst zu viel verloren geht.“

Wahrscheinlich gab es diesbezüglich stets Streitereien, so gab der Erzbischof seinen Untertanen einen Leitfaden.

Die Wohn- und Wirtschaftsgebäude sollten möglichst feuersicher und sparsam errichtet werden. Auch die Nebengebäude erfuhren in den Bauordnungen Erwähnung. Heu und ausgedroschenes Getreide sollten möglichst nicht im Haus untergebracht werden. Durch die offenen Feuerstellen war die Brandgefahr hoch, und der Schaden wäre durch den Verlust des Saatgetreides und der Wintervorräte für die geschädigte Familie noch viel höher gewesen. So entstanden aus Gründen der Feuersicherheit die freistehenden Getreidekästen, die im Lungau sogar gemauert waren. Auch Leinenballen oder Speck wurde häufig in Getreidekästen aufbewahrt.

Die Heustadeln auf den Feldern der Gebirgsgaue sind heute noch ein gängiges Bild in der Landschaft, obwohl sie bereits ihre Funktion verloren haben. Brechelbäder zum Flachsrösten mussten wegen der integrierten Feuerstelle mit einem Sicherheitsabstand vom Haus gebaut werden. Erzbischof Colloredo riet auch im Sinne der aufklärerischen Sparsamkeit zu Gemeinschaftsbrechelbädern oder dazu, den Flachs einfach nur in Röstgruben zu darren.[3736]

Fuhr man von Obertauern nach Tweng, so war bis vor ca. zwei Jahren (rechts der Straße) ein sehr verfallener, unbewohnter Bauernhof zu sehen, der Mühltalerhof (Tweng Nr. 12). Einige Meter neben dem ehemaligen Wohnhaus stand – ganz nach Colloredos Vorschrift – ein Getreidekasten. Allerdings war daran direkt ein Backofen angebaut. Das ist ein Beispiel dafür, wie sich in den einst entlegeneren Gebieten die Bauordnungen durchsetzten. (Möglicherweise hat man auch gar nichts von den Vorschriften der Erzbischöfe gewusst.) Der eigentliche Sinn der Verordnung, das Saatgetreide an einem Platz fern der Feuerstelle des Hauses aufzubewahren, damit wenigstens die Existenz für das nächste Jahr gesichert war, falls das Wohngebäude abbrennen sollte, wurde hier verkannt.

Die Reglementierungen der Obrigkeit wirkten in Salzburg eher indirekt und hintergründig. Gerade unter Erzbischof Hieronymus Colloredo wurde in Salzburg ganz im Sinne der Aufklärung eine Vielzahl von Leitlinien und Gesetzen den Bau betreffend herausgegeben. Alle diese Regeln sollten zur Feuersicherheit, zur Holzersparnis und zur Hygiene beitragen. Weit weniger Beachtung erhielt das Formale, die Architektur. Ästhetische, romantische oder bewahrende Absichten fehlten gänzlich.

Die Vorschriften vermochten ein Umdenken auszulösen, doch eigentlich hat das Bauen die Wirtschaft verändert ebenso wie die Industrialisierung und die sozialen Bedürfnisse (Heizung, Licht, Hygiene usw.). Als feuerbeständigere Baumaterialien billiger wurden, konnten sie sowohl beim Umbau als auch beim Neubau flächendeckend verwendet werden. Betrachtet man Übergabeverträge im Laufe der Jahrhunderte, so wurde den Altbauern einst nur ein Eck in der Stube zugewiesen, später bereits eine eigene „Austragstube“ und im 18. Jahrhundert begannen begüterte Salzburger Bauern, Austraghäuser zu bauen.

Die Ansprüche des Individuums verändern sich auch stets in der Gegenwart, deshalb sind Umbauten oder Neubauten mit der Anpassung an veränderte Lebensumstände verbunden (dazu zählen Verfügbarkeit des Materials, Mode, Energieersparnis, persönliche Umstände usw.). Heute sieht die volkskundliche Hausforschung Häuser und deren Umbauten im sozialen, wirtschaftlichen und im politischen Kontext.

Bauliche Veränderungen

Der Flachgauer Einhof im sozialen und wirtschaftlichen Kontext vom 15. bis zum 20. Jahrhundert

Der Flachgauer Einhof entwickelte sich von einem Rauchhaus mit rechteckigem Grundriss zu den heute bekannten T-Höfen.

Der Salzburger Flachgauhof ist aufgrund seines Grundrisses als „Mittertennanlage“ zu bezeichnen, was die Dreiteilung Wohn-, Tennen- und Stallteil unter einem Dach deutlich zeigt. Stube und Küche liegen auf der einen, Kammer und Speicherraum auf der anderen Seite des Flures. Im Oberstock liegen zu beiden Seiten die Schlafkammern. In der nordwestlichen Ecke des Oberstockes findet sich bei allen älteren Blockbauten die so genannte „Dijn“ (Dille), ein nicht ausgebauter Raumteil ohne Decke, der zur Tenne hin eine große Öffnung in der Blockwand aufweist, also ein von der Tenne zu beschickender Bergeraum. Durch diese Öffnung beförderte man das Erntegut vom Erntewagen zunächst auf die Ebene des Oberstockes und von hier in den Dachraum über den gesamten restlichen Wohnteil.

Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts (bei vielen Häusern auch bis ins 20. Jahrhundert) war im Bauernhaus meist nur ein Raum beheizbar. Bei den alten Rauchhäusern konnte man von der Flurküche aus einen großen Hinterladerofen beheizen, der die Stube wärmte. Um 1800 kamen die ersten gekachelten Sesselherde auf, die in der Stube Kochmöglichkeit und zugleich Wärmespender waren. Die Schlafkammern im Obergeschoss erhielten nur durch ein Spundloch an der Stubendecke Wärme. Und damit konnte auch nur das Schlafzimmer der Bauern, welches sich meist genau über der Stube befand, geheizt werden.

Mit einer allmählichen Veränderung der Wirtschaftsform vom Ackerbau zur Grünlandwirtschaft mit Viehzucht erhöhte sich auch der Viehstand und erforderte eine Erweiterung des ursprünglich sehr kleinen Stallteiles. Für diese Erweiterungen wurde durchwegs angebaut, wobei man das Dach bei flachen Dächern einfach herunterzog, bei steileren Dächern ebenfalls, aber mit entsprechendem Knick.[3737]

Im 19. und frühen 20. Jahrhundert erforderte die fortschreitende Intensivierung der Viehwirtschaft noch größere Stall- und Futterräume. Durch die massenhaften Getreideimporte aus Amerika, Kanada und der Ukraine fielen die Getreidepreise so stark, dass der Körnerfruchtanbau im Alpenraum auf Eigenbedarfsanbau schrumpfte und im Alpenvorland (Flachgau) zugunsten der Viehwirtschaft nahezu aufgegeben werden musste.[3738] Dabei kam es zu einer baulichen Entwicklung, die dem Mittertennbauten des Flachgaues ein völlig individuelles Gepräge gab, das ihn von allen anderen Mittertennbauten deutlich unterscheidet: Die Erweiterungen der Stallscheunen erhielten eigene Satteldächer, die – solange sie noch niedriger waren – zunächst in das Dach des Hauptkörpers eingeschifft wurden, später erhielten sie die gleiche Firsthöhe wie der Wohntrakt. In der letzten Entwicklungsphase dehnten sich die Stallscheunen derart aus, dass sie eine wesentlich größere Länge erreichten als der Wohnteil samt Mittertenne. In diesen Formen, mit einseitiger oder doppelter Wiederkehr, ist der Salzburger Flachgauhof heute überwiegend als Hakenhof oder in der besonders charakteristischen T-Form mit lang gestreckter geschlossener Wetterseite zu sehen. Nicht nur der Länge nach, sondern auch in der Breite erweiterte sich der Stall in die Dreschtenne, wo einst das Getreide mit den Dreschflegeln ausgedroschen wurde.

Durch die starke Mechanisierung der landwirtschaftlichen Arbeit im 20. Jahrhundert erfuhren diese Anbauten vielfach noch eine weitere, unter Umständen schon überdimensionale Verlängerung. Diese rein wirtschaftlich bedingte Entwicklungsform kann in der heutigen Flachgauer Gehöftlandschaft als typenbildend angesehen werden.[3739]

Betrachtet man den Franziszäischen Kataster aus den 1830er-Jahren, so ist dort der Großteil der Bauernhäuser als Holzhäuser eingetragen. Bei manchen wenigen Höfen ist bereits das Erdgeschoss gemauert, zur Gänze gemauert sind wenige. Um 1850 beginnt im Flachgau eine große Neubauwelle, der Wohnbereich der alten Holzhäuser wird durch einen Natursteinbau ersetzt. Was diese Strömung bewirkt hat, kann nur vermutet werden. Vielfach überliefert ist, dass Italiener, die im Steinbau sehr versiert waren, den Bauern dabei halfen. Beim Bau der Westbahn waren nachweislich sehr viele Italiener beschäftigt. Auch die Baumeisterfamilie Ceconi aus Salzburg beschäftigte viele italienische Arbeiter, die sich möglicherweise ein Zubrot bei den Flachgauer Bauern verdienten. Zu diesem Materialwechsel trug auch die verpflichtende Brandschadenversicherung bei, die Holzhäuser wesentlich höher veranschlagte als gemauerte. Mauerbau galt plötzlich als nobler und so kam es, dass manche Bauern auch das Erdgeschoss ihres Blockbauhauses einfach verputzen ließen. Aus der Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts stammen auch die mit Schlackensteinchen verzierten Häuser. Nach einer Erhebung von Angelika Stötzer gibt es heute noch 145 Schlackenputzhäuser im Flachgau. Fast alle weisen eine Datierung zwischen 1866 und 1933 auf.[3740]

Eine weitere große Umbauwelle begann in den 1960er-Jahren. Manche Bauern verputzten ihren natursteingemauerten Hof frisch, viele bauten völlig neu. Gerade im Gebirge ist diese Zeit sehr einschneidend und landschaftsprägend. Schließlich hatte seit 100 Jahren keine so markante Neubauwelle wie im Flachgau stattgefunden. Die alten Blockbauhäuser mussten modernen Höfen oder sehr oft auch Hotels weichen. Viele kleine Bauwerke wie Brechelbad, Dörrhäusl, Waschhäusl, Hütten, Getreidekästen und Stadel zum Zwischenlagern von Getreidegarben sind funktionslos geworden und wurden abgetragen, als Gartenhäuschen umgebaut oder umfunktioniert. Die Vielzahl von Heustadeln (oft nicht mehr genutzt und verfallen) in den Gebirgsgauen ist heute landschaftsprägend.

Der Bauernhof war in seinen Baulichkeiten über Jahrhunderte auf Selbstversorgerwirtschaft ausgerichtet. Die Wirtschaftsform hat sich in den letzten 70 Jahren gravierend verändert und damit auch die Gebäude des Bauernhofs. Die Heuböden wurden vergrößert, um einen Kran einbauen zu können und neue Unterstellmöglichkeiten für den Maschinenpark mussten ebenfalls geschaffen werden.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Flachgauer Bauernhäuser, genau wie alle anderen Häuser im Land Salzburg, im Laufe der Jahrhunderte stets umgebaut und den veränderten Lebensumständen und technischen Errungenschaften angepasst wurden. Das ist eine natürliche Entwicklung und ein Spiegel der Zeit.

Das Bedürfnis der Menschen nach mehr Licht, Hygiene und mehr Räumen, aber auch die technischen Möglichkeiten unterbanden das Festhalten an alten Wohnformen. So romantisch verklärt man die alten Häuser in den Museen oft sieht, wer möchte heute noch in einem Holzblockbauhaus ohne sanitäre Einrichtungen, mit niederen Türstöcken und kleinen Fenstern und ohne Heizung leben? Genau aus diesem Grund hat man umgebaut und wird auch in Zukunft das Wohnen der Zeit anpassen.

Bräuche um den Hausbau

Bauernhäuser wurden meist mit Nachbarschaftshilfe selbst errichtet. Oft kamen 20 und mehr Helfer („Roboter“) aus der Umgebung, die manchmal zu ihrer unentgeltlichen Arbeit auch noch Essen mitbrachten, um den Bauherren zu unterstützen. Nachbarschaftshilfe bedeutete Leistung, die bei Bedarf durch Gegenleistung ausgeglichen wurde. Am Bau mitzuhelfen, wurde in Zeiten ohne Mobilität, ohne Massenmedien nicht als Belastung und Stress empfunden, sondern als Möglichkeit, soziale Kontakte zu pflegen bzw. auch um Spaß und Abwechslung im Alltag zu haben.

Firstbaumstehlen

Karl Adrian[3741] beschrieb 1924 sehr lebhaft den Ablauf des Firstbaumstehlens im Salzburger Flachgau, was sich mit den Aussagen mehrerer älterer Gewährspersonen deckt. Auch zahlreiche Bildquellen im Fotoarchiv Salzburger Freilichtmuseums bestätigten Adrians Festablauf. Wenn beispielsweise die Dachhölzer fertig zum Aufstellen am Bauplatz bereit lagen und der Tag zum „Heben“ der Hölzer bestimmt war, kamen Burschen und stahlen den Firstbaum, um ihn in einer Hütte oder einer Scheune zu verstecken. Am nächsten Tag blieb dann dem Polier oder Bauherren nichts anderes übrig, als zu seinem Ärger noch eine Entschädigung, bestehend aus einigen Litern Bier, zu leisten, damit er dieses notwendige Holzstück zurück erlangte. Diesen Vorgang nannte man „Firstbaumstehlen“. Nachdem sich auf Ansuchen des Bauherrn die von dessen Nachbarn unentgeltlich zur Verfügung gestellten Knechte zum „Heben“ eingefunden haben, begann die Arbeit. Die schweren Pfetten und Sparren mussten händisch auf das Dach gezogen werden, was sehr viel Kraft erforderte und auch nicht ungefährlich war. War der Dachstuhl zusammengefügt, so wurde der vom Bauherrn gespendete „Boschn“, ein kleines Fichtenstämmchen, auf den äußersten Giebel aufgesteckt. Der „Boschn“ wurde mit Tüchern, Zigarren, Bändern, manchmal auch mit Geldstücken geschmückt, welche für die beim Bau beschäftigen Zimmerleute bestimmt war. Steckte der „Boschn“, so gingen alle Helfer zur Jause.

Aber auch dieser „Boschn“ war von den Scherzen der Nachbarn nicht sicher. Oft war er plötzlich weg und stattdessen stand ein einfacher, leerer Baum oder Ast an dessen Stelle, was Spott bedeutete. Nachbarsknechte hatten den „Boschn“ gestohlen und ihn in einer Kammer versperrt. Die Zimmerleute gingen mit einer Laterne auf die Suche und wollten in die Kammer eindringen. Die wurde natürlich gut bewacht. Die Mädchen des Hauses waren mit schwarzen Fingern, Rußpfannen und Wasserkübel bewaffnet. Konnte der „Boschn“ nicht zurückerobert werden, so mussten ihn gelegentlich ein paar Liter Bier oder Wein auslösen. Zum Schluss kam der „Boschn“ mit buntem Papierschmuck wieder auf den Giebel und die Zimmerleute nahmen sich einen Holzladen und schlugen im gleichmäßigen Takt zu sechst oder acht darauf, um in der Umgebung anzuzeigen, dass der Bau beendet war und das Fest beginnen konnte. Der Polier oder ein ausgewählter Sprecher ging mit einem gefüllten Glas auf den First und rief einen Firstspruch, wie zum Beispiel:

„Mein Gruß zuvor ihr lieben Leut’
Der Bau hat seinen Hebtag heut!
Ihr unter mir beseht genau
Wie streng nach Maß gemacht der Bau
Den Bauherrn doch frag ich mit freiem Mut
Wie ihm der Bau gefallen tut?
Gefällt er ihm, dann ist es recht
Hat er Mängel, ist er schlecht,
so sagts mir frei zu dieser Stund,
wir brechen dann ab bis auf den Grund
doch will uns der Bauherr mit Gunst einladen
wir essen Kalbs- und Schweinebraten,
und trinken ihm viel Gesundheit zu,
ihr seht, dass ich zuvor das auch tu:
Der Bauherr und seine Frau sollen leben
Und alle Handwerksleut’ daneben!
Vivat Hoch!“

[3742]

Der Sprecher trank danach sein Glas aus und warf es hinunter. Anschließend folgte die Ansprache des Bauherrn und immer wieder das Bretterdreschen der Handwerker, bevor der Tag mit einem ausgedehnten Fest endete. Der Brauch der Firstfeier ist auch heute noch in Salzburg verbreitet.

Einziehbräuche

In Salzburg wurde das neue Haus meist von einem Priester geweiht oder man besprengte es selbst mit Weihwasser. Man brachte auch Brot und Salz in ein neu erbautes Haus als Sinnbild dafür, dass diese wichtigen Nahrungsmittel niemals ausgehen sollten. Das Einstandsfest ist wohl ein Übergangsbrauch, eine Eingliederung in die neuen Verhältnisse, ausgedrückt im gemeinschaftlichen Mahl und Fest.

Segenszeichen am Haus

In der mittelalterlichen Vorstellung gingen Viehseuchen, Missernten, Hunger, Krankheit und Unwetter von schadbringenden Geistern und Dämonen aus.

Die Bauern brachten am und im Haus Zeichen an, die als Schutz für Haus und Hof, Vieh und Feldfrüchte, als Abwehr oder Gegenzauber wirken sollten. Das Erbitten von Schutz und Darbringen von Opfern wirkte dabei oft ineinander. Diese Zeichen entstammten einerseits vorchristlichen Vorstellungen, andererseits der christlichen Glaubenswelt. Sie waren mit Bräuchen und Vorstellungen verbunden, deren Inhalte über die Jahrhunderte hinweg verkürzt und abgeändert worden waren, sodass der ursprüngliche Sinn oft nicht mehr erkennbar ist. Manche Zeichen werden heute noch angebracht, obwohl man von deren Wirksamkeit nicht mehr überzeugt ist.

Über Tor, Tür und den Dachfirst konnten sich Dämonen, Geister und Hexen der überlieferten Meinung nach Einlass in das Haus verschaffen. Darum schützte man diese Bereiche besonders oder wehrte das Böse mit dem Gegenzauber ab. Schädel von Pferden, Rindern, Kälbern oder Ziegen sollten dies bewerkstelligen.

Bei der sorgfältigen Abtragung einiger Flachgauer Höfe für das Salzburger Freilichtmuseum wurden auch Bauopfer gefunden. Kleine Holzkreuze, Heiligenbildchen, Bibelzitate, Gebete, Amulette wurden zwischen die Holzbalken gelegt und sollten das Haus schützen.[3743] Ähnliche Funktion übernahmen auch geschnitzte Köpfe an der Firstpfette, die meist die Form von Katzen- oder Drachenköpfen hatten.

Auf Einfahrts- und Stalltoren, Dreschtennen, in Ställen, im Haus oder an den Möbeln waren früher häufig Abwehrzeichen angebracht. Neben der abwehrenden Hand sollten Sieben-, Acht- und Neunspitz, Drudenfuß (Fünfstern), Hexenkreuz und Teufelsknoten allgemein bösen Mächten den Zutritt verwehren.

Das „Schratlgatterl“ und der Trudenstein, ein Stein mit einem natürlichen Loch, wurden gegen die „Schrad“ oder die „Trud“ (ein „böses Wesen“) im Stall angebracht oder ans Fenstergitter gehängt.

Auch Pflanzen galten als schutzbringend. Johanniskraut sollte Hof und Garten vor Schauer und Hagel bewahren, wenn es an allen vier Ecken des Hauses oder des Ackers aufgesteckt wurde. Schutz vor Blitz wurde der Hauswurz zugeschrieben, die man in einem kleinen Topf auf das Hausdach setzte. Holunder, Haselnuss und Wacholder galten ebenso als heil- und schutzbringend.

Als christliche Zeichen findet man Haussegen oder Haussprüche, Christus- und Madonnenstatuen ebenso wie kleine Figuren der bekannten Bauernheiligen, z. B. des Heiligen Leonhard (für das Vieh), Heiligen Florian (gegen Feuer), Heiligen Isidor (Patron der Bauern).

Unter der Schwelle vergrub man einen geweihten Benediktuspfennig und auf die Tür schrieben früher Kapuzinerpatres, heute die Sternsinger, C + M + B. Diese drei Buchstaben können als Initialen der Heiligen Drei Könige gelesen werden und stehen auch für den lateinischen Segen „Christus mansionem benedicat“ („Christus möge das Haus segnen“). Kreuze, Christus- und Marienmonogramm vervollständigen das Bild.

Haussprüche, meist im Eingangsbereich aufgemalt, gaben oft Auskunft über den Beruf des Hausbesitzers, waren religiösen Inhaltes oder berichteten von der Vergänglichkeit alles Irdischen. Hier ein paar Haussprüche, welche Richard Wolfram gesammelt hat[3744]:

„Johann Gruber bin ich genannt
Mein Haus und Leben steht in Gottes Hand
Wie Gott will, so ist mein Ziel
Darauf ich hoff und sterben will.“

(Hiasbauer in Göriach, Lungau)

„Die Leute sagen immer, die Zeiten werden schlimmer.
Die Zeiten bleiben immer, die Leute werden schlimmer.“

(Hutmacherhaus in Mauterndorf, Lungau)

„Das Müllerleben hat Gott gegeben
Aber das Mahlen bei der Nacht
Hat der Teufel aufgebracht.“

(Tomanbauer bei Pichl, Maria Pfarr, Lungau)

„O Maria, Jungfrau rein, lass uns dir empfohlen sein.
Beschütze unser Haus und Rinder und die Ochsen und die Kinder.“

(Saalfelden, Pinzgau)

„Ich lobe Gott und lass ihn walten
Mach neue Öfen und reparier’ die alten.“

(Hafnermeister, Pinzgau)

Eine Vermischung von christlicher Symbolik und Aberglaube findet sich z. B. in den „Antlasseiern“, jenen Eiern, die in den Kartagen, vor allem am Gründonnerstag, gelegt werden. Sie galten bereits in der Henne als geweiht. Diese Eier wurden unter der Schwelle eines Hauses vergraben oder in eine Aushöhlung der Firstpfette gelegt und sollten dem Haus Schutz bringen.

Gerade das Nebeneinander von christlichen und vorchristlichen Heilszeichen an so wichtigen Orten wie Tür und First macht deutlich, welch großen Wert die Bauern auf den Schutz des Gehöftes durch überirdische Mächte legten.

Die Häuselbauer-Generationen nach 1945 in Salzburg

In Salzburg lebte bis in die 1930er-Jahre durch das Dienstbotenwesen der Großteil der Familien nicht unter einem Dach. Selbst Bauernkinder, die den Hof nicht erbten, mussten meist das elterliche Haus verlassen und „in den Dienst gehen“. Mit einer Veränderung der Lohnstrukturen und dem Entstehen einer Interessensvertretung für Landarbeiter nach dem Zweiten Weltkrieg wurde auch für diese zahlenmäßig sehr große Bevölkerungsschicht der Traum von einem Eigenheim wahr. Lohnarbeit und soziale Verbesserungen ermöglichten den Aufbau einer eigenen Existenz und das gemeinsame, eigenständige Leben mit der Familie. Natürlich galt das auch für die städtische Unterschicht.[3745]

Die erste Epoche: Die 1950er-Jahre[3746]

Das einfache Haus mit Gemüsegarten

Unbestritten ist die große kollektive und soziale Anstrengung des Wiederaufbaus, der Bereitstellung von Wohnraum unter den extremen wirtschaftlichen Bedingungen der 1950er-Jahre.

Nach Kriegsende hielten sich ca. 400.000 volksdeutsche Flüchtlinge, meist notdürftig in Baracken untergebracht, in Österreich auf. Als deutsche Minderheiten aus Ex-Jugoslawien (Gotscheer)[3747] bzw. Rumänien (Siebenbürger Sachsen, Banater Schwaben) mussten sie nach den deutschen Angriffen ihre Heimat und jeglichen Besitz unfreiwillig verlassen. Sie wurden zur ersten „Speerspitze“ der Häuselbauer, die mit ausländischer Kreditfinanzierung meist an den Rändern von Gemeinden in geordneten Kleinsiedlungen bauten.

Die Häuser der 1950er-Jahre waren kompakte, einfache Körper, meist mit Steildach, einfachem Grundriss, selbstverständlich noch ohne Haustechnologien wie Kühlschrank und Waschmaschine. In der Architektur änderte sich während und auch nach der NS-Zeit nichts. Wichtig waren die Gärten, die vornehmlich dem Gemüseanbau, den Obstbäumen und der Kleintierhaltung für die Selbstversorgung vorbehalten waren.

Die zweite Epoche: Die 1960er-Jahre

Mobilität und Modernität – von Caorle nach Amerika

Bekämpft wurde sparsame Wohnbauarchitektur der 1950er-Jahre von den modernen Architekten der 60er-Jahre. Der Anschluss an eine diffuse „Internationalität“ war der Kampfruf für den Ausbruch aus dumpfer, konservativer Kontinuität. Man sah das verdrängende Fortwirken der alten Kräfte und verdrängte selbst dessen Ursachen, indem ein reines Gegenbild formuliert wurde. Deshalb manifestierten erst die 60er-Jahre die erste „Kulturrevolution“ nach dem Krieg. Das Bild des „Modernen Hauses“ – symbolisiert durch Bungalow, Blumenfenster und Swimmingpool – setzte sich durch. Die Bausparkassen rückten vermehrt moderne und funktionelle Lösungen in den Vordergrund. Wie überhaupt die „Modernität“ (wie immer diese auch definiert wurde) und in ihrer Folge auch die „Funktionalität“ zur Verbindlichkeit erklärt wurden und in den Städten und Dörfern die ersten Wohnhochhäuser auftauchten, damals als Zeugen des sozialen Fortschritts angesehen.

Die Einfamilienhäuser der 60er-Jahre waren meist zweigeschossig, hatten einen eingeschnittenen Balkon im ersten Stock, eine Terrasse darunter und ein flaches Satteldach. Durchaus architekturkonform waren einfache, dunkle Holzbalkone. Die Urlaubsbilder der „Villa am Meer“ verführten zur genussreichen Nutzung des Außenraums des Hauses mit Naturstein-Terrassen. Das Flachdach war kein Tabu mehr, der Bungalow mit Swimmingpool und Hollywoodschaukel und die amerikanische Küche mit elektrischen Haushaltsgeräten waren Zeichen und Ergebnisse einer ersten Konsumtionswelle, die aber immer wieder Verbindungen mit der rustikalen Regionalität einging.

Die dritte Epoche: Die 1970er-Jahre

Ölschock, Heimwerker, Tourismus

Nach dem Modernitätsschub der 60er-Jahre zeigte sich erstmals die beginnende Zersplitterung und Individualisierung der Gesellschaft. Die Ölkrise brachte den großen Paradigmenwechsel: auf einmal war das Neue, die Modernität, keine kollektive Vision mehr. Die Ökologie bezeichnete sie als „den Bruch der Modernität“, aber gleichzeitig führten der Boom des Massentourismus und das Auftreten der Heimwerkerbewegung zu einem parallelen Wildwuchs von verschiedenen Modellen des Eigenheims.

Das Auftreten vehementer Kritik an der „Zersiedelung“ begann erstmals an der Wende zu den 70er-Jahren. Erklärbar ist dies auch aus der beginnenden Urbanismus-Debatte Ende der 60er-Jahre in der Architektur. Nach „neuen städtischen/urbanen Wohnformen“ wurde gesucht, Verdichtung war das positive Gegenbild zur Zersiedelung. In diesem Zeitgeist entstand in Salzburg-Itzling die Goethesiedlung. Heute eher als sozialer Konfliktherd angesehen, war diese Ansammlung von Wohnblöcken in den 1970er-Jahren ein Beispiel modernen Wohnens.

Gleichzeitig begann in dieser Zeit eine neue Ortsbilddiskussion. Es war der Städter, der entsetzt über die Entwicklung der Dörfer begann, sich nach einer neuen Ursprünglichkeit zu sehnen. Modernisierungselemente wie das riesige Blumenfenster waren auf einmal Feindbilder. „Grüne Ideen“ bekamen ihren Raum und Mitbestimmung war das Signal für eine gewünschte Selbstverwirklichung, woraufhin der partizipative Wohnungsbau erste Pilotprojekte entwickelte.

Gerade in den 70er-Jahren fand eine sehr widersprüchliche Entwicklung statt. Nicht zu vergessen ist auch die Seite der Bauproduktion selbst. Am deutlichsten ist dies bei den Häuselbauern erkennbar – in dieser Epoche begann sich die Idee des „Baumarkts“ durchzusetzen. Eine unüberschaubare Lawine von Produkten und Ausstattungsteilen überschwemmte den Markt. Zwar hatte der neue Reichtum an Materialien keine zwingende „Form“ mehr, aber dennoch erzeugten alle mitwirkenden Kräfte einen definierbaren Stil der 70er-Jahre. Dieser bestand aus Restelementen der Modernität: Der berühmte „Eternit-Hut“ – ein ausladendes Obergeschoss wurde komplett mit dunklen Schindeln verkleidet – wurde zum Bild der 70er-Jahre. Die erste Welle der Fertighäuser ist an ihrer mangelnden Qualität gescheitert. Der boomende Tourismus begann seine regionalen Klischees zu erfinden, die unter den Architekten den Begriff „Lederhosenarchitektur“ als Feindbild entstehen ließen.

Die vierte Epoche: Die 1980er-Jahre

Versuch der Schönheit und Harmonie

Architektur wurde in den 1980er-Jahren zum Thema, auch für Häuselbauer. Schön und prächtig sollten die Häuser sein. Kreativität war gefragt und sie sollte sich in möglichst individuellen Formen ausdrücken. Die „Villa“ war als Image kein hochkulturelles Tabu mehr. Und die allgemeine Ablösung der Form vom Inhalt musste geradezu zwangsläufig zu neuen kulturellen Regeln führen.

Die Moderne war vorbei. Sie war zu einem Feindbild der Kälte und Emotionslosigkeit geworden. In der allgemeinen Praxis drückte sich diese Entwicklung in einer Tendenz zum angepassten Bauen und der vermehrten Rücksicht auf die Umgebung aus. So genannte „ortsübliche Bauformen“ erlebten nun eine Konjunktur. Nicht zuletzt gefördert von den Interessen der Tourismusindustrie wurden eigene „Landesidentitäten“ für Hausformen erfunden, die in einen neuen Regionalismus münden sollten. Waren in den vorangegangen Nachkriegsjahrzehnten „Tiroler-Haus“ und „Salzburger-Haus“ mit ihrem weit ausladenden Dach und den alpinen Accessoires führende Leitbilder, so wurden diese nun von erfundenen Regionalismen abgelöst. Ortsbildaktionen wurden zum Programm. Baufibeln erläuterten dem einzelnen Bauwilligen, welche Formen und Materialien in die jeweilige Gegend passen würden. Manchem Kritiker entlockte diese Entwicklung die Bemerkung: „Wenn schon ausufernd wuchernd weiter Landschaft zerstört wird, dann sollte sie wenigstens in Schönheit sterben.“[3748]

Die fünfte Epoche: Die 1990er-Jahre

Das Haus als Ware in der künstlichen Landschaft

Die 1990er-Jahre waren das Jahrzehnt der Fertighausindustrie. Die alten Modelle der Nachbarschaftshilfe und der Pfuscherpartien lösten sich soziologisch bedingt auf. Der neue Häuselbauer hatte nun Kapital (meist ererbt), aber keine Zeit. Er hatte – bedingt durch die Verschärfung der Flächenwidmungs-, besonders der Umwidmungsgesetze von Grünland in Bauland in den 1980ern – keinen günstigen, familiär-ländlichen Zugriff auf Grundstücke mehr. So musste er das Grundstück von einer entwicklungswilligen Gemeinde teuer kaufen, um schnell und kalkulierbar den Traum des Eigenheims verwirklichen zu können. Die boomende Masse des Gebauten führte zu unterschiedlichen gesetzlichen Reaktionen. Es gab Gegenden, die resignierten. Die Masse war nicht mehr kontrollierbar, „jeder soll bauen, wie er will“ war die Devise. Und es gab Gegenden, die restriktiv und künstlich die in den 80er-Jahren erfundenen Lokalstile administrierten. Die Hauslandschaft Österreichs hatte sich endgültig neu definiert.

In den randurbanen Gegenden wucherten die heterogenen Mittelstandsvillen. In den Tourismusgebieten waren restriktive Bauformen verordnet, die eine neue künstliche regionale Identität einforderten. Und dann gab es noch die unbeobachteten ländlichen Gebiete, in denen sich die Gebäude kaum noch zuordnen lassen, weil jede Konvention von den internationalen Angeboten der Baumärkte beeinflusst wurde.

Es scheint, als ob Konventionen generell abhanden gekommen wären. Alle Elemente der vergangenen Jahrzehnte wurden vereint. Dem Bild der Ökologie wurde mit schrägeckigen Wintergärten entsprochen. Dem Bild der feudalen Prächtigkeit folgten (funktionslose und unorganische) Erker, Gaupen und pummelige Säulenelegien. Dem Bild der vermeintlichen Ortsüblichkeit wurde inzwischen österreichweit mit Krüppelwalmdächern entsprochen. Das, was in den 1980er-Jahren in den postmodernen Baufibeln als regionale Identität vorgeschrieben wurde, löste sich unkontrollierbar und flächendeckend auf. So steht das finnische Holz-Blockhaus neben der Villa mit Künstlersäulen, das Fertighaus im amerikanischen Südstaaten-Stil neben dem neorationalistischen Architektenentwurf.

Die sechste Epoche: Die Jahrtausendwende

Fertighäuser, Reihenhäuser, Passivhäuser, Landschaftspflege und Gestaltung

Die Phänomene der 1990er-Jahre wirken ungebrochen in die Jahrtausendwende hinein. Das heißt, dass angesichts des verfügbaren Baulandes die Einfamilienhauswelle auch in den nächsten Jahren weiterrollen wird. Gerade in den urbanen Randbezirken verdichtete sich die Besiedlung enorm. Aufgrund der hohen Grundstückspreise trat auch in den 1990ern die Wohnform „Reihenhaus“ auf. Von Bauträgern errichtet, ist das Reihenhaus eine relativ günstige Alternative zwischen Wohnung und frei stehendem Haus. Auch die Errichtung von Doppelhäusern wird von öffentlicher Hand gefördert.

Prägend für die heutige Zeit ist aber auch der Boom des ökologischen Bauens. Niedrigenergiehäuser, geölte Holzböden, atmungsaktiver Vollwärmeschutz usw. sind jedoch Elemente, die den finanzkräftigeren Häuselbauern vorbehalten bleiben. Der Fertighausmarkt ist freilich nicht mehr mit dem der 1980er-Jahre vergleichbar, er bietet viele individuelle Planungsalternativen an, doch hat auch hier Qualität ihren Preis.[3749]

Wie geht es weiter?

Ist im 3. Jahrtausend das Einfamilienhaus bereits Geschichte? Tatsächlich stagniert der Neubau-Markt. Zum einen wohnt bereits die Hälfte der Österreicher im Eigenheim und wird dieses an die Nachkommen vererben. Zum anderen droht die öffentliche Hand die Förderungsmittel zu kürzen, während gleichzeitig die Baukosten und vor allem die Grundstückskosten steigen. Letztere in jenen Regionen, die sich durch wirtschaftliche Dynamik auszeichnen. Wenn die Höhe der Rückzahlungsraten ansteigt und daher entsprechend hohe Haushaltseinkommen über den Rückzahlungszeitraum gehalten werden müssen, kann auch eine vorübergehende Arbeitslosigkeit unmittelbar in die Zahlungsunfähigkeit führen. 40 % der Ehen zerbrechen nach einer Halbwertszeit von 11,5 Jahren. Die Risiken eines Scheiterns der Realisierung des Traumes „Eigenheim“ nehmen zu. Parallel dazu scheint sich in zunehmendem Maße ein Secondhand-Markt für Einfamilienhäuser zu bilden: Vererbte Objekte aus den 1950er-Jahren werden schon seit geraumer Zeit zum Kauf angeboten, jene aus den 1960er- und 1970er-Jahren werden folgen. Aber auch gerade erst fertig gestellte Neubauten und Rohbauten von Familien, die es nicht geschafft haben, wollen nun von anderen bewohnt werden.

Zudem lassen sich die verloren gegangenen handwerklichen Fertigkeiten und der Boom der Fertighausindustrie, ebenso wie ein anderes Freizeitverständnis als Indizien dafür interpretieren, dass sich der Österreicher sein „Häusel“ in Zukunft eher nicht mehr selber bauen wird.

Aber allen klugen Thesen zum Trotz werden in Österreich weiter Einfamilienhäuser gebaut und die Wohnzufriedenheit im Eigenheim wird von allen Wohnformen die höchste bleiben. Das touristische Kapital der verbleibenden Natur wird in Nationalparks und touristisch optimierte Nutzflächen segmentiert sein und im so genannten unbeobachteten freien Umland der Städte, das einen Radius von ca. 50 km rund um jedes Nebenzentrum umfasst, wird sich die Besiedlung verdichten. Zwei Themen sind absehbar: Eine großräumige Landschaftsplanung wird die ehemals agrarischen Flächen dieser Regionen kulturell neu definieren und es werden dort neue, thematisch gebundene Siedlungskörper entstehen. Siedlungen mit frei stehenden Einfamilienhäusern auf minimierten Grundstücken, nach einem verbindlichen Gestaltungsmodell geplant, zielgenau für eine Zielgruppe vermarktet, um zumindest kleinräumliche Identitäten zu realisieren.[3750]



[3728] Vgl. Pöttler, Viktor Herbert: Alte Volksarchitektur. Graz 1984.

[3729] Vgl. Moser, Oskar: Das Pfettenstuhldach. (= Veröffentlichungen des Österreichischen Museums für Volkskunde in Wien, Bd. 17). Wien 1976.

[3730] Instruktion, wie in Sachen der Bauökonomie jene Beamte oder auch andere Individuen sich zu verhalten haben, denne Bauführung selbst, oder auch nur die Inspection dabey anvertraut und aufgetragen wird. 1788; SLA (Salzburger Landesarchiv): Kreisamt Fasz. 143/1.

[3731] Zauner, Judas Thaddäus: Auszug der wichtigsten hochfürstlichen Salzburgischen Landesgesetze zum gemein-nützigen Gebrauch nach alphabetischer Ordnung. Zweyter Band. Salzburg 1787: SLA (Salzburger Landesarchiv): IV A b 4/2.

[3732] Allgemeine Verordnung in Bausachen der Unterthanen. 1795, S. 14; SLA (Salzburger Landesarchiv): HB C 02262/1.

[3733] Helminger, Gerhard: Die Salzburger Ziegelindustrie. Dipl. Arb. Innsbruck 1972.

[3734] Allgemeine Verordnung in Bausachen der Unterthanen. 1795, S. 16; SLA (Salzburger Landesarchiv): HB C 02262/1.

[3735] Instruktion, wie in Sachen der Bauökonomie jene Beamte oder auch andere Individuen sich zu verhalten haben, denne Bauführung selbst, oder auch nur die Inspection dabey anvertraut und aufgetragen wird. 1788; SLA (Salzburger Landesarchiv): Kreisamt Fasz. 143/1.

[3736] Allgemeine Verordnung in Bausachen der Unterthanen. 1795, S. 14; SLA (Salzburger Landesarchiv): HB C 02262/1.

[3737] Vgl. Werner, Paul: Der Hof des Salzburger Flachgaues. (= Arbeitsheft 47 des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege). München 1992. – Vgl. Gaurek, Monika: Das Mesnerhaus aus Bergheim. Eine kulturhistorische Untersuchung über ein Haus und seine Bewohner. Großgmain 1996.

[3738] Vgl. Dworsky, Alfons: Entwicklung und Typologie der Salzburger Bauerngehöfte. Diss. Wien 1984, S. 73.

[3739] Werner, Paul: Der Hof des Salzburger Flachgaues. München 1992, S. 24.

[3740] Stötzer, Angelika: Die Schlackenputzhäuser, eine kulturgeschichtliche Besonderheit des Salzburger Flachgaues. Dipl. Arb. Graz 2004.

[3741] Adrian, Karl: Von Salzburger Sitt’ und Brauch. Wien 1924, S. 180–183.

[3742] Nach einer maschinschriftlichen Aufzeichnung von Richard Wolfram, im Archiv des Salzburger Freilichtmuseums.

[3743] Hell, Martin: Alter Schutz- und Segensbrauch. Bauopfer im salzburgischen Flachgau. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde. Bd. 104. Salzburg 1964, S. 301ff.

[3744] Wolfram, Richard: Heim und Hausbau im Volksbrauch. Sonderdruck aus der Zeitschrift „Das Wüstenroter Eigenheim, o. J., S. 24.

[3745] Vgl. Ehmer, Josef; Michael Mitterauer: Familienstruktur und Arbeitsorganisation in ländlichen Gesellschaften. Wien 1986.

[3746] Vgl. Amann, Wolfgang; Michael Zinganel (Hg.): Wir Häuslbauer. Bauen in Österreich. (= Ausstellungskatalog: „Wir Häuslbauer – Bauen in Österreich“ – im Architektur-Zentrum Wien, 9. Juni–3. August 1998).

[3747] Gauß, Karl-Markus: Die sterbenden Europäer. München 2003.

[3748] Amann, Wolfgang; Michael Zinganel (Hg.): Wir Häuslbauer. Bauen in Österreich. (= Ausstellungskatalog: „Wir Häuslbauer – Bauen in Österreich“ – im Architektur-Zentrum Wien, 9. Juni–3. August 1998). S. 40ff. In Architekturbeiräten und Podiumsdiskussionen kam von Seiten der Architekten vielfach zur Sprache, dass mit Ortsbildaktionen und Bauvorschriften Bürgermeister und Bildungswerke – also Laien – oberste Instanz der Baubehörde waren (und auch heute noch sind) und Österreich ein „besonderes Image“ ländlichen Bauens mit geschmacks(ver-)bildender Nachhaltigkeit einprägten.

[3749] Vgl. Moser, Winfried; Dieter Reichel: Was ist schön am Eigenheim? Ein Lebensstilkonzept des Wohnens. (= Berichte aus Energie und Umweltforschung, Nr. 17/2002). Graz 2002.

[3750] Amann, Wolfgang; Michael Zinganel (Hg.): Wir Häuslbauer. Bauen in Österreich. (= Ausstellungskatalog: „Wir Häuslbauer – Bauen in Österreich“ – im Architektur-Zentrum Wien, 9. Juni–3. August 1998), S. 23.

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