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Geburt und Tod (Franz Zillner)

Kommentar von Ulrike Kammerhofer-Aggermann

Dr. Franz Valentin Zillner (1816–1896)[5073]

Dr. Franz Valentin Zillner wurde am 14. Februar 1816 in der Salzburger Griesgasse als Sohn des Zimmermanns und Maschinenbauers Johann Anton Zillner und der Innviertler Bäckerstochter Ursula, geborene Lengauer, geboren. Er wuchs in Hallein im Kleuzhaus (Trockenboden für Fassdauben) auf, da sein Vater Baubeamter der Saline Hallein wurde. Ab dem 11. Lebensjahr besuchte er in Salzburg das Gymnasium, wohnte nach dem Tode des Vaters (1830) in der Döllerergasse und unterstützte die Mutter als Privatlehrer. 1932 erhielt er einen Freiplatz im Rupertinum und besuchte danach das „Lyceum“. Durch den Vater und seine Lehrer wurde er im Geiste der Aufklärung erzogen. Ab 1838 studierte er in Wien Medizin, hörte Vorlesungen aller Fakultäten und wirkte ab 1844 am St.-Johanns-Spital in Salzburg als Arzt. 1848 erhielt er die Stelle des Irren- und Leprosenhausarztes und heiratete die Wiener Arzttochter Emilie Pohl (gestorben 1879), mit der er drei Kinder hatte: die als Kind verstorbene Emilie, Anna, die musikalisch tätig war, und Eduard, der als Gerichtsarzt in Wien wirkte (gestorben 1886).

Als Arzt reformierte er viel und war auch als Lehrer und Prüfungskommissär der chirurgischen Lehranstalt tätig. In den Kriegsjahren 1859 und 1866 leitete er interimistisch auch andere Spitäler und erhielt dafür das goldene Verdienstkreuz. Ab 1870 war er Vorstand des Salzburger Sanitätsrates. Lange Zeit lebte er wieder in der Griesgasse, danach im Waisenhaus. Mit seiner Pensionierung 1893 (im 77. Lebensjahr!) übersiedelte er in die Arenbergstraße.

Geschichte und Modernisierung

Die 1848er-Revolution beflügelte auch Salzburg und Zillner wurde Gemeinderat (bis 1858) und „Oberlieutenant“ des „Studentencorps“; gleichzeitig wurden die liberale und intellektuelle „Salzburger Zeitung“ und der „Liberale Club“ gegründet, in denen Zillner schriftstellerisch und heimatkundlich wirkte. Seine Aufsätze und Monografien sind zahlreich.[5074]

1860 gründete er mit anderen die „Gesellschaft für Salzburger Landeskunde“ (GSLK, Versammlungen ab 1856)[5075]. Er arbeitete ihre Statuten aus, hatte den Plan zu den „Mitteilungen (der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde)“ (MGSLK) und wirkte als Vorstand wie in anderen Funktionen (1871 Ehrenmitglied). Seine zahlreichen Arbeiten in den MGSLK zur Geschichte und Landeskunde sind, wenn sie auch stellenweise den Laien zeigen, für ihre Zeit bedeutsam.

Für die Volkskunde als Quelle bedeutungsvoll, ist sein Beitrag „Volkscharakter, Trachten, Bräuche, Sitten und Sagen, Ortsanlagen und Wohnungen in Salzburg“ im so genannten „Kronprinzenwerk“ (umfangreiches Sammelwerk, herausgegeben in Einzelbänden ab 1886), in welchem er im Vergleich sowohl den Stand vor 1848 als auch die auf das Revolutionsjahr folgenden Veränderungen festhielt. Auch im nachstehenden Beitrag kommt sein klarer, unpathetischer Blickpunkt der Aufklärung deutlich zum Ausdruck[5076]. So finden wir bei Zillner eine beschreibende Schilderung des Vorgefundenen, die sich nicht in mythischen Vergangenheits-Sehnsüchten versteigt, sondern das Vorgefundene als eine mögliche Lebensweise darstellt. Der erhobene Zeigefinger des aufgeklärten Intellektuellen und das damit verbundene Bedürfnis zu reformieren, finden sich darin allerdings vielfach.

Weiters war Zillner Mitglied der „Akademie der Naturforscher in Halle an der Saale“ und korrespondierendes Mitglied der „k.k. statistischen Central-Commission“ in Wien sowie weiterer Gesellschaften. Das entsprach den damaligen Gewohnheiten Intellektueller und zeigt, dass auch in Salzburg das Bedürfnis nach Forschung und internationaler Verschränkung groß war.

Zillner erlebte den großen Aufschwung Salzburgs mit. Die Salzachregulierung, den Fall der Mauern, die Gasbeleuchtung der Altstadt, die Eisenbahn, die Anlage der Gehsteige wie einer modernen Wasserleitung (Fürstenbrunn 1875) und Kanalisation (die er aus hygienischen Gründen gefordert hatte[5077]) etc.

Er war in jeder Hinsicht das Musterbild des aufgeklärten, neuen intellektuellen Bürgers seiner Zeit: wissbegierig und gebildet, in Bescheidenheit für das Gemeinwohl und dessen Kultur tätig, ohne eigene Ansprüche.

Franz Zillner schildert vielfach den Umschwung in Bräuchen, Sitten und Trachten, der sich zwischen 1848 und dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts vollzogen hat. In seinen Darstellungen mischen sich die Sehnsüchte nach der Pittoreske mit den Anliegen der Ethnografen, die „nationalen Besonderheiten“ einer Region darzustellen und nach deren Wurzeln im „naiven Denken“ der „einfachen Volksmenschen“ zu suchen. Daher zeichnet er besonders die Bräuche „im Gebirge“ auf und stellt sie phänomenologisch nebeneinander. Zillner, der als Sohn eines Dürrnberger Bergarbeiters geboren worden war, sieht vielfach, aber auch kritisch sowohl auf die ländlichen wie städtischen Lebenswelten.

Auch das große Sammelwerk „Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild“ hatte ja das Anliegen, eine ethno-, sozio- und geografische Darstellung der 12 Völker und Sprachnationen der Monarchie und deren besonderer kultureller Leistungen zu sein. Besonders angeregt durch Kronprinz Rudolf von Habsburg und schließlich unter der Patronanz seiner Frau bzw. Witwe herausgegeben, wird es als „Kronprinzenwerk“ bezeichnet.

Franz Zillner: Geburt und Tod[5078]

„Volksbräuche und Sitten. – Die drei Marksteine des Lebens, Geburt, Hochzeit und Tod, der Wechsel der Jahreszeiten und die Feste des Kirchenjahres rufen in jeder Bevölkerung ähnliche, aber auch eigenthümliche Gebräuche hervor.

Der Gevatter wird gewöhnlich für alle nach einander erscheinenden Kinder gewählt, nur wenn mehrere bereits gestorben sind, ist ohne grobe Verletzung der Sitte die Wahl eines andern gestattet. Derselbe gibt dem Taufkinde, seinem ‚Göten‘, die Gevatterin der ‚Goten‘, welche Worte auch im umgekehrten Sinne gebraucht werden, nach der Taufe, etwa beim ‚Kindlmahle‘ ein Geschenk, welches häufig aus zwei Hemden, eines etwa für den sechsjährigen, ein anderes für den erwachsenen Göten, besteht. Dieselben werden zusammengelegt, mit einem rothen ‚Bindbande‘ umwunden und eine alte große Silbermünze als Taufpfennig hineingesteckt. Man nennt davon auch später Namenstags= oder Geburtstagsgeschenke Bindbänder. Der Gevatter steht zu den Gevattersleuten fortan in dem Verhältnisse eines Freundes, eines geehrten Rathgebers, zu seinen Götenkindern als eines lieben Schenkers von Ostereiern, Birnen, Äpfeln bei Glückwunschbesuchen, der auch mitunter an den weiteren Schicksalen seiner Taufkinder in Abgang der Eltern thätigen Antheil nimmt. Oft gehört es auch zu den Anstandspflichten eines Gevatters, seinem Göten ein oder zwei Kleidungsstücke, Rock und Hose, beim Anfang oder Ende des Schulgehens machen zu lassen. Doch kommt diese Sitte bereits außer Gebrauch und auch der silberne ‚Gotenlöffel‘ kommt nicht mehr allgemein vor.

Etwa acht Tage nach der Geburt gehen die Gevattersleute und Verwandten zur Wöchnerin ‚ins Weisat‘. Sie ziehen den Sonntagsstaat an und machen Besuch unter Darreichung von Geschenken: Weißbrod, Wein, Zucker, Kaffee, Eier, Butter und dergleichen. Die Besuchenden werden auch bewirtet und die Basen und Gevatterinnen entwickeln dabei ihre Kenntnisse und Rathschläge für die Kinderpflege und das Wochenbett. Es gilt fast als allgemeine Regel, daß die Wöchnerin vor vierzehn Tagen nicht aus dem Zimmer gehen, vor sechs Wochen sich nicht außer dem Hause blicken lassen soll. Die Kinder kommen in Salzburg aus dem Untersberg, werden von Bäuerinnen vom Gaisberg, in Hallein von dem benachbarten ‚Banholze‘ hergebracht. Die Ankunft eines neuen Erden= und künftigen Stadtbürgers wurde noch nach unserem Gedenken zu Hallein vom Rathhausthurme mittelst Trompetenfanfaren nach allen vier Weltgegenden verkündet. Da traten noch die ‚Stadtthürmer‘ mit ihrem Meister, die auch die Kirchenmusik besorgten und anderwärts Stadtmusikanten hießen, in Verwendung. Auch der Rathhausthurm zu Salzburg, wo es gleichfalls einen ‚Thürmermeister‘ und ‚Thürmergesellen‘ gab, ist gleich dem zu Hallein mit einer Galerie für derlei Ständchen eingerichtet, die bei festlichen Gelegenheiten dargebracht wurden.

Die Heiraten sind weit weniger Herzensangelegenheit als Geschäftssache und man macht daraus auch kein Hehl, wie dies in der Stadt oft geschieht. Man hört wohl die Anfrage: zweitausend Gulden brauch’ ich, weißt du mir keine? – die der Heiratslustige an einen in solchen Dingen Erfahrenen stellt. Man geht ‚auf die B’schau‘, sucht die Vermögensverhältnisse zu erkunden, und lauten die eingezogenen Nachrichten befriedigend, so wird ein etwa vorher bestandenes Liebesverhältniß stillschweigend oder durch Ablehnung des gemeinsamen Trunkes von Kaffee oder Schnaps im Wirthshause aufgelöst und es beginnt die Vermittlung der ‚Beiständer‘, das heißt der beiderseitigen Verwandten über die Geldfragen. Die Verhandlungen sind nicht immer leicht, und werden sie abgebrochen, so ist auf einer oder der anderen Seite nicht selten lange dauernde Kränkung die Folge. Im günstigen Falle geht nun der Freier ins Haus der Braut und ‚verehrt‘ ihr mehrere Geldstücke als ‚D’rangeld‘ oder ‚Hà‘, worauf beide mitsammen aus einer Schüssel essen, – Gebräuche, die aus ältester Zeit herzurühren scheinen. Die etwa erfolgende Rücksendung dieses D’rangeldes (Arrhà) gilt als größte Schmach und hebt Alles auf.“ (Seite 433–435)

„Sehr alterthümlich, aber dem Verschwinden nahe ist der Traueranzug der Weibsleute im Gebirge. Hohe Spitzhüte, darunter eine weiße Haube. Vom Haupt bis zu den Knien hüllt ein weißes Leintuch, unter dem Kinn zusammengeheftet, die Gestalt ein, darunter ragt der schwarze Kittel mit dem schwarzen ‚Fürtuch‘ (Schürze) hinab und sieht man die weißen Strümpfe und niederen Schuhe. Die ‚Halbklage‘ oder mindere Trauer gestattet den schwarzen Hut, weißen Halskragen, eine weiße über der schwarzen Schürze und ein vom Haarbund nach rückwärts hinabhängendes weißes Tuch; der ‚Kittel‘ und das ‚Röckel‘ (Spenser) sind schwarz. Gewöhnlich ‚wachen‘ Verwandte und Angehörige bei der Leiche mehrere Stunden, beten den Rosenkranz und tragen auch – Nachbarsmänner den Mann, Jungfrauen die Jungfrau zu Grabe, wenn nicht die weite Entfernung vom Kirchorte die Todtenfuhr nöthig macht. In manchen Gegenden, um Kuchl, Oberndorf, im Pinzgau, führten nach uralter Sitte eigene Todtenwege von den Einzelnhöfen auf die Straßen; man sieht noch die Stellen am Zaun, der zu diesem Behufe eröffnet werden durfte, alte Männer weisen noch die Todtenrasten bei Feldkreuzen oder Kapellen. Das Landrecht (Taiding) des Pfleggerichtes Thalgau befahl ‚Gangsteig und Todtenweg zu bessern‘ (in Stand zu halten). In schneereichen, strengen Wintern kann es sich ereignen, daß man Leichen auf entlegenen Berggehöften ‚auffrieren‘ läßt, bis ausgetretene Pfade ihren Transport auf den Kirchhof ermöglichen. Die an verschiedenen Orten neben den Gangsteigen niedergelegten, wohl auch an Häusern befestigten ‚Todtenbretter‘ mit den Anfangsbuchstaben des Verstorbenen und der Jahreszahl laden zum frommen Andenken an die Verstorbenen ein. Die ‚Todtensuppe‘ oder das Todtenmahl, manchen Auswärtigen ein Gegenstand des Tadels, rechtfertigt sich selbst durch die Nothwendigkeit, die oft aus weiter Ferne zur Leichenfeier beschickten Verwandten nicht ungespeist zu verabschieden. Die Inschriften der Kirchhofdenkmäler, mitunter höchst eigenthümlich, sowie die Grabdenkmäler der Hauptstadt sind längst Gegenstände der Anekdotenjagd oder kunstverständiger Beschreibung geworden.“ (Seite 439f)



[5073] Die Darstellung Zillners wurde weitgehend übernommen aus: Widman, Hans: Dr. Franz Valentin Zillner (1816–1896). Ein Lebensbild (Mit einem Porträte). In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde (MGSLK). Jg. 37. 1897, H. 2, S. I.–XXIII. – Parte. In: MGSLK. Jg. 37. 1897, H. 1, S. I.

[5074] U. a. Salzburgische Kulturgeschichte in Umrissen. Salzburg 1871. – Studien zu berühmten Salzburger Geschlechtern, alle in MGSLK (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde). – Geschichte der Stadt Salzburg. 2 Bände 1885 und 1890, darin die Topographie und Häuserchronik. Salzburg 1. Band 1885 und 2. Band 1890.

[5075] Zillner, Franz: In: MGSLK (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde) 1893.

[5076] Zillner, Franz: Zur Volkskunde: Volkscharakter, Trachten, Bräuche, Sitten und Sagen. In: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild. Band Oberösterreich und Salzburg. Wien 1889, S. 425–460.

[5077] Zillner, Franz: Der Typhus im Herbste und Winter 1862–1863 in Hallein. In: MGSLK (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde). 1863. – ders.: Über den Einfluss der Witterung auf die Entstehung gastrischer Krankheiten ... In: MGSLK (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde). 1866. – ders.: Über den für die Stadtgemeinde nöthigen Friedhofsraum. In: MGSLK (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde). 1863 u. a.

[5078] Zillner, Franz: Zur Volkskunde: Volkscharakter, Trachten, Bräuche, Sitten und Sagen. In: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild. Oberösterreich und Salzburg (zum Teil Salzburg) Wien 1889, S. 433–435 und S. 439–440.

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