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Kapitel 8. Wallfahrten und Prozessionen - Langtexte

Inhaltsverzeichnis

8.1. Patrozinien und Heiligenverehrung (Walter Pötzl) - Langtext
8.2. Wir ziehen zum Haus der Gnade. Theologische Überlegungen zur Wallfahrt (Johannes Neuhardt) - Langtext
8.3. Ich hab' wunderbare Hilf erlangt. Das Wallfahrtswesen von der Barockzeit bis zur Gegenwart (Walter Pötzl) - Langtext
8.4. Zwischen Vielfalt und Beliebigkeit. Handlungs- und Erlebnisspielräume gegenwärtiger Wallfahrten (Helmut Eberhart/Gabriele Ponisch) - Langtext
8.5. Von solennische Umgängen und Kirchfahrten, dergleichen vorher noch nie gesehen. Prozessionen zur Marcus-Sitticus-Zeit (Werner Rainer) - Langtext
8.6. Colloredo-Verbote. Kirchliche Reformpolitik am Beispiel Salzburgs Ende des 18. Jahrhunderts (Alfred Stefan Weiß) - Langtext
8.7. Volksfrömmigkeit und Zeitgeist im 18. Jahrhundert (Ulrike Kammerhofer-Aggermann) - Langtext
8.8. Wetterschießen und Wetterläuten (Andrea Weiß) - Langtext
8.9. Bruderschaften in Tamsweg (Anton Heitzmann) - Langtext
8.10. Semana Santa in Andalusien. Düsterer Prunk im Gedenken an das Leiden Jesu (Günther Jontes) - Langtext
8.11. Musik und Wallfahrt im Erzbistum Salzburg (Ernst Hintermaier) - Langtext
8.12. Andachtsgegenstände. Von der Reliquie zum Eing'richtkastel (Ulrike Kammerhofer-Aggermann) - Langtext
8.13. Die Entwicklung der Fronleichnamsprozession (Ulrike Kammerhofer-Aggermann) - Langtext
8.14. Fronleichnam und Erstkommunion heute (Gerlinde Katzinger) - Langtext
8.15. Die Votivbilder von Maria Plain bei Salzburg (Adolf Hahnl) - Langtext
8.16. Wallfahrten und Frömmigkeit der Dürrnberger (Johann F. Schatteiner) - Langtext
8.17. Die Bartholomä-Wallfhart (Franz Schned) - Langtext
8.18. Die Wallfahrt zu Sankt Leonhard (Anton Heitzmann) - Langtext
8.19. Die Wallfahrt nach Maria Kirchental (Ingrid Loimer-Rumerstorfer) - Langtext
8.20. Zur Geschichte der „Lamplwallfahrt”. Von der Siezenheimer Kreuztracht zum Lieferinger Bittgang (Willi Sauberer) - Langtext
8.21. Pongauer Prangstangen (Ernestine Hutter) - Langtext
8.22. „Samson” im Volks-Gebrauch. Deutungsmuster eines regionalen Brauches im Wandel (Klaus Beitl) - Langtext
8.23. Reiterfeste und Umritte (Andrea Egger-Rainer) - Langtext
8.24. Die Jakobischützen in St. Jakob am Thurn (Ulrike Kammerhofer-Aggermann) - Langtext

8.1. Patrozinien und Heiligenverehrung (Walter Pötzl) - Langtext

Weit stärker als in Deutschland treten in Österreich Heiligennamen als Ortsnamen auf. Sie veranschaulichen noch heute, welche Bedeutung (einst) den Kirchenpatronen zukam. Patrozinien darf man nicht schematisch abhandeln und es geht immer darum zu berücksichtigen, dass die einzelnen Heiligen ihre eigene Kultgeschichte haben.[1101] Diese aber äußert sich nicht nur in den Patrozinien. Um aber die Patrozinien richtig bewerten zu können, gilt es daher, auch andere Kultzeugnisse heranzuziehen.[1102]

8.1.1. Das breite Spektrum der Kultzeugnisse

Wie stark ein Kult an einem Ort, in einer Region ausgeprägt war, lässt sich am besten ermitteln, wenn man verschiedenartige Kultzeugnisse heranziehen kann.

Den wichtigsten Einstieg vermitteln Kalendare[1103] (= Kalender, in welche die Tage jener Heiligen eingetragen sind, die liturgisch gefeiert wurden). Dabei gilt es schon beim einfachen Eintrag darauf zu achten, ob der Heilige zum alten Allgemeinbestand gehört, wie er in den Gregorianischen oder den Gelasianischen Sakramentaren vertreten ist, oder ob er über diese alte Tradition hinaus infolge lokaler Verehrung eingefügt wurde.[1104] In letzterem Fall erst gewinnt der Eintrag Bedeutung. Mit roter Tinte oder in Kapitalis trugen die Schreiber jene Tage ein, die als Fest begangen wurden; in anderen Kalendaren erkennt man den Festcharakter an der Anzahl der angegebenen Lektionen. Eine Steigerung erfährt der Festcharakter durch Vigil und Oktav oder durch weitere Sonderfeste des Heiligen wie Inventio und Translatio.

Vom Kalender leiten sich die Datierungen nach Heiligentagen her, die sich im hohen Mittelalter allmählich durchgesetzt haben. „Man nahm allgemein nur solche Heiligen- oder Festtage, die entweder allgemein kirchliche oder zumindest regionale Bedeutung hatten.”[1105] Der Datierungskreis der Wochentage vor und nach dem Heiligenfest hängt auch von konkurrierenden Heiligen ab. Der Datierungskreis des Vitustages (15. Juni) z.B. erstreckt sich im Bistum Bamberg vom 8. bis zum 20. Juni, weil es „der einzige für Bamberg wirklich wichtige Feiertag” war.[1106]

Eine noch stärkere Bedeutung eines Heiligen leuchtet auf, wenn sein Tag als Termin für Abgaben und Leistungen galt. Als z. B. Bischof Hermann II. von Bamberg zwischen 1170 und 1177 das von seinen Vorgängern Otto I. und Eberhard erlassene bzw. erneuerte Bamberger Hofrecht für Osterhofen, Ering und Asbach bestätigte, galten folgende Abgabetermine: „in festo S. Michaelis: frumentum, in festo S. Martini: porci, in epiphania: porci maiores, in purificatione S. Mariae: cervisia, in festo S. Georgii: oves.”[1107] An solchen Terminen zeigt sich, welche Bedeutung der Tag eines Heiligen auch im Wirtschaftsleben gewinnen konnte.

Mit dem Kalendar lässt sich die Allerheiligenlitanei insofern vergleichen, als man zwischen dem Allgemeinbestand (Apostel, römische Heilige) und jenen Heiligen unterscheiden muss, die infolge lokaler oder regionaler Verehrung angerufen wurden. Der unterschiedliche Umfang überlieferter Litaneien ergibt sich meist aus den verschiedenen Anlässen, zu denen die jeweilige Litanei gebetet wird. Kalendare leiten oft Handschriften ein, in denen die Messformulare für die einzelnen Tage zu finden sind. Dabei gilt es darauf zu achten, ob ein Heiliger mit einem eigenen Formular vertreten ist, oder ob er nur kommemoriert wurde.

Der mit einem eigenen Messformular vertretene Heilige korrespondiert mit dem Festeintrag im Kalendar und mit der Predigt.[1108] Ob allerdings eine Durchsicht der zahlreichen Sermones de sanctis (Heiligenpredigt) gegenüber der Auswertung der Kalendare weitere Erkenntnisse bringen kann, mag dahingestellt bleiben. Die durchschnittliche mittelalterliche Heiligenpredigt, wie sie sich in Musterpredigtsammlungen darstellt, wollte vornehmlich hagiographisches Wissen vermitteln.[1109]

Besonders in den Klöstern besorgte man sich zu den verehrten Heiligen Vita oder Legende, um sie am betreffenden Tag vorzulesen. Dabei konnte die Beeinflussung Kult – Hagiographie in beiden Richtungen erfolgen, sei es, dass man sich von den in Reliquienverzeichnis, Kalendar oder Litanei genannten Heiligen eine Vita besorgte oder dass man einen Heiligen, dessen Vita man in einer Sammelhandschrift besaß, ins Kalendar und in die Litanei aufnahm.[1110] Die in der Regel umfangreichere Vita in einem Einzelcodex wird man in ihrer Bedeutung für den Kult etwas höher veranschlagen dürfen als die Vita in einem Sammelband, der viele Heiligenleben enthält. An viele Vitae schließen sich Berichte über die Auffindung (Inventio), Erhebung (Elevatio) und Übertragung (Translatio) der Gebeine des Heiligen an.[1111] Diese Ereignisse wurden mitunter zudem in den Kalendaren vermerkt, da ihnen auch sonst große Beachtung geschenkt wurde.

Von besonderer Bedeutung für die Kultgeschichte sind die Weihenotizen (Urkunden, Inschriften und Tafeln, Berichte in Annalen und Chroniken), überliefern sie doch Jahr und Tag, Objekt (Kirche bzw. Kloster, Kapelle oder Altar) und dessen Patrozinien, oft auch die eingeschlossenen Reliquien und die Konsekratoren.[1112] Sehr oft wurden Dedicationes auch in Kalendare eingetragen.

Eine Dedicationsnotiz legt ein Patrozinium zeitlich fest, während sonst die Patrozinien insbesondere der Kirchen auf dem Land oft spät bezeugt werden, obwohl die Kirche selbst, insbesondere durch die Inkorporationsurkunden, seit Jahrhunderten urkundlich belegt ist. In den Dörfern, in denen sich in der Regel nur eine Kirche befand, bestand im Gegensatz zu den größeren Siedlungen keine Notwendigkeit zur Differenzierung durch die Nennung des Patroziniums. Die Patrozinienkunde, um die es seit 1970 sehr ruhig [ruhig im Sinne wissenschaftlicher Beschäftigung] geworden ist, darf die Weihetitel nicht isoliert behandeln, sondern muss sie in die übrigen Kultzeugnisse, aber auch in die Siedlungs- und Herrschaftsgeschichte einbetten.[1113] Die Bedeutung eines Patroziniums hängt zunächst einmal von der Art des Sakralbaus (Kathedrale, Pfarr- oder Filialkirche, Kloster- oder Wallfahrtskirche, Kapelle) bzw. des Altars (Haupt-, Seiten- oder Nebenaltar) ab, dann aber auch davon, ob ein Heiliger allein ein Patrozinium hält oder ob er es mit anderen teilen muss.

Patrozinien sind aufs engste mit den Reliquien verbunden. An erster Stelle stehen dabei die Gräber der Heiligen. „Ubi martyr Florianus requiescit” entstanden Stift und Markt St. Florian. In Salzburg fanden manche ihre Grablegen in den von ihnen gegründeten und geförderten Kirchen: Die Gebeine des heiligen Rupert wurden 774 zur Domweihe aus Worms transferiert und er stieg zum zweiten Patron der Kathedrale auf. Am 1181 dort aufgefundenen Grab des heiligen Virgil entwickelte sich ein Kult. Auf dem Nonnberg wurde das Grab der heiligen Erentrud verehrt und in St. Peter das Grab des heiligen Vitalis. Im Laufe der Zeit kamen in den Kirchen weitere Heiligengräber dazu, doch beeinflussten sie nicht das Patrozinium der Kirchen.[1114]

Die meisten Reliquienverzeichnisse haben sich offensichtlich in den Weihenotizen erhalten, doch gibt es auch isolierte Verzeichnisse.[1115] Reliquien wurden nicht nur in den Sepulkren der Altäre, sondern auch in den verschiedenartigsten Behältnissen, in Kreuzen und Kreuzfüßen und in Statuen deponiert.[1116] Schließlich entwickelten sich die redenden Reliquiare, deren Form auf die verwahrte Reliquie oder auf das Attribut der Heiligen verwies. Besaß eine Kirche eines oder mehrere solcher Reliquiare oder gar den Corpus eines Heiligen, so zeichnete sie sich vor den Nachbarkirchen aus und es entwickelte sich nicht selten eine Wallfahrt.[1117] Reliquien bestimmten Patrozinien und insbesondere die Klöster drückten die Zugehörigkeit der von ihnen gegründeten oder ihnen inkorporierten Landkirchen dadurch aus, dass sie ihren Heiligen als Patron durchsetzten.[1118] Patrozinien (und Reliquien) bestimmten aber auch das ikonographische Programm der Kirchen und ihrer Altäre. Sie bieten den Schlüssel zur Erklärung, warum gerade diese Heiligen in den Schreinen und auf den Altarflügeln vertreten sind. Diese Präsenz der Heiligen lud zum Gebet ein und so bezeugen Gebetbücher aus dem privaten Bereich die Akzeptanz der Heiligen.[1119]

Obwohl nur als Beschreibung des quellenmäßigen Umfeldes zur Patriozinienkunde gedacht, zeigt dieses „Spektrum der Kultzeugnisse” auch die Vielfältigkeit der Heiligenverehrung auf, die sich von der Liturgie bis ins Wirtschaftsleben erstreckt. Von den Kirchenpatronen abgesehen kamen die Heiligen als Patrone und die Patronate der Heiligen nicht zur Geltung.

8.1.2. Patrone und Patronate

Heilige schützen nicht nur die ihnen geweihten Kirchen und Klöster, als deren eigentliche Herrn sie gelten, denn an sie richten sich ausdrücklich die Schenkungen, sondern auch die Menschen, die ihren Namen tragen, Adelsgeschlechter (s. o.), Stände und Berufe, Bruderschaften, Städte, Bistümer und Länder. Erst gegen Ende des frühen Mittelalters begann man, Kinder nach Kaisern oder Heiligen zu benennen und erst gegen Ende des Mittelalters hatte sich dieser Brauch gefestigt. Bei der Wahl der Taufnamen konnten verschiedene Motive wirksam werden: Die Weitergabe der Namen der Eltern, Großeltern sowie der Taufpaten, die Verehrung des Heiligen, an dessen Gedenktag das Kind getauft wurde, bzw. des Kirchen- oder Altarpatrons sowie des Patrons einer Bruderschaft oder einer Wallfahrt in der Nähe.[1120] In der Barockzeit spielten die Katakombenheiligen oder neue, gerade aktuelle Heilige eine große Rolle.[1121] In der Namensgebung spiegelt sich auch die Kultgeschichte einzelner Heiliger wider; ist ein Heiliger allerdings einmal in einen Verwandtschaftsverband eingeführt, wird er über Generationen weitergegeben, auch wenn sich die Kultintensität längst abgeschwächt hat.

Namenspatrone sind in vielfältiger Weise gegenwärtig: Schon auf den Epitaphen des späten Mittelalters stehen sie oft hinter den knienden Stiftern und legen schützend ihre Hand auf deren Schulter, auf den Votivtafeln treten sie mitunter zum Gnadenbild, auf den Hochzeitsschränken erscheinen die Namenspatrone des Brautpaares und in den Gebetbüchern finden sich die Andachtsbildchen mit den Namenspatronen der Besitzer. Noch in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts feierten die Katholiken (nach der Umfrage des Atlas der deutschen Volkskunde) vor allem den Namenstag, doch kündigte sich in der Nähe zu protestantischen Gebieten bereits der Geburtstag an.[1122] In den letzten Jahrzehnten haben sich sowohl bei der Namensgebung wie bei der Feier des Gedenktages wesentliche Veränderungen vollzogen: Auch wenn erhabene Heiligennamen gewählt werden, spielt die Heiligenverehrung als Motiv kaum mehr eine Rolle und der Geburtstag hat fast überall den Namenstag verdrängt.

Die Franken verehrten insbesondere den heiligen Martin, das sächsische Kaiserhaus den heiligen Vitus (s. o.). Maximilian I. ließ die „Heiligen aus der Sipp-, Mag- und Schwägerschaft” des Hauses Habsburg zusammensuchen (wobei die Genealogie äußerst großzügig gehandhabt wurde) und von Leonhard Beck in Holzschnitten darstellen.[1123] Die großen Herrschergeschlechter vereinnahmten nicht nur bestimmte Heilige, ihr Interesse galt auch bestimmten Wallfahrten. Für die Habsburger war das Mariazell, für die Wittelsbacher Altötting.[1124]

Für die Städte stieg vielfach der Patron der Hauptkirche zum Patron für das Gemeinwesen auf. Als besonders mächtig begriff man seinen Schutz, wenn sein Grab in der Kirche lag oder wenn man wenigstens Reliquien von ihm verehren konnte. In politischen Auseinandersetzungen traf man eine Stadt auch dadurch, dass man ihr die Reliquien wegnahm. Aus Furcht vor Kaiser Friedrich I. hatten die Mailänder 1158 die Reliquien der Heiligen Drei Könige ins Innere der Stadt gebracht. Nach deren Eroberung schenkte sie der Kaiser Rainald von Dassel, der sie in seine Bischofsstadt Köln bringen ließ, wo sie einen mächtigen Kult begründeten, der seinen Ausdruck auch im Dreikönigsschrein fand.

Die Wegnahme der Reliquien als Strafe praktizierte dann auch Ludwig der Bayer in Herrieden. Nach der zwiespältigen Königswahl von 1314 hatte sich die Stadt auf die Seite Friedrichs von Österreich geschlagen, war im Jahre 1316 nach längerer Belagerung mit Hilfe der Nürnberger erobert und mit Ausnahme der Klosteranlage zerstört worden. Ludwig ließ das Grab des heiligen Deocar öffnen, nahm einige Reliquien für die Münchner Hofkapelle an sich und schenkte den größten Teil der Stadt Nürnberg. Der Deocarus-Altar in der Lorenzkirche erinnert noch heute daran.[1125] Als Stadtpatron aber wurde der heilige Sebald verehrt. „Nirgendwo sonst im mittelalterlichen Deutschland war der Kult eines Stadtpatrons so eng und exklusiv mit dem Selbstbewusstsein der Stadt verbunden wie der des hl. Sebald mit der Reichsstadt Nürnberg.” Darin liegt auch der Grund, warum sich die Stadt trotz der Reformation nicht von ihrem Stadtpatron trennte.[1126]

Landespatrone entsprechen der (politischen) Absicht der Herrscher, die sich in der Regel für Heilige entschieden, die dem Land eng verbunden waren. Lediglich die Wittelsbacher fallen aus dem Rahmen. Markgraf Leopold III. wurde wegen seiner kirchenpolitischen Aktivitäten, insbesondere der Stiftung von Klosterneuburg und Heiligenkreuz, bald nach seinem Tod am 15. November 1136 als „pius marchio” verehrt. Diese Vorstellung stand als Symbol für gerechte Herrschaft und prosperierendes Land. Sie wurde zunächst in Klosterneuburg entwickelt, dann aber auch von den frühen Habsburgern aufgegriffen. Sie gipfelte schließlich in der Heiligsprechung von 1485. Kaiser Leopold I. ließ schlussendlich 1663 seinen Namenspatron zum Landespatron für (Nieder-)Österreich erklären.

Im Herzogtum Bayern galt während des Mittelalters zeitweilig der heilige Emmeram als Landespatron. Herzog Albrecht IV. (1465–1508) proklamierte Nikolaus von Tolentino, Herzog Wilhelm 1580 Benno, Bischof von Meißen, dessen Gebeine vier Jahre vorher nach München überführt worden waren, Kurfürstin Henriette Adelaide 1672 Kajetan von Thiene und Karl Albrecht 1729 Johannes Nepomuk. Am stärksten im Volk verankert aber blieb Maria als Patrona Bavariae. Maximilian I. hatte 1616 die Schauseite seiner Münchner Residenz mit einer Marienstatue Krump(p)ers ausgestattet und 1636 die Mariensäule aufstellen lassen.[1127]

Als Bistumspatrone fungieren Heilige der Missions- und Frühzeit bzw. bedeutende Persönlichkeiten der Bistumsgeschichte. In Salzburg sind das die Bischöfe Rupert und Virgil, in Freising Korbinian, in Augsburg die römische Märtyrerin Afra und Bischof Ulrich (seit neuester Zeit auch Bischof Simpert). Aus dem Rahmen fällt Passau, wo der Kult der dorthin übertragenen Gebeine der Heiligen Valentin (764) und Maximilian (um 980) diese zu Bistumspatronen aufsteigen ließ.[1128]

Viele Bistumspatrone wurden auch in Bruderschaften verehrt. In der Stadt Regensburg bestanden bereits im 13. Jahrhundert acht Bruderschaften zu Ehren des heiligen Wolfgang, im Bistum Würzburg gab es sieben Bruderschaften zu Ehren des heiligen Kilian. Der Ulrichsbruderschaft in Augsburg gehörten auch Friedrich III. und Maximilian I., Erzherzog Sigmund von Österreich und Herzog Ludwig von Nieder- und Oberbayern an. Als Auswirkung der im 15. Jahrhundert wieder stärker gepflegten Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela kamen mancherorts Jakobsbruderschaften auf. Sebastiansbruderschaften gründeten in seinem Pestpatronat, konnten aber auch von seinem Schützenpatronat herrühren. Neben den zahlreichen marianischen Bruderschaften blühten gegen Ende des Mittelalters die Annabruderschaften mächtig auf.[1129]

Bruderschaften entstanden fast ausnahmslos in den Städten, erst gegen Ende des Mittelalters dringen sie vereinzelt auf das Land vor. Von daher kommt der Bruderschaft von St. Leonhard ob Tamsweg , wo sich bereits für die Jahre von etwa 1440 bis 1460 ein Bruderschaftsbuch erschließen lässt, besondere Bedeutung zu.[1130] Vor allem da, wo sich die Reformation sehr stark auswirkte, erlebte das Bruderschaftswesen mitunter ähnliche Einbrüche wie das Wallfahrtswesen, doch blühte es dann im Zeitalter der Gegenreformation und des Barock umso mächtiger wieder auf. Die Bruderschaften waren jetzt auch stärker auf dem Land zu finden, förderten den Kult an den Wallfahrtsorten und erweiterten ihren „Heiligenhimmel” beträchtlich. Bedeutung gewannen jetzt auch die Heiligen Josef (als Sterbepatron der Barockzeit) sowie besonders Antonius von Padua und Johannes Nepomuk, die eine besonders intensive Kultdynamik entwickelten. Die beiden „Zungenheiligen” werden oft zusammen präsentiert. Gegenüber dem Mittelalter, in dem von den Mitgliedern der Bruderschaften oft auch soziale Leistungen gefordert wurden, beziehen sich die Verpflichtungen jetzt vor allem auf geistliche Tätigkeiten wie bestimmte Gebetsverpflichtungen, den Gottesdienstbesuch (nach Beichte und Kommunion) an bestimmten Tagen, die Teilnahme an der Feier von Titularfest und Jahrtag. Manche Bruderschaften behalten aber solche Verpflichtungen bei wie manche Arme-Seelen-Bruderschaften oder der Lauretanische Liebesbund. Mitunter wurzeln solche Verpflichtungen auch im Patronat des Bruderschaftspatrons. So verpflichteten sich die Mitglieder der Johannes-Nepomuk- Bruderschaft, „nicht nur des Nächsten Ehr und guten Namen nicht zu verkleinern”, sondern auch „alle Ehrabschneidungen zu vermeiden” (Scherstetten, Landkreis Augsburg). Die Mitglieder der Leonhardsbruderschaft in Gabelbachergreuth (Landkreis Augsburg) verpflichteten sich nicht nur zu einem pfleglichen Umgang mit den Tieren, sondern auch dazu, armen Leuten mit dem Fuhrwerk auszuhelfen und es auch dem Pfarrer zur Verfügung zu stellen.[1131]

Mitunter waren Zunft und Bruderschaft so eng miteinander verbunden, dass sich die einzelnen Bereiche der jeweiligen Gemeinschaft nicht voneinander scheiden lassen.[1132] Mit dazu trug der Umstand bei, dass auch die Zünfte ihre speziellen Heiligen verehrten.[1133] Neben die ganz persönlichen Namenspatrone (s. o.) treten die Patrone für Gemeinschaften wie die Bruderschaften (und Zünfte). Von ihnen unterscheiden wir die Patronate der einzelnen Heiligen, d. h. ihre Zuständigkeit für bestimmte Anliegen. Woraus erwachsen derartige Patronate? Die ersten Ansätze enthalten Vita und Legende, in denen meist auch die Attribute wurzeln, die ihrerseits wieder Patronate auslösen können. Ausgewählte Beispiele sollen das verdeutlichen.

Der heilige Florian gilt als Patron gegen Feuer- und Wassergefahr, gegen Dürre und Unfruchtbarkeit der Felder. Sein Feuerpatronat hat ihm bis in die Gegenwart zu großer Popularität verholfen, die sich in vielen Hausschutzbildern und Feuerwehrfahnen ausdrückt.[1134] Das „Martyrologium Hieronymianum” als älteste Quelle notierte, dass Florian mit einem Stein um den Hals von der Brücke in die Enns gestürzt wurde. Die Martyrologien der Karolingerzeit übernehmen diese Angaben und Notker Balbulus berichtet dann um 896 auch von der Auffindung des Leichnams. Im 8./9. Jahrhundert entstand die Passio, die in einer längeren und einer kürzeren Version überliefert ist.[1135] In ihr sagt Florian zum Statthalter: „Wenn du aber wissen willst, wie wenig ich deine Foltern fürchte, dann lass einen Scheiterhaufen anzünden, und ich werde ihn im Namen meines Herrn besteigen.” Im Urteil aber bestimmte der Statthalter, man solle Florian zur Enns führen und ihn dort von der Brücke stoßen. Beim Vollzug des Urteils befestigten die Henker einen großen Stein an seinem Hals.

Von dieser Passio unterscheidet sich dann die Legende, welche von der Auffindung des Leichnams und dessen Bestattung erzählt. Die Zugtiere, welche den Leichnam transportierten, ermüdeten in der Hitze vor Durst, worauf eine Quelle entsprang. Das Wasserpatronat erklärt sich damit aus dem Martyrium, das Feuerpatronat darf man als leicht nachvollziehbare Fortentwicklung begreifen. Eigenartigerweise blieb in der Diskussion um die Gründe für das Feuerpatronat die Passage der Passio, in der Florian den Feuertod fordert (s. o.), unberücksichtigt. Erst gegen Ende des Mittelalters wird der Heilige mit einem Wasserkübel, den er über ein brennendes Haus schüttet, dargestellt.[1136] Das offensichtlich schon vorhandene Feuerpatronat fand in dieser Darstellung seinen Ausdruck. Martin Luther war aufgefallen, dass „in jüngster Zeit” neben dem heiligen Laurentius, bei dem sich das eindeutig aus dem Martyrium ergab, auch der heilige Florian in Feuersnöten angerufen wurde.

Da die Passage vom geforderten Feuertod (in der Passio) und die Fortentwicklung des Wasserpatronates zur Erklärung des Feuerpatronates nicht genügten, entstanden (wie beim Fisch-Attribut des heiligen Ulrich, s.u.) erklärende Legenden. So sollte der Heilige bereits als Kind ein Haus vor der Zerstörung durch das Feuer bewahrt und einen Köhler, der in einen brennenden Meiler gefallen war, gerettet haben. Das Wasserpatronat machten sich dann die Bierbrauer zu nutze, denn gutes Wasser bildet die Voraussetzung für gutes Bier. Der ständige Umgang mit dem Feuer und die Gefahr, der sie dabei auch ausgesetzt waren, veranlasste die Schmiede und die Seifensieder, sich den heiligen Florian zum Patron zu erwählen. Die gleichen Motive hatten die Hafner und die Kaminkehrer. Dagegen wurzelt das Standespatronat für die Binder (Schäffler, Küfer, Böttcher) im Attribut, dem Wasserschaff. Nach den Umfragen zum Österreichischen Volkskundeatlas gehört Florian auch zu den „bedeutendsten Schutzheiligen der Haustiere in Österreich”, seine „Kultlandschaft” erstreckt sich (im Hinblick auf dieses Patronat) aber nur auf die engere Umgebung von St. Florian.[1137] Als Erklärung dazu bedarf es weder des Gespannwunders noch der heilkräftigen Quelle der Legende, denn in ihren Hauptorten und Hauptgebieten können die Heiligen für alle Anliegen zuständig sein.

Der heilige Leonhard gilt als der große Viehpatron, doch war das nicht sein ursprüngliches Patronat.[1138] Der Heilige lebte wohl im 6. Jahrhundert in der Gegend von Limoges. Erst um 1030 ließ Bischof Jordanes eine Vita erstellen. Nach ihr soll der Heilige als Einsiedler (und Missionar) in Zentralfrankreich gelebt haben. Nach geleisteter Geburtshilfe bei der Königin habe ihm diese ein großes Grundstück im Wald geschenkt, wo er das Kloster Noblac gründete und bis zu seinem Tod leitete. Seine Sorge galt den Kranken und Gefangenen, deren Befreiung er anstrebte. Auf seine Fürbitte hin sollen auch nach seinem Tod viele Gefangene Befreiung erlangt haben. In einigen süddeutschen Kalendaren des 11. Jahrhunderts (wie in Strassburg und Augsburg) wurde sein Tag nachgetragen, z. T. auch noch in Kalendaren des 12. Jahrhunderts, doch ist er in dieser Zeit meist von Anfang an fest vertreten. Wenn er in den Litaneien des 12. Jahrhunderts angerufen wurde, stand er am Ende der Confessores-Reihe. Leonhardspatrozinien bereits ins frühe Mittelalter oder ins 11. Jahrhundert zu setzen, wie es im Kirchenhistorischen Atlas von Österreich (siehe Anm. 1) geschieht, lässt sich von der Kultgeschichte des Heiligen her nicht rechtfertigen.

Im Jahre 1170 wurde dem heiligen Leonhard (und dem heiligen Ägidius) die so genannte Ochsenkapelle in Kremsmünster geweiht. Im um 1220 in Zwettl entstandenen „Legendarium magnum austriacum” wird der Heilige (wie in italienischen Darstellungen des 11./12. Jahrhunderts) noch ohne Attribut gezeigt.

Zur bedeutendsten Leonhardswallfahrt in Süddeutschland entwickelte sich Inchenhofen, wo bereits für 1258 ein Mirakel aufgezeichnet wurde. Waleramnus von Naumburg schrieb eine Vita und die berühmte „Legenda aurea” erzählt sein Leben und seine Gefangenenbefreiungen. Die Texte wurden auch ins Deutsche übersetzt, Hermann von Fritzlar schrieb um 1349 eine Prosalegende und das weit verbreitete „Der Heiligen Leben” nahm die Legende auf.

Eine frühe Szenenfolge bietet das Leonhardsfenster im Regensburger Dom aus dem Jahre 1365, das auch ein Bild enthält, auf dem sich befreite Gefangene mit Ketten um den Hals St. Leonhard zu leibeigen geben. Auch der um 1400 gemalte Zyklus in St. Leonhard in Zwickenberg in Kärnten zeigt die Gefangenenbefreiung. Die „Legenda aurea” schildert: „Wieviel Wunder der Herr daselbst sonderlich an den Gefangenen durch ihn wirkte, das bezeugen die unzählbaren eisernen Ketten manchergestalt, die vor seinem Grabe sind aufgehängt”.

Die Bedeutung des Gefangenenpatronats wird verständlich, wenn man einen Blick auf das mittelalterliche Justizwesen wirft. Dazu kam die Aktualität in der Kreuzzugszeit (und später bei der Türkengefahr). Seit dem 14. Jahrhundert wird der Heilige stets mit Gefangenenketten dargestellt. Das früheste Beispiel scheint eine um 1310 geschaffene Skulptur aus dem Würzburger Dom zu sein. Die Mirakelbücher von Inchenhofen lassen den Wandel in den Patronaten des Heiligen erkennen. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts lag der Anteil der Geburtsnöte bei 5,3 v. H., [von Hundert (= %)] der Gefangenschaft bei 6,2 und der des Viehs bei 0,8. In den folgenden Jahrhunderten sank das Anliegen „Gefangenschaft” deutlich (2. Hälfte des 17. Jahrhunderts: 0,5 v. H.), während sich die Geburtsnöte im 16. Jahrhundert wohl in Auswirkung der Missernten und Hungersnöte deutlich steigerten (2. Hälfte: 13,7 v. H.). Das Viehpatronat lag in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bei 4,0 v. H., in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts bei 9,2 v. H., um dann im 17. Jahrhundert auf 30,3 bzw. 39,3 zu steigen. An den Zahlen von Inchenhofen lässt sich der Wandel des Patronats deutlich ablesen.

Auf den Titelholzschnitten der zwischen 1585 und 1606 gedruckten Mirakelbücher legt der heilige Leonhard schützend seine Hand über einen Gefangenen, der bei ihm kniet. An einer über den Thron gespannten Kette hängen u. a. eine Gefangenenkette mit Schloss, aber auch eine Pflugschar und Hufeisen. In den Titelkupfern von 1659 und 1712 spielt der Gefangene keine Rolle mehr, die Kette wird symbolisch gebraucht, was sich auch im Titel widerspiegelt („VINCULA CHARITATIS, Lieb Bänder und Ketten Glieder bzw. Liebs- und Wundervolle Gnaden-Ketten”). Das gilt auch für das große Mirakelbuch von 1752, auf dessen Titelkupfer zwei kniende Pilger den Heiligen flankieren.

Allgemein wird als Erklärung für das Viehpatronat das Kettenattribut des Heiligen angeführt. Die Kette sei dann als Viehkette gedeutet worden. Diese Erklärung erscheint nicht unproblematisch. Leonhard trägt immer eine Gefangenenkette und der bäuerliche Mensch wusste sicher um den Unterschied zur Kette, mit der man das Vieh anlegte. Unklar ist zudem, seit wann man die Kühe ankettete.[1139] Viehdarstellungen, allerdings auf den Märkten, aus der Zeit um 1500 jedenfalls lassen keine Ketten erkennen. Das Vieh war in der Regel überhaupt nicht angebunden. Im Volkacher Salbuch hält ein Bauer ein Tier an einem Halsriemen oder -seil.[1140] In den Inventaren des schwäbischen Hinterlandes von Augsburg tauchen Kuhketten erst von 1704 an auf.[1141] Wenn das Attribut „Kette” Ausgangspunkt für das Viehpatronat gewesen sein soll, dann kann die „Übertragung” erst im 17. Jahrhundert erfolgt sein, was auch zum Befund des Inchenhofener Mirakelbuches passt.

Die dem Heiligen geopferten Gefangenenketten regten dazu an, dass ihm vor allem Votivgaben aus Eisen geopfert wurden (in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts waren das in Inchenhofen 29,8 v. H. der Opfergaben), die oft einen sehr altartigen Eindruck machen, was aber daher rührt, dass sich die Technik des Schmiedens über Jahrhunderte nicht geändert hat. Die häufigen Eisenvotive führten dann dazu, dass man manche Leonhardskirche mit einer Eisenkette umspannte. In Inchenhofen, Aigen am Inn und Gabelbachergreut formte man aus dem vielen Eisen einen Leonhardsnagel, den Männer zur Buße schleppten. Andere ließen sich zur Buße in einen eisernen Ring schmieden, was auf einen Rechtsbrauch hindeutet. Geopfert wurden in Inchenhofen zudem Pflugscharen (s. o.), auch regelmäßig von bestimmten Gemeinden (wie von anderen Kerzen). Das dokumentiert – wie das Hufeisen auf den frühen Mirakelbüchern – einen früheren Bezug des Heiligen zur Landwirtschaft als das Viehpatronat.

Der Altar war in Inchenhofen so positioniert, dass man um ihn herumreiten konnte, was auch Verlöbnisinhalt war. Neben der Zinsbarmachung, wie sie auch an Wallfahrtsorten anderer Heiliger vorkommt (z. B. beim heiligen Blasius in Bopfingen), fallen zwei Mirakel besonders auf: Im Jahre 1414 gelobten Eltern, ihr Kind Leonhard zu nennen, wenn die Mutter die schwierige Geburt glücklich übersteht und im Jahre 1508 gelobte eine ins Gefängnis geratene Frau, „an unser lieben Frauen Tag keinem Manne beizuwohnen”, wenn sie die Freiheit wieder erlangen sollte. Inchenhofen war im späten Mittelalter ein Wallfahrtsort von überregionaler Bedeutung, die bis Polen, Ungarn, Triest und Bozen, bis zum Elsass und nach Burgund ausstrahlte.[1142] Neben Inchenhofen entwickelten sich Aigen am Inn und Ganacker, Tamsweg, St. Leonhard im Lavanttal und St. Leonhard bei Freistadt als wichtige Wallfahrtsorte. An manchen Leonhards-Orten finden auch noch heute Umritte mit Pferdesegnungen statt.[1143]

Vor allem der Attribut-Bildung wegen (und deswegen nicht in dieser Ausführlichkeit) soll noch der auch in Österreich vor allem an der Ostgrenze hoch verehrte heilige Ulrich als Beispiel angeführt werde.[1144] Was die Quellenlage betrifft, so unterscheidet sich Ulrich von Florian und Leonhard dadurch, dass bereits ein Zeitgenosse, der Dompropst Gerhard, eine Vita geschrieben hat; gemeinsam hat Ulrich mit Florian und Leonhard, dass auch ihn die ältesten Darstellungen ohne Attribut zeigen.[1145] Bereits Gerhards Vita enthält Ansätze, aus denen sich ein Wasserpatronat entwickelt haben könnte. So reitet Ulrich bei Hochwasser durch die Wertach, ohne nass zu werden, eine Szene, die um 1130 im Zwiefaltener Passionale in einer Federzeichnung dargestellt wird. Im gleichen Kapitel (Kap. 17) erzählt Gerhard, wie Ulrich bei einer Fahrt mit dem Schiff zu einem Hoftag nach Regensburg vor dem Ertrinken gerettet wurde. Daran fügt er die Erzählung (Kap. 18), wie Ulrich auf einer Romreise den Hochwasser führenden Fluss Taro überquerte.

Der Bezug zum Wasser lässt sich nicht übersehen. Ein Wasserpatronat bildete sich bereits im 11. Jahrhundert heraus. Brunnen und Kapelle in Möggers sollen bereits im Jahre 1005 renoviert worden sein und der Ulrichsbrunnen in Habach lässt sich bereits 1073 nachweisen.[1146] Wasser kann man, insbesondere in den Skulpturen, als Attribut nicht verdichten, weshalb man offensichtlich auf den Fisch kam, der für das Element Wasser stehen kann. Seit dem 14. Jahrhundert wird Ulrich dann mit einem Fisch dargestellt, was im Laufe der Zeit einer Erklärung bedurfte. Das führte zur Bildung einer neuen Legende, die erzählt, Ulrich habe an einem Donnerstagabend mit Bischof Konrad von Konstanz gespeist und dann die ganze Nacht über mit ihm über Gott geredet. Am nächsten Tag, einem Freitag, habe Ulrich einem Boten ein Stück Fleisch gegeben, doch als dieser das Fleisch dem Bayernherzog zeigen wollte, um den Heiligen anzuschwärzen, habe es sich in einen Fisch verwandelt; „darumb malet man ein visch in sein hand”. Diese Szene hat bereits der „Meister der Ulrichslegende” um 1455 auf einem Altarbild, das in St. Ulrich und Afra in Augsburg über der Tür zur Sakristei hängt, dargestellt. Diese Erklärungslegende erscheint erstmals 1480 im Druck (Augsburg, Bämler: „Der Heiligen Leben”). Infolge des Attributs wurde Ulrich dann auch Patron der Fischer.[1147]

Aus dem Kreis der weiblichen Heiligen sei die heilige Barbara herausgegriffen, die in die so genannte Normalreihe der 14 Nothelfer gehört.[1148] Nach einer vielleicht in Ägypten entstandenen Passio (7. Jahrhundert) soll die Jungfrau um 306 in Nikomedien das Martyrium erlitten haben. Ihrer Schönheit wegen wurde sie von ihrem Vater in einen Turm eingesperrt. Auf ihrer Flucht öffnete sich ein Felsen, in dem sie sich verbergen konnte. Von einem Hirten verraten wurde sie eingekerkert, verschiedenen Martern unterworfen und schließlich von ihrem eigenen Vater enthauptet. Da sie die Eucharistie sehr schätzte, betete sie vor ihrem Tod: „Herre Jesu Christe [...] ich bitt dich, daß du mich dieser Bitte gewährest: welcher der ist, der mich lieb hat und anrufet und meine Marter ehret, daß der ohn deinen Heiligen Leichnam nimmer verscheide und du des Sünd am jüngsten Tag nimmer gedenkest.” (aus: „Der Heiligen Leben”).

Der Kult um die heilige Barbara entstand im Osten, den ältesten Beleg für ihre Verehrung im Westen bildet ein Fresko im Presbyterium von Santa Maria antiqua in Rom aus den Jahren 705/706. Obwohl die Heilige bereits in einigen Kalendaren vor der Jahrtausendwende auftaucht (Fulda, Lorsch, Trier, St. Gallen, Regensburg und Kempten), sie in den Kalendaren des 11./12. Jahrhunderts fest verankert ist und ihre Reliquien nach der um 1000 erfolgten Übertragung nach S. Marco in Venedig bald danach in Benediktbeuren und Freising registriert werden, erweist sich dieser Kult noch nicht als so intensiv, dass er zur Patrozinienwahl führt.

Sowohl das Stuttgarter wie das Zwiefaltener Passionale, beide aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, enthalten eine Miniatur der Enthauptung der Heiligen. Die Passio las man damals auch in Augsburg, in Schäftlarn und in Windberg. Die Legenda aurea nahm die Passio erst im Anhang auf. Die Legende in Der Heiligen Leben bringt ein (posthumes) Mirakel, das der Heiligen Wirkmächtigkeit (s. o.) beweist. Der Kopf eines Enthaupteten klagt: „Und ich bin ein übeltätiger Mensch gewesen, doch ehret ich Sankt Barbara alle Tag mit einem Gebet und bat sie fleißiglich, dass sie mir um Gott erwerbe, dass ich ohn Gottes Leichnam nimmer verscheide”. Darauf folgt die Schlusspassage: „Nun helf uns Sankt Barbara um Gott erwerben, dass er uns nimmer lasse sterben ohn seinen Heiligen Fronleichnam, dass wir den empfangen mit Reu und mit Andacht, dass er unser Geleit sei von diesem Leben zu dem ewigen Leben. Amen.”

Das aus der Legende resultierende Sterbepatronat traf eine Grundbefindlichkeit des mittelalterlichen (und auch des barocken) Menschen, der nicht Angst vor dem Sterben als solchem hatte, sondern Angst vor dem Sterben, ohne vorher die Sakramente empfangen zu haben. Barbara erscheint daher auch in den Holzschnitten der im 15. Jahrhundert so beliebten Ars-moriendi-Büchlein unter der Schar der Heiligen, die dem Sterbenden beistehen.[1149] Das Sterbepatronat findet dann im Attribut „Kelch (mit Hostie)” seinen Ausdruck. Mitunter steht der Kelch im Turm, dem Hauptattribut der Heiligen. Der Turm löste dann das Patronat über Türme und Festungen sowie für Baumeister und Maurer aus. Der sich zum Schutze der Heiligen öffnende Fels begründete das Patronat über den Bergbau. In Tirol tragen bereits im 14. Jahrhundert Gruben ihren Namen. Für die Bergknappen verband sich in ihrer gefährlichen Arbeit das Bergbau-Patronat mit dem Sterbepatronat. In den Bergbaugebieten wurde die Verehrung der Heiligen besonders im Zeitalter der Gegenreformation gefördert. Das Patronat für die Artillerie (und für alle, die mit Feuer arbeiten) geht auf den Blitz, der den Vater traf, zurück (Attribut: Kanone).

Die schon im 14. Jahrhundert bekannten Attribute entfalten sich dann im 15. Jahrhundert. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erweiterte Johann von Wackerzeele die Legende durch zahlreiche Wundererzählungen. Die Verehrungsgeschichte der heiligen Barbara enthält beide Richtungen: Legende – Patronat (Sterbepatronat) – Attribut (Kelch mit Hostie) und Legende – Attribut (Turm) – Patronat (Festungen, Baumeister).

Nichts mit der Heiligen haben die nach ihr benannten Barbarazweige zu tun. Ihre Bezeichnung ist lediglich auf den Termin zurückzuführen, zu dem man die Zweige ins Haus bringen soll, damit sie zu Weihnachten blühen. Auch die Walpurgisnacht etwa hat außer dem Kalendertag nichts mit der Heiligen zu tun und Ähnliches dürfte auch für die Martinsgans zutreffen.[1150]

Der Glaube an die Wirkmächtigkeit bestimmter Heiliger für besondere Anliegen war in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts noch so stark, dass er beim großen volkskundlichen Unternehmen „Atlas der deutschen Volkskunde” (ADV) wenigstens in einem kleinen, aber wichtigen Teil abgefragt werden konnte. Die Frage 183 lautete: Welche Heiligen ruft man an

  • um günstige Witterung für das Feld im Allgemeinen?

  • um Sonnenschein?

  • um Regen?

  • gegen Feuer?

  • um Heilung von Krankheiten? 1. bei Pferden 2. bei Rindvieh.

  • Sind in ihrem Ort die vierzehn Heiligen Nothelfer bekannt? Welches sind ihre Namen?

In den Karten der Neuen Folge (9–12) werden die Ergebnisse vorgestellt und im Erläuterungsband I von Matthias Zender kommentiert (153–230). Dabei fügt er in Abbildung 23 eine Karte der „Wallfahrtsorte der Schutzheiligen um günstige Witterung, um Sonnenschein und Regen, bei Feuersgefahr und bei Ungewitter in Österreich” und in Abbildung 24 eine Karte der „Wallfahrtsorte der Schutzheiligen des (Rind)viehes und der Pferde in Österreich” ein, die nach dem Werk von Gustav Gugitz erstellt wurden.

Fast eine Generation später nahm der „Österreichische Volkskundeatlas” das Thema Viehpatronate auf, konzentrierte sich aber zunächst auf den Leonhardskult (Frage 22). Dabei wurde der Komplex weit umfassender als im ADV erfasst und erfragt:

A.

  • Gibt es in Ihrem Ort oder (in) dessen Umgebung eine Leonhardskirche oder -kapelle? Ist sie mit einer Eisenkette umschlungen?

  • Gibt es einzelne Leonhardsstatuen oder -bilder, die Verehrung genießen?

  • Wird der Leonhardstag (6. Nov[ember]) in diesem Ort besonders gefeiert, indem eine Wallfahrt (für das Gedeihen der Stalltiere) unternommen wird? Wohin wird gewallfahrtet?

  • Wer (z. B. der Bauer oder Knecht für die Rösser, (die) Bäuerin oder Almerin für die Kühe) geht wallfahrten? Wenn der Brauch abgekommen ist, bitte anzugeben, seit wann.

  • Gibt es besondere Leonhardigebete? Wenn ja, geben Sie uns bitte den Text dieser Gebete an. (Lassen Sie ihn, bitte eventuell von Schülern aufschreiben.)

B.

  • Findet am Leonhardstag in ihrem Ort oder dessen Umgebung ein Pferdeumritt statt? Wenn ja, wohin? Ist dieser Umritt alt oder erst in jüngerer Zeit aufgekommen? Wenn er neu ist, wer hat ihn eingeführt?

  • Wie geht dieser Umritt vor sich?

  • Finden auch zu anderen Zeitpunkten Umritte statt? (z. B. zu Georgi, Ostern, Pfingsten, Sonnwend, Fronleichnam, Stephani usw.)

  • Wie werden diese Umritte durchgeführt? Wir sind Ihnen für eine genaue Beschreibung sehr dankbar und bitten Sie, diese, wenn möglich, durch Bildbeigaben zu illustrieren. Wenn diese Umritte bereits abgekommen sind, bitten wir anzugeben, wann dies ungefähr geschah.

C. Was gibt es sonst noch für Viehpatrone (z. B. Wendelin, Koloman, Oswald, Pankratius usf.), die in Ihrem Ort verehrt werden? Bei der Bearbeitung der Antworten wurde dann deutlich, dass man das Thema nicht so stark auf den heiligen Leonhard konzentrieren darf und so wurde im 4. Fragebogen noch einmal nachgefragt (Frage 39):

  • Viehheilige: Welche Heilige außer dem hl. Leonhard gelten bei Ihnen als Schutzpatrone

    1. des Großviehs: Rinder – Pferde, der Schweine?

    2. des Geflügels?

    3. sonstiger Haustiere?

  • Werden (wurden früher) zu Ehren dieser Heiligen in oder von Ihrem Ort Wallfahrten, Bittgänge, Prozessionen u. dgl. unternommen, um Segen für die Haustiere zu erbitten? An welchem Tag und zu welcher Tageszeit? Auf welche Heiligen bezieht sich diese Verehrung?

  • Wohin und zu welchen Schutzpatronen wird (wurde früher) gewallfahrtet? (Wenn der Brauch abgekommen ist, bitten wir anzugeben, wann)

  • Wer nimmt an den Wallfahrten, Bittgängen und Prozessionen teil?

  • Wurden diesen Heiligen außer Geld bestimmte Opfergaben dargebracht? (Bitte um nähere Beschreibung der Art und Weise des Opfers)

  • Gelten die genannten Heiligen auch als Fürbitter in anderen Anliegen?

Den Kommentar (3. Lieferung von 1968) hat Helmut Paul Fielhauer geschrieben. Die Wiedergabe insbesondere der Fragen zum „Österreichischen Volkskundeatlas” zeigt den Gesamtkomplex sehr differenziert auf (und eignet sich daher gut als Schlusspassage).

In die beiden Karten wurden 35 Heilige aufgenommen, die zumindest einen überörtlichen Kult begründeten. Dazu kommen 57 Heilige, die meist nur in wenigen Orten genannt wurden. Ähnlich liegen die Verhältnisse (auch bei den anderen Themen) im ADV. Von der Kultgeographie her kann man diese Heiligen in drei Kategorien einteilen:

  • im gesamten Untersuchungsgebiet in dieser Funktion verehrte Heilige

  • Heilige von regionaler Bedeutung

  • Heilige nur von lokaler Bedeutung (meist Kirchen- oder Kapellenpatrone)

Der „Österreichische Volkskundeatlas” ist sich auch der Frage der Deszendenz bewusst und fragt deswegen auch wiederholt danach, wann bestimmte Kult- und Brauchformen verschwunden sind.

Würde man heute, am Beginn des 21. Jahrhunderts (d. h. etwa eine Generation, in der sich auch in der Landwirtschaft ein starker Wandel vollzogen hat, später) den gleichen Fragenkatalog hinausschicken, fiele das Antwortmaterial sicher anders aus, auch deswegen, weil in der katholische Kirche die Heiligenverehrung erhebliche Einbußen erlitten hat. Zudem haben sich nicht selten bei gleichem Tun die Intentionen geändert. Wenn Eltern für ihre Kinder schöne alte Heiligennamen wählen, dann folgen sie in der Regel einem bestimmten Modetrend und haben mit der Verehrung des Heiligen nichts mehr im Sinn.

Auch viele Umritte konnten sich nur halten (oder konnten wieder belebt werden), weil sich die Reitvereine ihrer annahmen. Damit trat eine ganz andere Schicht in den Brauch, die einen völlig anderen Bezug zu den Tieren hat als ehedem die Bauern. Dabei ist nicht leicht zu entscheiden, ob Frömmigkeit (gar in der Form der Heiligenverehrung) wenigstens als Grundhaltung noch gegeben ist oder wie weit die Umritte von Folklore überlagert werden.

Auch in der älteren Generation hat Heiligenverehrung in der Form von Patron und Patronat nicht mehr jene Bedeutung, die ihr noch im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert zukam. Eigenartigerweise scheint sich das Patronat des heiligen Antonius von Padua als Wiederbringer verlorener Gegenstände am längsten gehalten zu haben. Das Reisepatronat des heiligen Christopherus erfuhr in den letzten Jahrzehnten eine Wiederbelebung, sodass sich auch heute noch manche Autofahrer ihm anvertrauen. Anders liegen die Verhältnisse im Wallfahrtswesen. Sich in bedrohten Situationen (oder auch nur aus Gründen der allgemeinen Anheimstellung) an heilige Orte zu begeben, dort sein Anliegen vorzubringen oder gar in ein Buch einzutragen, steht noch vielerorts in Übung (nicht nur in Lourdes und Fatima).



[1101] Kein Patrozinium musste von den Historikern solche Missdeutungen erdulden wie jenes des heiligen Martin. Der von den Franken als Nationalheiliger verehrte Bischof sollte in dieser Eigenschaft für alle Kirchen seines Namens verantwortlich sein, selbst wenn sie in Räumen liegen, die im 8./9. Jahrhundert noch gar nicht besiedelt waren. Gerade bei den Martinspatrozinien ist es geboten, an die mögliche Mehrschichtigkeit der Patrozinien eines Heiligen zu erinnern. Martin war eben nicht nur der fränkische Heilige, auch wenn er als solcher die größte politische Bedeutung gewann, sondern auch der Standespatron der Bischöfe und Ritter, die ihm auch im hohen Mittelalter ihre Kirchen weihen ließen. H. Weigel hat auf überzeugende Weise Kriterien für Martinspatrozinien entwickelt, die nicht in zeitgenössischen Quellen bezeugt sind.([Weigel 1964]). An die Mehrschichtigkeit muss man auch bei anderen Patrozinien denken. Der heilige Vitus z. B. war Patron des sächsischen Königshauses. Sein Kult erfuhr im späten Mittelalter neue Impulse im Rahmen der Nothelferverehrung aus der er in der Barockzeit besonders hervortreten und eine besondere volkstümliche Verehrung begründen kann. Dem heiligen Georg wurden schon im frühen Mittelalter Kirchen geweiht. Im hohen Mittelalter steigt er dann zu besonderen Patron des Rittertums auf. Wenn Kirchen des heiligen Laurentius an Römerstraßen liegen, mag man ihre Gründung in der Spätantike denken. Da die Entscheidungsschlacht gegen die Ungarn am Laurentiustag d Jahres 955 geschlagen wurde, setzte in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts eine Welle der Laurentiusverehr ein. Vgl. die Karten in: [Bernleithner 1966]. Das Kartenwerk behandelt folgende im Zusammenhang mit den Patrozinien interessante Themen: Nr. 10 (1. Lieferung Patrozinien (I): Frühchristliche und frühmittelalterliche Patrozinien; Nr. 13 (2. Lieferung) Patrozinien (II): Hochmittelalterliche Patrozinien; Nr. 14 Patrozinien (III): Spätmittelalterliche Patrozinien; Nr. 15 Patrozinien (IV): Nachreformatorische Patrozinien; Nr. 16 Patrozinien (V): Josefinische und neuere Patrozinien. Leider geht aus den Beschreibungen der Karten nicht hervor, worauf sich die in die Karten gedruckten Jahreszahlen beziehen, auf Erstnennung des Patroziniums oder der Kirche (oder des Ortes).

[1102] Vgl. [PötzlW 1975], hier S. 24ff. [PötzlW 2000b], hier S. 158–161; [PötzlW 2002].

[1105] [Schuler 1991]. Kalendarenforschung wird von zwei Richtungen her betrieben: von der Liturgie- und Kirchengeschichte und von der Chronologie, siehe dazu: [Adam 1996]; [LechnerA 1891]; [Zilliken 1910]; [Miesges 1915]; [Lagemann 1967]. Siehe ferner: [Grotefend 1892]; [Rück 1992]; [Schaller 1974].

[1106] [Lagemann 1967], S. 246. Vor und nach dem Willibaldstag (7. Juli) dagegen liegen mit den Patronen der benachbarten Bistümer Augsburg (Ulrich: 4. Juli) und Würzburg (Kilian: 8. Juli) zwei harte Konkurrenten; zudem strahlt die Visitatio S. Mariä (2. Juli) auf die folgenden Tage aus und Margaretha (13. Juli) wirft – vor allem in den Frauenklöstern – ihre Schatten weit voraus ([PötzlW 1987], hier S. 159).

[1108] Vgl. Predigt. In: [Lexikon des Mittelalters 2002]. Bd. 7, Sp. 171–175; (Longere, Jean: A. Ursprünge und Recht; Schiewer, Hans-Jochen: B. I, Deutsche Literatur).

[1110] In einer liturgischen Handschrift Augsburger Provenienz aus der Mitte des 12. Jahrhunderts (clm 3908, fol. 197v–198v) legte der Schreiber eine Liste der Heiligen, von denen man Viten besaß, nach dem Kalender an und fügte jeweils hinzu, ob sich diese „in libro martyrum” (I oder II) oder „in libro confessorum” befindet. Einleitend bemerkt er: „Sanctorum apostolorum, Martyrum, Confessorum atque uirginum gesta et passiones diffuse et inordinate in diuersis uoluminibus compilatas a capite ianuarii inchantes secundum kalendarii cursum inpraesens conteximus conpendium. Facilius est enim et lectori magis expedit ea perspicere que in hac continentur paginas quam in his querendis plura reuoluere uolumina.“ Jedem der sechs Bände des Windberger Legendars (clm 22240–22245), der vor 1191 angelegt wurde, gehen die entsprechenden Monate des Kalendars voran. Dabei wurde, allerdings nicht konsequent, vor dem Heiligennamen vermerkt, ob der Codex die Vita enthält ([Klemm 1980], Nr. 171).

[1111] Vgl. [Atlas zur Kirchengeschichte 1970]. Karte 28 (bearb. v. Zender M.; Fellenberg, J. gen. Reinold): Reliquientranslationen zwischen 600 und 1200. Von Salzburg (v. 718 Amandus; 859 Chrysanth u. a., Hermes; 860 Crispin und Crispinian; 9. Jahrhundert Maurus; Primus u. a., alle aus Rom; 939 Martin aus Westfrankreich) abgesehen bildet Österreich auf der Karte eine Randlage. Im 11. Jahrhundert gelangten die Reliquien von Chrysanth u. a. sowie Hermes nach Admont. 1074 gab Salzburg Admont die Reliquien des heiligen Paternianus ab, vor 1150 erhielt Admont Reliquien des heiligen Blasius. Aus Rom kamen Reliquien des heiligen Marian nach St. Lambrecht, 782 Reliquien des heiligen Candidus nach Innichen, zwischen 748 und 788 Reliquien des heiligen Tiburtius sowie zwischen 841 und 843 Reliquien des heiligen Agapit nach Kremsmünster. Aus Tegernsee erhielt St. Pölten Reliquien des heiligen Hyppolyt, Melk bekam vor 1075 Reliquen des heiligen Mauritius aus St. Maurice und Heiligkreuz Kreuzreliquien aus dem Orient. Grundlegend zu den Translationsberichten: [Heinzelmann 1979]; [Heinzelmann 1997].

[1112] [Deinhardt 1936]; [Tüchle 1949]; [MGH] SS XV, 2, S. 1269–1289, SS XVII, S. 345–347; SS XXX, S. 768–788. Die Editionen von Traditionscodices, Urbaren und Urkunden in der Reihe „Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte” nehmen, wenn vorhanden, auch Weihenotizen auf. Auf diese Weise sind z. B. die dedicationes von Schäftlarn, Diessen, Asbach, Osterhofen, Weihenstephan und Prüfening leicht zugänglich.

[1113] Die Berichte zur Patrozinienforschung in den Blättern für deutsche Landesgeschichte fanden nach 1970 (= Bd. 106) keine Fortsetzung und es erscheint irgendwie bezeichnend, dass auch das Lexikon des Mittelalters keinen eigenen Artikel „Patrozinienkunde” enthält, sondern sich mit dem Artikel „Patron” (Angenendt, Arnold) begnügt. Allgemeine Literatur ebenda bzw. [PötzlW 1987], S. 20f.; [Schuler 1991]; [Adam 1996]; [LechnerA 1891]; [Zilliken 1910]; [Miesges 1915]; [Lagemann 1967]. Siehe ferner: [Grotefend 1892]; [Rück 1992]; [Schaller 1974]. Aus der Fülle der Spezialuntersuchungen: [Hoffmann 1932]; [ZimmermannG 1958]; [ZimmermannG 1959]; [PötzlW 1994], S. 12–22, S. 52–56, S. 74–80.

[1115] So kennen wir z.B. drei Augsburger Reliquienverzeichnisse aus dem 11. Jahrhundert. [PötzlW 1987], S. 23; [Deinhardt 1936]; [Tüchle 1949]; [MGH]. SS XV, 2, S. 1269 –1289, SS XVII, S. 345–347; SS XXX, S. 768–788; [Legner 1989]; [Angenendt 1994].

[1117] [PötzlW 1993a], hier S. 1008–1021 (Elevationen, Translationen und Tumuluskulte der Karolingerzeit), S. 1040–1048, S. 1059–1062.

[1118] [ZimmermannG 1958]. (Reliquienpatrozinien und ihre Sonderform Pertinenzpatrozinien); [Dienemann 1955]. Von 25 anlässlich einer Schenkung in der Mitte des 8. Jahrhunderts an das Bistum Würzburg genannten Kirchen verehren nur mehr 5 am Ende des Mittelalters den gleichen Patron. Die meisten dieser Kirchen stammten aus Königs- und Reichsbesitz und das Bistum Würzburg wollte seine neuen Besitzrechte dadurch dokumentieren, dass es eigene Heilige, insbesondere den 752 erhobenen Kilian, durchsetzte (so genannte Pertinenzpatrozinien). Dieses Beispiel dokumentiert, allerdings in extremer Weise, die Möglichkeit des Patrozinienwechsels. [PötzlW 1968].

[1121] [Achermann 1979]; [PötzlW 1993a], hier S. 909–928 (Heiligenverehrung).

[1123] Voran ging ein Miniaturenkodex aus der Werkstatt von Jörg Kölderer, Innsbruck um 1515 (Österreichische Nationalbibliothek Cod. Vind. Ser. N. 4711); die Holzschnitte von Leonhard Beck in der Graphischen Sammlung Albertina. Zu Leonhard Beck vgl. [Allgemeines Künstlerlexikon (AKL)], S. 133f., S. 142–144. Einbezogen in diese große Zahl der Heiligen wurde z.B. auch der Augsburger Bischof Simpert (778 - ca. 807).

[1124] [Guth 1984], hier S. 416ff. (Mittelalterliche Wallfahrtszentren als barocke marianische Staatsheiligtümer der Dynastie). Ihre Herren ließen die Habsburger allerdings in der Loretokapelle der Wiener Hofkirche bestatten ([PötzlW 2000a], S. 105f ). Vgl. [Glaser 1999]; [Matsche 1999].

[1126] [Wendehorst 1995]; [RothE 1980]; („Zu keiner Zeit distanziert sich die Stadt von ihrem Heiligen, noch während des 30jährigen Krieges 1623 lässt sie einen Sebaldsgulden neu prägen mit seinem Bildnis und der Umschrift Sanctus Sebaldus, die sog. Reichsguldiner zeigen ihn ebenfalls mit dem Kirchenmodell, zu seinen Füßen das große und kleine Stadtwappen”, S. 51).

[1129] [PötzlW 1999b], hier S. 1071–1078 (Die Bruderschaften). Aus der umfangreichen Literatur zum Bruderschaftswesen vgl. besonders: [Remling 1986]; ferner [GrassF 1965]; [Widmoser/Köfler 1977]; [Sepperer 1979]; [Hochenegg 1984].

[1131] [PötzlW 1993a]; [KatzingerW 1980]; [PötzlW 1994], hier S. 232 u. S. 242.

[1135] [Dubois 1993]; [Bibliotheca Hagiographica Latina], S. 3054–3061; In den Kalendarien (s. o.) des frühen und hohen Mittelalters ist Florian fest verankert. In den großen Legendenwerken des Mittelalters, in der „Legenda aurea” und in „Der Heil Leben” (s. o.) fehlt Florian.

[1137] [FielhauerHP 1968]. Bl. 53 u. 54, Kommentar S. 39.

[1140] [Rösener 1991], S. 148 (Holzschnitt von Hans L. Schäufelein); [KramerKS 1985], S. 72 (vgl. auch S. 109).

[1141] [PötzlW/Hartmann 1995], S. 181. Inventare des Bayerischen Waldes aus dem 18. Jahrhunderts unterscheiden Kuh-, Ochsen- und Stierketten ([Lischke 1991], S. 176f.)

[1142] [Weidner 1982], S. 27; [PötzlW 1993a], Sp. 1055f. u. Sp. 1070.

[1143] [Bernleithner 1966]. Karte: Volkstümliche Verehrung bestimmter Heiliger in Österreich (K. Beitl – L. Schmidt). An erster Stelle steht Leonhard, bei dessen Verehrungsort auch kettenumgürtete Kirchen, Eisenopfer und Pferdeumritte vermerkt werden. Vgl. auch die Karte „Umritte” im ÖVA.

[1144] [Bernleithner 1966], Karten „Patrozinien II-IV; Vgl. u. a. [PötzlW 1973]; [Grell 1973]; [Grill 1973] und: Bischof Ulrich von Augsburg – seine Zeit, sein Leben, seine Verehrung, S. 890–973. In: [Weitlauff 1993]; [PötzlW 1993b]; [PötzlW 1999b].

[1145] [Zoepfl 1976]. Ergänzend dazu mehrere Beiträge in den beiden Festschriften: [Deinhardt 1936]; [Tüchle 1949].

[1147] Zu den übrigen Patronaten des Heiligen vgl. die gängige Literatur.

[1148] [Bibliotheca hagiographica latina], S. 913–971; [Petzoldt 1973]; [WimmerE 1980]; [PötzlW 2000b], hier: S. 163f u. S. 174f.

[1149] [Rudolf 1980]; [Borst 1983],S. 589–612 (Leben vom Tode her); [Jaritz 1985]; [Kleine 2001]; [MezgerF 1993].

[1150] Weder die „Legenda aurea” noch „Der Heiligen Leben” wissen vom Heiligen, der sich, um der Wahl zum Bischof entgehen in einem Gänsestall versteckt habe und durch das Geschnatter der Tiere verraten wurde. Die „Legenda aurea” spricht den Widerstand Martins gegen das Begehren des Volkes nur in einem Nebensatz an („dem widerstand er gar sehr”), in „Der Heiligen Leben” wird daraus eine Episode: „Das war ihm leid, und floh in ein Kloster in ein Zell da kunnt ihn niemand heraus bringen. Da ersann ein Bürger eine List, und kam zu ihm und sprach: ‚Herre, mein Hausfrau ist gar siech. Darum gehet mit mir, um dass sie gesund werde.' Und bracht ihn allda mit Gewalt der Red für das Kloster. Wann seine Frau war nicht siech. Da nahm ihn das Volk mit Gewalt und bracht ihn auf das Bistum. ” Vergleich dazu wirkt die Gänsestall-Legende wie eine Version, die entstanden sein könnte, als man für das (schon übliche) Gänse-Essen am Martinstag eine Erklärung in der Legende suchte. In der Ikonographie spielt die Gänse-Legende keine besondere Rolle. Eine Retabelfigur aus der Zeit um 1500 auf Schloss Tirol gilt als eines der frühesten Beispiele ([KimpelS 1974]). Auch andere Bräuche des Tages wurzeln im bäuerlichen Wirtschaftsjahr.

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