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Kapitel 6. Historische Texte

Inhaltsverzeichnis

6.1. Karl Adrian: Das Anglöckeln
6.2. Karl Adrian: Das Brotperchtenspringen
6.3. Karl Adrian: Das Frautragen im Gebirge
6.4. Karl Adrian: Das Halleiner Winter- und Sommerspiel
6.5. Karl Adrian: Der „heilige Abend“ im Pinzgauer Bauernhaus
6.6. Das Krimmler Nikolausspiel in Texten von Arthur Haberlandt
6.7. Das Krimmler Volksschauspiel in Texten von Hans Schuhladen, Arthur Haberlandt und Richard Wolfram. Zusammenstellung und Kommentar von Ulrike Kammerhofer-Aggermann
6.8. Karl Adrian: Das Oberndorfer Hirtenspiel
6.9. Karl Adrian: Perchtenlauf und Perchtentanz
6.10. Karl Adrian: Das Pfeffern oder Anbismen
6.11. Karl Adrian: Die Sternsinger
6.12. Sternsinger einst und heute in Texten von August Hartmann
6.13. Der Teufel ist im Spiel in Texten von August Hartmann
6.14. Karl Adrian: Das Weihnachtsblasen am heiligen Abend
6.15. Weihnachtsbräuche in Texten von Franz Zillner

6.1. Karl Adrian: Das Anglöckeln

6.1.1. Kommentar von Ulrike Kammerhofer-Aggermann

Das Betätigungsfeld von Karl Adrian

Der Lehrer Karl Adrian (17. 02. 1861–14. 10. 1949) zählt zu den prägenden Vorläufern der Volkskunde in Salzburg, der – besonders seit seiner Pensionierung 1922 – auch ehrenamtlich kulturell tätig war: von 1904 bis 1942 als Ehrenkustos des SMCA, als Ehrenmitglied (ab 1928) der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, als Korrespondent (ab 1925) und Konservator (ab 1937) des Bundesdenkmalamtes, als Korrespondent der Anthropologischen Gesellschaft sowie der Vereine für Volkskunde in Berlin und in Wien.

1904 erstellte er aus den Beständen des SMCA eine volkskundliche Sammlung und richtete sie 1924 im Monatsschlösschen Hellbrunn als „Altsalzburger Bauernmuseum“ ein. Seine Zugehörigkeit zum „Ahnenerbe der SS Heinrich Himmler“ dürfte – so zeigen es Aktenlage wie Zeitzeugenberichte – eine rein „papierene“ gewesen sein. Neben dem Silbernen Ehrenzeichen der Republik Österreich erhielt er das Bayerische König-Ludwig-Kreuz für Heimatverdienste wie die Medaille für deutsche Volkstumspflege des NS-Regimes.

Historische Deutungen

Karl Adrians Werke sind heute als zeitgeschichtliche Schritte zur Entstehung der Heimatbewegung, des Landesbewusstseins wie der Heimatpflege zu lesen. Eine Gültigkeit seiner Bewertungen und Ausdeutungen ist heute vielfach nicht mehr gegeben. Obwohl viele Diskrepanzen in Adrians Werken zu heutigem Wissen bestehen, haben sich die Herausgeberinnen entschieden, Adrian-Texte unter den „Historischen Texten“ des Bereichs „Zum Weiterlesen“ hier abzudrucken.

Damit wollen sie einerseits die Entstehung der Heimatpflege- und Volkskultur-Bewegungen im Lande Salzburg aufzeigen und zum anderen auch Quellen ins Bewusstsein rufen, die eine Entwicklungsphase vor der nationalsozialistischen Volkstumspflege zeigen. Die Blickpunkte und Begründungen sind bei Adrian noch deutlich andere: einerseits Altertumssehnsucht nach einer „großen geschichtlichen Zeit“ sowie ein Liebäugeln mit „naturmythischen Aspekten“ und andererseits der feste Glaube an eine wirtschaftliche, soziale und politische Stabilisierung der Gesellschaft durch das Aufleben bzw. Einführen von Bräuchen – als neuer Ständebewegung. Die später so durchdringend feststellbaren zwingenden völkischen Aspekte fehlen bei Adrian gänzlich.

6.1.2. Das Anglöckeln (Karl Adrian)[1903]

Das Anglöckeln ist eine Sitte, welche in der Adventszeit in verschiedenen Gebieten des Landes geübt wird, aber fast überall in anderen Formen erscheint. Im Gebirge, besonders im Pongau, ist es vom Umzug der „schiachen“ Perchten schwer zu trennen und Anglöckler und Perchten gehen auch in der Bezeichnung durch die Leute ineinander über. Nach Eysn (Zeitschrift für Volkskunde – Berlin) begrüßt es der Rauriser Bauer, wenn viele Anglöckler kommen, weil er darin eine Gewähr für die Fruchtbarkeit des kommenden Jahres sieht; die Verfasserin erzählt im weiteren, „daß einige von den Anglöcklern in das Gehöft eintreten, einen Glöckelspruch sagen und ebenfalls in Versen in verblümter Weise das Tun des Bauers und dasjenige seines Gesindes rügen. Dann, auf Besserung hoffend, wird der ‚Trager‘ hereingeholt, der Nüsse verteilt, dann ziehen sie weiter.“

Einen solchen Glöckelspruch, der jedenfalls auf ein sehr ehrwürdiges Alter zurückweist, bringt auch Hübner in seinem II. Band des Erzstiftes Salzburg. Derselbe stammt aus der Werfener Gegend und lautet:

„Ihr meine lieben Brüder, steht’s zusamm in a Scheibn,
und so wolln ma a Bois[1904] uns mitn Singa verdreibn.
So gehn ma daher halt bey da Straßen,
daß ma nit zukehrn, das mögn ma nit lassen,
wohl unter der Haustür steht dort der Hauswirt,
so grüaßn ma zum ersten halt den ehrsamen Hauswirt.
Wohl an den fruahen Morgen, da fallet der Tau
und grüaßen zum andern die ehrbare Hausfrau.
Wir grüaßen die Knecht, wir grüaßen die Dirn,
wir grüaßen das Kindlen, wohl inner der Wiagn.
O Du liaber Hauswirt das Grüaßen ist aus,
wann Du uns nit auftuast, gehen wir zu an andern Haus.“

Wird nun aufgetan, so wird weiter gesprochen:

„Wir wünschen dem Hauswirt viel Glück in das Haus,
das Unglück muß weit über d‘ Bergn hinaus.
Wir wünschen ihm Glück, wir wünschen ihm Segen,
wir wünschen ihm fruchtbaren Tau und auch Regen.
Wir wünschen ihm Glück, wir wünschen ihm Heil,
damit ihm das Glück werd alles zu teil,
wo wünschen wir Glück ihm halt überall,
wir wünschen ihm Glück zu dem Vieh in dem Stall,
nun wollen wir das Wünschen beschließen,
es möchte Dich o Hauswirt das Zulosen verdrießen.“

Im Gasteiner Tal ziehen junge Burschen in der Adventzeit vermummt umher, klopfen an die Fenster der Häuser und sprechen irgend etwas in Reimen hinein, worauf sie auch aus dem Hause von jemand eine passende Antwort in Knittelversen erhalten. Die lustige Gesellschaft klopft, lärmt und klappert mit den langen Stöcken und zieht dann wieder weiter.

Im Pongau kündigen sich die Anglöckler schon von weitem durch den Klang der Almglocken an. Sie stürmen in die Stube, wo sie musizieren, tanzen, hüpfen und springen. Alle sind verkleidet und vermummt, sie sprechen kein Wort, damit sie ja niemand erkennt. Da sind zwei Brautleute, die sich recht gern haben, der Schleifer mit Messer und Scheren, der Öltrager mit einem Geschirr voll Pechöl und einem Pinsel dazu; er hat es besonders auf die Weiberleut abgesehen. Flugs streicht er der schönen Sennerin eines übers Gesicht, daß es ein lautes Hallo gibt. Nicht minder zu fürchten ist der Rauchfangkehrer. Die Hausleute haben aber auch ihre Freude, wenn sie einen solchen erkennen. In der Stube setzt ihnen die Bäuerin Äpfel, Schnaps und Brot vor.

Andere ziehen in Gruppen zu sechs Teilnehmern, oft auch begleitet von zwei „schiach“ angezogenen Hexen, die mit ihren Besen die Zudringlichen abwehren. Beim Singen stellen sie sich in der Runde zusammen, neigen Kopf und Oberkörper gegeneinander und bilden so eine Art Glocke. Auch im Pinzgau ziehen Frauen, Buben und Mädchen in den Donnerstagen des Advents als Anglöckler von Gehöft zu Gehöft und singen dort ihre uralten Anglöckelsprüche und -lieder. Vor dem Gesicht tragen sie eine Larve, auf dem Kopfe eine Bischofmütze oder sie verhüllen ihn in ein Tuch. Einer der bekanntesten Glöcklersprüche heißt:

Klopf an, klopf an, dö Bäurin hat an schön Mann,
sö geit ma an Huat voll Klotzn z‘ Lohn,
wei i ihren Mann globt han, globt han.

Es erinnert dieser unwillkürlich an die Klopfan-Lieder des 16. Jahrhunderts eines Hans Rosenplüt [Anm.: Büchsenmeister und Dichter in Nürnberg, um 1400–1460] und Veit Stoß [Anm.: Bildhauer und -schnitzer, in Krakau und Nürnberg tätig, um 1447–1533], die alle Segenswünsche für das neue Jahr enthielten. Nachstehend mögen nun eine Anzahl solcher Pinzgauer Glöckelsprüche, entstammend der Saalfeldener Gegend, folgen:

1. Grüaß dö Gott mei Baua,
heunt sand ma schon mehr då.
Außn goa net sauba,
mir keman alle Jåhr.
Klotznbroat war freili guat,
mir mögn dös ander å.
Mir sand ja glei a doaßen[1905] froah,
wenn’s nur ebbas war.
Dö Bäurin hat schöne Henna,
legn tans sie doi[1906]
wer wirscht denn d‘ Oa aufnehma,
dö Bäurin ja, woaßt woi.
Dö Bäurin håt schöne Kinda,
wachsen tan sö doi,
wo wirscht ma‘s denn glei kenna,
im Gwandl jå, woaßt woi.
Klopf an, klopf an, dö Bäurin håt an schön Mann,
i han gmoant sie geit ma an Krapfn,
wie i ihrn Mann globt han.

2. Auf, auf, ihr Hirten, auf,
nach Bethlehem gschwind lauf,
dort liegt das neugeborne Kind;
auf  und nur geschwind.
Hoa, hoa, hoa, hoa, es is ja net a so,
es is ja erscht um Mitternacht,
drum hoaßt’s scho auf vom Schloaf.
Vergeßt’s fein ‘s Pfeiferl und ‘s Geigerl nit,
und macht’s fein auf damit.
Heunt is da Glöckitag,
müaß ma oan’s singa.
Ferscht[1907] hat’s uns Klotzn gebn,
wißt’s ös denn nimma.
Loaßt’s uns nit loar ausgehn,
dös war nit schön.
Gebt’s uns an Branntwein,
der warmt ön Bauch ein,
der tat uns taugn.

3. Heunt is da heilig Anglöcklabend,
dö unsre Altväter hamt aufgebracht.
Mir bringn nit auf, mir bringn nit å,
und heunt sand ma um a Schüssei voll Klotz’n då.
Wanns ma oan gebt’s, aft gebts ma’s nur båld,
herinna is woarm und außn is kålt,
wanns ebbas habt’s, aft gebt’s ma’s gråd båld.
Der Bäurin wünsch i a guldene Wiagn,
daß liebreiche Kinder kann kriagn.
Den Bauan wünsch i an guldan Wågn,
daß er liebreich in Himmi kann einfoahrn.

Werden die Glöckler nun von der Bäuerin besonders reich beschenkt, so statten sie wohl auch ihren Dank mit folgendem uralten Glöckellied ab:

1. Juhu! Da sans‘ a no auf,
das is für uns a Freid.
Es war woi schon um Mitternacht,
wir kommen her so weit.
Solo: Wir kommen her von weiten,
da ist’s uns unbekannt.
Geh, tat’s uns do ausdeutschen,
wo ist denn ‘s Judenland?

2. Wie wir ham gwacht bei unsre Schaf,
ham mir ghört an großen Lärm,
daschrockn san ma all mitsamm,
da Seppal hat woi’n sterbm.
Solo: Da hat’s a große Liachtn gebm,
dö hat uns so daschreckt,
da Simal is a Loadiga[1908]
der hat sö gar versteckt.

3. Die Engl singan åll mitsamm:
Auf zum Jesuskind!
Da Hansl, der ist voller Schlåf,
er versteht, es brinnt.
Solo: Då stehn ma alle zam ön Kroas,
und wissen uns z’helfen nit gschwind,
der Jörgl, der is voller Schneid,
der sagt: Jazt roas ma gschwind.

4. In Gottes Namen, roas ma hålt,
ja åll mir Schäfersleut,
und suchen auf das Jesukind
und opfern ihm mit Freud.
Solo: Gott bewoahr uns’re Schåf,
daß sie nit wer’n zerstreut.
Auf daß dö Roas zum Jesukind
ein gutes Ende nimmt!

Daß das Anglöckeln auch außerhalb des Passes Lueg in Form des Perchtganges vorkam, dafür finden wir wieder den Beweis in der Arbeit Eysns „Über alte Steinkreuze und Kreuzsteine in der Umgebung Salzburgs“ (Zeitschrift für österreichische Volkskunde, Jahrgang 1897). Die Verfasserin erwähnt darin zwei Steinkreuze; das eine befindet sich nächst dem Kriechbaumgut in Oberwinkl, das andere am Wege von Glasenbach nach Egelsee, unter welch beiden nach der Überlieferung ein Anglöckler begraben liegen soll. Besonders von letzterem erwähnt sie, daß nach Mitteilung eines alten Bauers in einer Rauchnacht die jungen Burschen verkleidet und in Teufelsmasken auszogen. Auf dem Wege merkten sie, es habe sich ein unbekannter Teilnehmer ihnen beigesellt, den sie für den Teufel hielten. Sie erschlugen ihn, erkannten aber zu spät, daß sie einen der ihren erschlagen hatten, während der Böse entflohen war.

Am meisten Ähnlichkeit mit den Perchten zeigen heute noch die Aberseer Glöckler. Diese erscheinen am Vorabend von heiligen Dreikönige nach sechs Uhr abends und bewegen sich im taktmäßigen Laufschritte, meist im Achterlaufe, wobei sie aber auch andere Kreise und Figuren beschreiben, durch die Straßen des Ortes. Vor manchen Häusern führen sie ihre Tänze auf und empfangen dafür eine Gabe. Sie tragen ein kurzes, weißes Hemd, darunter eine lange, weiße, um die Schuhe verschnürte Leinenhose, derbe Wollsocken über den Schuhen und einen Ledergürtel um die Mitte. Auf dem Rücken hängt jedem eine Almglocke und die Hände halten Bergstöcke, die sie bei ihren Sprüngen benutzen. Das Merkwürdigste aber sind ihre Kopfbedeckungen. Sie tragen nämlich große, ganz eigenartige Gebilde aus durchscheinendem Papier auf dem Kopfe, so Häuser, Kirchen, Schiffe, Pyramiden, Sterne, Sonnen usw., die durch eine in ihrem Innern befestigte Kerze beleuchtet werden.

Ganz verschieden wird das Glöckeln in der Umgebung Halleins ausgeführt. Dort sind es meist arme Leute, sehr häufig Kinder, die nach dem Vortrage eines frommen Spruches eine milde Gabe heischen; nicht selten vernimmt man auf den Straßen in der Zeit vor Weihnachten die Redensart „gehst nöt a Glöckibetn“. Hier mag die Anschauung Schmellers Berechtigung haben, wenn er über diesen Brauch schreibt: „Sollte es gar vielleicht von dem ehemaligen Gebrauch herstammen, nach welchem die Sundersiechen, zu gewissen Zeiten, besonders an den Quatembern (wovon die letzte in die Woche vor Weihnachten fällt) mit einer Klapper oder einem Glöcklein in den Ortschaften herumgehen und Almosen einsammeln durften? Es mag dieser Brauch auch eine Beziehung haben auf das in alten Weihnachtsliedern oft besungene, vergebliche Herumwandern und Anklopfen Josefs und Marias an den Häusern der hartherzigen Juden in Bethlehem, um eine Herberge zu finden!“

Zur Bestätigung letzterer Meinung könnte dienen, daß, besonders in früheren Zeiten, in Hallein das Anglöckeln auch „Anhörbign“ hieß, welches Wort dem „Herbergsuchen“ entspricht. Vor Jahren lebte ein altes Ehepaar in Hallein, die sogenannten Herrgottmacherleut, weil der Mann in seinen jüngeren Jahren durch Schnitzen von Christuskörpern sich sein Brot verdiente, die durch fast 50 Jahre „anhörbign“, das heißt anglöckeln gingen. Durch gütige Vermittlung wurde von diesen Alten dem Verfasser, der von ihnen wohl ungezählte Male gesprochene „Anhörbigspruch“ selbst aufgezeichnet. Er lautet mit möglichster Beibehaltung der Schreibung der Urschrift folgendermaßen:

Josef.
Lieber Freund tu Dich erbarmen
und ermülder Du den Schmerz,
ganz demüdig tu ich Dich bitten,
laß mich ein in d’ Hütten.
Geh lieber Wirt, sei nicht so hürt,
die Bitt abschlagen wirst Du nicht.
Freund erhöre meine Bitt!

Wirt.
Wer ist denn da draußen,
wer ist vorn mein Haus,
daß Ihr heute so späte nachts
wecket mich auf.
Seht alle Türen und Fenster sant zua,
wer ist denn da draußen, zerstört die Ruah.

Maria.
Ach was Schmerzen, ach was Pein,
diese drinkt zu meinem Herzen,
daß ich auf offener Strasse,
mein Herrn Jesu liegen soll lassen,
wo’s beständig schneit und weht,
und Kälte, die niemals vergeht.

Wirt.
Weist gar a so bitten tuast,
und tuast di beklagn,
so will i Dir endlich a Örtel zusagen,
da draußen im Stall
wanns befriedigt wirds sein,
in mei Behausung laß i di nit ein,
weil da Fürsten und Grafen kehren ein.

Josef.
Tausend Dank sand Dir
versprochen, mir und Dir,
weist uns hast nicht ganz verstoßen
und ein Oart befinden kannst.

Maria.
Sehet, meine matten Glieder
ich auf das Stroh kann legen nieder
und die Augen in süßer Ruah
sanft ich kann schliaßen zua.

Im ehemaligen salzburgischen Gebiete Bayerns, in der Gegend zwischen Laufen und Tittmoning, ist das „Anrollen“, auch eine Art des Anglöckelns, zu Hause. Hartmann beschreibt dasselbe in seinen Volksschauspielen und erzählt, daß die jungen Burschen in den letzten drei Donnerstagen des Advents nachts zu den Häusern kommen. „Sie sind mit Schellkränzen (Rollen) behangen und verkünden ihre Ankunft durch lautes Jauchzen. Zwischen den Bewohnern des Hauses und den Anrollern beginnt nun ein lustiges Rätselspiel, wobei es den ersteren darum zu tun ist, die Vermummten an der Stimme zu erkennen. Zum Schlusse werden die Burschen mit gedörrtem und frischem Obst beschenkt. Diese Nächte heißen im Volksmunde die ‚Anrollnächte‘“.

Hartmann bringt eine große Zahl solcher Rätsel, welche alle von köstlichem Mutterwitz und Humor, wie von scharfer Beobachtungsgabe zeugen. Als Beispiele mögen Folgende dienen:

„Vettal, sag ma wer da größt in da Kircha ist?“
„Da Petrus, weil a üba d‘ Hui (Haar) aufgwachsn ist.“

 „Was is vourn wiar a Zwirmkliawi,
a der Mitt wiar a Waschbliawi,
hint wiar a Rechastiel?“
„Die Katze, wenn sie den Schweif ausstreckt.“

(Aus Hartmann „Weihnachtlied und Spiel in Ober-Bayern“. – Ober-Bayrisches Archiv, Bd. 44).

Endlich sei noch des „Klezi, Klezi“ gedacht, einer Anglöcklersitte aus der Gegend von Obereching. Dort ziehen vor Weihnachten Kinder und halberwachsene junge Leute vermummt herum; die Vermummung besteht sehr oft darin, daß sich die Knaben als Mädchen und umgekehrt die Mädchen als Knaben verkleiden. Mit verstellter Stimme rufen sie „Klezi, Klezi“ in das Haus hinein und läuten dabei mit kleinen Glöckchen, sonst aber sprechen sie kein Wort, um nicht erkannt zu werden. Nach Erhalt eines kleinen Geschenkes verlassen sie wieder das Haus.



[1903] [Adrian 1924], S. 15–24.

[1904] Anm. Adrian: Kurze Weile.

[1905] Anm. Adrian: Dessen.

[1906] Anm. Adrian: Toll.

[1907] Anm. Adrian: Im Vorjahr.

[1908] Anm. Adrian: Furchtsamer.

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